Kafka, Franz - Fürsprecher (Analyse des Prosastücks)
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Referat
„Fürsprecher“ von Franz Kafka – Analyse eines Prosastückes
Das Werk „Fürsprecher“ des österreichisch-tschechoslowakischen Schriftstellers Franz Kafka handelt von einer bizarren Situation, in welcher der Hauptprotagonist ununterbrochen, in einem endlos großen Gebäude, nach Fürsprechern für sich sucht, diese jedoch in keinster Form finden kann.
Das Prosastück, das aus der Ich-Perspektive des Hauptprotagonisten verfasst wurde, beschreibt seine ausweglose Suche nach Fürsprechern, welche für eine Anklage des Erzählers erforderlich sind. Während der Suche, die sich permanent in unterschiedlichen Gängen abspielt, und in denen ein undefiniertes Dröhnen herrscht, überlegt sich der Ich-Erzähler alle möglichen besseren Orten, an denen er eine möglichst hohe Anzahl an Fürsprechern für sich gewinnen kann. Diese ständige und ununterbrochene Suche führt den Ich-Erzähler durch alle Korridore des unbekannten Gebäudes, in welchem er jedoch nur auf eine kleine Gruppe von Frauen trifft. Abschließend beendet der Protagonist seine vergebliche Suche mit einem Dialog mit einem unbekannten Du-Erzähler und versucht ihm zu verdeutlichen, dass die Lebenszeit nicht unendlich ist und man diese nutzen muss.
Wie schon zu Beginn erwähnt, nutzt Franz Kafka in dem vorliegenden Werk „Fürsprecher“ einen durchgehenden personalen Ich-Erzähler, welcher zum Ende des Stücks eine Art Monolog mit dem Du-Erzähler durchführt. Mithilfe des personalen Ich-Erzählers erzeugt Franz Kafka bei den Lesern Mitgefühl, da man den Lesern dadurch das Empfinden bieten kann, ein Teil der Situation zu sein und sich mit dem Hauptprotagonisten identifizieren zu können. Des Weiteren wird mithilfe der Ich-Perspektive eine enorme Wirkung des Durcheinanderseins erzeugt. Die ständig wechselnden Gedankenaspekte sowie die Hin und Her gerissene Atmosphäre, welche eine Folge der Ich-Perspektive ist, führt zu einem auffallend bizarren Szenenbild.
Während der Text noch zu Beginn in der Vergangenheit erzählt wird, springt der Erzähler plötzlich zu der Gegenwart und zum Ende des Prosastücks führt der Hauptprotagonist in seinen Gedanken, einen Monolog mit einem unbekannten Du-Erzähler. Von Zeile 1 bis Zeile 23 kreist der Erzähler ständig und ununterbrochen nur über ein Thema umher, er verdeutlicht die Verzweiflung, welchen den Protagonisten plagt immer noch keine Fürsprecher für sich gewonnen zu haben. Den zweiten Handlungsabschnitt stellen die Zeilen 24 bis 68 dar, in welchen der Hauptprotagonist allmählich realisiert, dass er am falschen Ort ist und sich daher vorstellt wie der richtige, gar perfekte Ort ausschauen mag. Den Höhepunkt erreicht die bizarre Situation, im Moment in welchem der Erzähler plötzlich seine Fehler erst realisiert und dann bereut. Er verfällt in eine Art Panik und Wut zugleich, in welcher er seine Versäumnisse aufzählt und nun erkennt, dass er diese Fehler nicht mehr rückgängig machen kann. Der letzte Abschnitt (Zeile 69 - 83), welcher als eine Art Ratgeberliste für das unbekannte „Du“ fungiert, beendet das Prosastück von Franz Kafka. Hierbei fokussiert sich der Erzähler auf eine möglichst genau Beschreibung von Lebensweisheiten, welche sich alle auf die unaufhörlich vergehende Lebenszeit des Menschen beziehen und die damit verbundene Angst falsche Entscheidungen zu treffen.
Im gesamten Werk Kafkas lernen wir als Leser nur einen Protagonisten näher kennen, den Ich-Erzähler selbst. Trotz der wenigen Information, welche geäußert werden, wird die Ausweglosigkeit und die Angespanntheit des Protagonisten mithilfe vieler einzelner Adjektive, welche die Atmosphäre prägen, gekennzeichnet. Wir erfahren nur, dass er aus einem unbekannten Grund, so viele Fürsprecher wie möglich für sich gewinnen möchte, doch dieses Ziel in keinster Form erreichen kann. Aus weiteren unbekannten Gründen trifft er auf seiner Suche nur auf „alte, dicke Frauen“ (Zeile 4), auf welche der Protagonist als Fürsprecher, jedoch nicht zurückgreifen kann. Diese Charaktereigenschaft des Protagonisten weist höchstwahrscheinlich auf einen Drang nach Perfektion hin. Der Ich-Erzähler erklärt deutlich, dass er „Fürsprecher in Mengen“ (Zeile 36) für sich gewinnen möchte, doch kann er die alten, dicken Frauen trotz allem nicht als Fürsprecher auswählen. Auch der ständige Drang und Druck viele Fürsprecher in einer möglichst geringen Zeit zu finden (Zeile 36), sowie die andauernde Suche nach dem perfekten Ort (Zeile 53 - 54) und das damit verbundene plötzliche Zweifeln über die Wahl des richtigen Aufenthaltsortes (Zeile 31 - 44), könnte auf die oben genannte Theorie zurückgeführt werden. Erwähnenswert ist auch die Entwicklung, welche der Hauptprotagonist durchlebt, der zu Beginn noch etwas neutral jedoch durcheinander geratene Sprachton, entwickelt sich mit der Zeit in eine immer stärker angespannte Atmosphäre, in welcher jeder kleinste Fehler schon das Ende für den Hauptprotagonisten bedeuten könnte. Des Weiteren fällt auch die immer stärker werdende ausweglose Lage des Protagonisten ins Auge des Lesers, denn je länger der Erzähler nach den Fürsprechern sucht, desto stärker realisiert er, dass er höchstwahrscheinlich keine mehre finden wird. Gerade wegen der vielen verschiedenen Möglichkeiten, welche der Erzähler sogar auflistet (Zeile 48 - 54), wird schnell deutlich, dass diese Traumvorstellungen niemals erreicht werden können.
Einen enorm wichtigen Teil stellt auch der Monolog dar, welcher gleichzeitig das Prosastück beendet. Hierbei könnte man die Bitten und Ratschläge, welche an das unbekannte „Du“ gerichtet sind (Zeile 68 - 83), als ein Gedankenmonolog analysieren, welchen der Ich-Erzähler, mit sich selbst führt, und sich dabei selbst versucht zu motivieren und anzuspornen.
Ferner ist zu erläutern, dass das Prosastück „Fürsprecher“ auch eine Gruppe weiterer Protagonisten vorstellt, die jedoch nur minimal beschrieben werden - die „alten, dicken Frauen“. Diese werden zu Beginn, als die einzigen Personen in dem unbekannten Gebäude vorgestellt, und als Frauen mit großen, Ganzkörper überdeckenden dunkelblau und weiß gestreiften Schürzen (Zeile 5 - 6) illustriert. Im Verlaufe der Erzählung werden diese Frauen nur noch ein einziges Mal genannt und werden hierbei als unerreichbare Personen (Zeile 58) für den Ich-Erzähler dargestellt.
Besonders wichtig scheint für den Protagonisten des Weiteren der Handlungsort der bizarren Situation zu sein. Beschrieben wird dabei ein Ort, welcher durch die ganze Handlung fast restlos unbekannt bleibt. Einige Vermutungen des Ich-Erzählers weisen darauf hin, dass er sich in einem Gericht (Zeile 8) befindet, doch werden auch Orte wie die Bibliothek (Zeile 20) oder das Museum (Zeile 20) als mögliche Handlungsorte benannt. Dies wirkt sich ausgesprochen stark auf die Wahrnehmung der gesamten Situation aus, da die Ahnungslosigkeit des Protagonisten den Anschein darstellt, dass dieser überfordert oder gar verloren ist. Dieses Unwissen und die damit verbundene Angst spiegelt sich stetig in seinen Gedanken wider, was wiederum dazu führt, dass der Leser selbstverständlich genauso ahnungslos und unbeholfen scheint.
Diese Atmosphäre wird des Weiteren durch die Wortwahl des Ich-Erzählers untermauert. Trotz des sehr einfachen und schlichten Satzbaus erkennt man starke Emotionen und Gefühle hinter den Wörtern. Hauptsächlich werden diese mithilfe von einigen Aufzählungen, vielen Adjektiven, rhetorischen Fragen und langen verschachtelten Sätzen unterstrichen. Diese Schachtelsätze (Zeile 22 - 31 oder Zeile 35 - 42) betonen ausdrucksstark die Theorie der inneren Monologe bzw. den Gedankenverknüpfungen des Ich-Erzählers. Da diese Gedanken selbstverständlich in keinster Form kontrolliert oder strukturiert werden können, erzeugen sie eine durcheinandergewirbelte Atmosphäre der Überlegungen und des gleichen auch der ganzen Handlung. Darüber hinaus spielen auch die rhetorischen Fragen (Zeile 20 - 22; Zeile 66) eine Rolle. Diese verdeutlichen nämlich die Ausweglosigkeit des Hauptprotagonisten, und die damit verbundene Suche nach Hilfe. Des Weiteren greift der Protagonist auch mehrere Aufzählungen und Wortwiederholungen in seiner Erzählung auf. Aufzählungen wie „vielerlei Menschen, […] aus verschiedenen Gegenden, aus allen Städten, aus allen Berufen, verschiedenen Alters […] die Tauglichen, die Freundlichen […]“ (Zeile 48 - 52) wirken in diesem Fall auf den Leser wie Traumvorstellung, welche der Ich-Erzähler gerne erreichen würde, dies jedoch nicht erreicht, weswegen Hektik und eine innere Anspannung signalisiert wird. Abschließend sollte man noch die vielen Adjektive hervorheben, denn diese stehen in einer Art Gegensatz zu den restlichen sprachlichen Mitteln dar. Die vielen Adjektive, welche dem Leser eine gute Grundlage bieten, sich die Situation so gut wie möglich vorzustellen, widersprechen der Ausweglosigkeit und dem Durcheinander welches der Erzähler durchlebt. Die genauen Beschreibungen (Zeile 48 - 60) wie zum Beispiel der metaphorische Vergleich der „alten, dicken Frauen“, mit einer schwebenden Regenwolke, welche dem Ich-Erzähler entgleitet, in Zeile 59, deutet auf eine gewisse Ruhe des Protagonisten hin. Auch die Beschreibung des „richtigen Ortes“ (Zeile 48 - 54) wird mit einer fast makellosen Genauigkeit vorgestellt. Adjektive wie „vielerlei“ (Z. 48), „aus verschiedenen“ (Z. 48), und „aus allen“ (Z. 49) deuten schon fast auf eine Verträumtheit des Protagonisten hin.
Auffallend sind bei dem österreichisch-tschechoslowakischem, deutschsprachigen Schriftsteller, die sich immer wiederholenden Interpretationsansätze. Diese finden wir selbstverständlich auch in diesem Werk wieder. Besonders hervorzuheben bleiben die drei berühmtesten Deutungshypothesen - die psychologische, die biografische und die gesellschaftskritische.
Die offensichtlichste Interpretationsmöglichkeit ist in diesem Fall die Biografische. Das konfliktreiche Verhältnis zu seinem Vater gehört bei Kafka zu einem der zentralen und prägenden Motive seiner Werke. Die Unbeholfenheit, Ahnungslosigkeit und die ständige Suche nach Fürsprechern des Hauptprotagonisten, stellt direkte parallelen zum Leben Franz Kafkas und seiner groben Beziehung zu seinem Vater dar. Franz Kafka, ähnlich wie der Hauptprotagonist des Werkes „Fürsprecher“, fühlt auch er sich gefangen in einer Welt, in welcher er keinen Ausweg finden kann. Er versucht sich von seinem Vater loszureißen, kann jedoch keinen wirklichen Ausweg finden und bleibt daher, ähnlich wie der Hauptprotagonist des Werkes, in dem unbekannten Gebäude gefangen und strebt nach Unterstützung oder gar Fürsprechern, welche ihm ausdrücklich sagen würden, dass diese ihn unterstützen würden. Diese Unterstützung erhoffte er sich vonseiten seiner Mutter, ergatterte diese jedoch nie.
Des Weiteren bietet auch die psychologische Interpretationsebene ein enorm interessantes Feld zur Analyse. Das ewige streben nach Verteidigern in jeder Situation in unserem Leben, und der ständige Drang nach dem Wissen der Beste, mit der höchsten Anzahl der Verteidiger bzw. Unterstützer zu sein, lässt uns als Menschen verzweifeln. Jedoch rettet uns der Gedanke, dass unsere schwere Suche sich auszahlen wird und das ein plötzliches Aufgeben uns in unserem Streben nur zurückwerfen und wir dadurch scheitern würden. Dennoch ist es für uns Menschen unmöglich uns Ziel wirklich zu erreichen, weswegen man das Motiv der Treppenstufen auch auf eine Sisyphos-Situation übertragen kann.
Abschließend können wir das Werk „Fürsprecher“ auch als eine gesellschaftskritische Aussage Kafkas interpretieren. Hierbei greift Franz Kafka auf die für ihn typische Kritik an der Obrigkeit zurück und kritisiert stark die Unterdrückung, welche wir Menschen vonseiten des Gesetzes verspüren. Kafka vertritt jedoch die Meinung, dass ein stark zusammenhaltendes Kollektiv, einen klaren Widerspruch gegen eine solche Unterdrückung äußern könnte. Dieses sogenannte Kollektiv wird im Werk als die Fürsprecher vorgestellt. Im Kontext des Prosastückes, vertreten die Fürsprecher dabei die Form eines Anwalts oder einer Person, welche sich zugunsten einer anderen Person positiv aussprechen möchte und dadurch diese unterstützen können. Im Rahmen Kafkas Kritik zielt er mit diesem Werk gegen den Staat und das Gesetz, welches uns in unserem Handeln und Streben unterdrückt und uns in eine Art der unendlichen Korridore einsperrt.
Franz Kafka war Autor des Zeitalters des Expressionismus, wobei die gesellschaftlichen und existenziellen Themen im Mittelpunkt der Welt stehen. Jedoch sticht er als Schriftsteller eindeutig heraus und legte seinen eigenen stilistischen Weg, welchen er dann auch konsequent verfolgte - die literarische Moderne. Sein Schreiben ist von unterschiedlichen Stilrichtungen geprägt und weist etwas expressionistische, surrealistische sowie auch naturalistische Merkmale auf. Mithilfe dieser enormen Entwicklung des Denkens, eröffnete Franz Kafka einen neuen Weg des Schreibens, weswegen bis heute seine Werke modern und thematisch aktuell diskutiert werden können.
Nach ausgiebiger Analyse des vorliegenden Werkes „Fürsprecher“ bleibt festzuhalten, dass Kafkas typische Motive eindeutig vertreten und schnell erkennbar sind. Wodurch die Problematik der Ausweglosigkeit und des unaufhörlichen Strebens nach einem vollkommenen Ziel unerreichbar sind. Abschließend kann man sagen, dass Kafka hiermit ein weiteres hervorragendes Werk verfasst hat, in welchem mehrere Welten ineinander verschmelzen und damit eine neue erschaffen.
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