Reinig, Christa - Mein Besitz (Gedichtinterpretation)

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Christa Reinig. Analyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Reinig, Christa - Mein Besitz (Gedichtinterpretation)
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Referat

Gedichtinterpretation „Mein Besitz“ von Christa Reinig

Das Gedicht „Mein Besitz“ von Christa Reinig handelt vom Besitz einer Person. Christa Reinig wurde im Jahr 1926 geboren und verstarb im Jahr 2008. Sie war die Tochter der alleinerziehenden Putzfrau Wilhelmine Reinig. Nach dem 2. Weltkrieg konnte sie an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Humboldt-Universität das Abitur erwerben und dann ein Studium der Kunstgeschichte und Archäologie absolvieren.

Das Gedicht ist der Epoche der Nachkriegslyrik zuzuordnen, welche nach dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 vorherrschte. Besonders charakteristisch für diese Epoche sind unter anderem die nüchterne Sprache oder fehlendes Metrum und Reimschema. Die Epoche der Nachkriegslyrik ist die Reaktion der Literatur auf die katastrophalen Lebensbedingungen der Menschen in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Große Teile Deutschlands waren im Krieg zerstört worden, zigtausende Menschen starben, verloren ihr Zuhause oder mussten fliehen. Außerdem wurde der deutsche Staat unter den Siegermächten Frankreich, Großbritannien, USA und der Sowjetunion aufgeteilt und es herrschte Ungewissheit, was die Pläne der Besatzungsmächte für Deutschland waren. Die Freude über das Ende des Krieges ging also auch einher mit Hoffnungslosigkeit und Zukunftsängsten. Das Gedicht soll die schlimmen Lebensbedingungen der Menschen im Nachkriegsdeutschland verdeutlichen, wobei auf die Abwesenheit von materiellen Besitztümern aber auch auf den Verlust von geliebten Menschen eingegangen wird.

Das Gedicht beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Welchen Wert haben bestimmte Gegenstände für einen persönlich? Was gehört einem wirklich selbst? Inwiefern kann man das eigene Selbst in den Dingen der Umwelt finden? Wie allein ist man in der Welt?

In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich, dass es zwar einen Taschenmantel, ein Taschenradio und eine Taschenbibel besitzt, jedoch keine Jacke mit Jackentaschen.

In der zweiten Strophe geht das lyrische Ich darauf ein, dass es zwar Schnaps und Schnapsgläser, eine Kaffeekanne und Tassen sowie ein Schachbrett besitzt, jedoch keine Freunde oder Familie, mit denen es diese Dinge gemeinsam nutzen könnte.

Das lyrische Ich berichtet in der dritten Strophe vom endlosen Himmel, der großen Stadt und einem endlosen Lied, entgegnet aber zum Schluss, dass es nicht mal ein Gras zwischen zwei Pflastersteinen zum Leben habe.

Das Gedicht „Mein Besitz“ ist in 3 Strophen zu je 8 Versen gegliedert. Im Gedicht findet sich kein Metrum und kein Reimschema. Auffällig ist, dass im Gedicht alle Wörter kleingeschrieben sind, auch Substantive wie „mantel“ (V. 1). Außerdem hat das Gedicht eine ungewöhnliche optische Form, da jeder zweite Vers einen Einzug hat, also weiter hinten steht. Dieser Vers bezieht sich immer auf den ihm vorangegangenen. Die zwei aufeinanderfolgenden Verse bilden also eine inhaltliche Einheit, was auch durch Enjambements (vgl. V. 9f.) sichtbar wird. Der lyrische Sprecher im Gedicht ist ein lyrisches Ich, was direkt im ersten Vers durch Nennen des Personalpronomens „Ich“ (V. 1) auffällt. Das lyrische Ich berichtet von seinem Besitz, wobei es immer wieder darauf eingeht, was ihm fehlt. Das lyrische Ich scheint relativ neutral, es klagt weder Schuldige an noch beschwert es sich direkt über seine Situation. Demzufolge hat das Gedicht eine relativ neutrale Grundstimmung, was vor allem mit der Abwesenheit von Adjektiven zu begründen ist.

Durch die beschriebene Situation wird trotzdem ein negatives Bild vermittelt, da das lyrische Ich eine schlechte Lebenssituation beschreibt. In der letzten Strophe, besonders in den letzten 2 Versen, wird die neutrale Stimmung des Gedichts aufgebrochen. Durch die Aussage, dass lyrische Ich hätte „nicht mehr zu leben“ (V. 24) als „ein Gras zwischen zwei Pflastersteinen“ (V. 23), entsteht eine negative, bedrückende Stimmung. Wie vorhin bereits erwähnt bilden zwei aufeinanderfolgende Verse eine inhaltliche Einheit. Es ist auch eine formale Einheit von Versen vorzufinden, wobei sich aber nicht die aufeinanderfolgenden Verse ähneln, sondern jeder zweite Vers. So ist in Vers 1, 3, 5 und 7 eine Anapher, nämlich „ich habe“ (V. 1), und ein Parallelismus zu finden. Auch Vers 2,4,6 und 8 sind Parallelismen, da sie jeweils nur aus Artikel und Substantiv bestehen, z.B. „einen taschenmantel“ (V. 2). Diese formale Auffälligkeit findet sich in allen 3 Strophen. Durch diesen Aufbau wird Eintönigkeit suggeriert, die für das lyrische Ich durch die Abwesenheit von materiellen Gegenständen & geliebten Menschen entsteht. Die Metapher „mantel“ (V. 1) steht für Kleidung, die Metapher „radio“ (V. 3) für Informationen bzw. Nachrichten und die Metapher „bibel“ für die Religion. Durch die Metaphern soll vermittelt werden, dass das lyrische Ich diese Dinge besitzt. Allerdings nützen sie ihm nichts, denn es hat gar keine „jackentaschen“ (V. 8), in denen es sie aufbewahren könnte. Es wird also verdeutlicht, dass das lyrische Ich diese Dinge überhaupt nicht nutzen kann, da ihm die alltäglichsten Gegenstände fehlen. Die erste Strophe bezieht sich also auf materielle Güter, die durch den 2. Weltkrieg zerstört wurden. In der zweiten Strophe geht das lyrische Ich besonders auf zwischenmenschliche Beziehungen, also auf seine Freunde und Verwandte ein. Die Metaphern „schnapsflasche“ (V. 9), die „kaffeekanne“ (V. 11) und das „schachbrett“ (V. 13) stehen für die Freude im Leben, und den Spaß, den man mit anderen Menschen hat. Dies kann das lyrische Ich jedoch nicht erleben, denn es hat „gar keine freunde“ (V. 15). Der letzte Vers der Strophe besteht nur aus einem Wort, nämlich „niemanden“ (V. 16). Diese sehr direkte Aussage bestätigt, dass das lyrische Ich sich allein fühlt. Die zweite Strophe beschreibt also den Verlust von geliebten Menschen, die im Krieg verstorben sind. Anzunehmen ist, dass das lyrische Ich in der dritten Strophe die Möglichkeiten beschreibt, die ihm offenstehen. Es sind Repetitionen des Adjektivs „endlos“ (V. 17) zu finden.

Es scheint also bei der ersten Betrachtung, als würde das lyrische Ich schlussendlich auch die positiven Seiten seiner Situation sehen, nämlich die Chance auf einen Neuanfang mit vielen Möglichkeiten. Das wird auch durch positiv konnotierte Wörter wie das eben genannte „endlos“ (V. 17) oder den „himmel“ (V. 17) vermittelt. Dem werden allerdings die letzten 2 Verse entgegengestellt. Die Metapher „nicht mehr als ein gras zwischen zwei pflastersteinen“ (V. 23), verdeutlicht, dass das lyrische Ich nur das absolute Minimum an Dingen besitzt, die lebensnotwendig sind. Sein Besitztum ist so winzig, dass es mit kleinen Grashalmen zwischen Pflastersteinen zu vergleichen ist. Hier wird die Beschreibung der schlechten Lebensbedingungen aus den ersten beiden Strophen wieder aufgegriffen, der Vers steht also im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Möglichkeiten, womit es sich in der letzten Strophe um eine Antithese handelt. Den Möglichkeiten, die das lyrische Ich hat, wird die katastrophale Lebenssituation entgegengestellt. Bei „mein besitz“ handelt es sich um ein typisches Gedicht der Nachkriegslyrik. Das ist vor allem an der nüchternen, größtenteils neutral erscheinenden Sprache zu erkennen, des Weiteren hat das Gedicht weder ein Reimschema noch ein Metrum. Auch das Thema ist sehr typisch für die Nachkriegszeit, denn es werden hauptsächlich durch den Krieg entstandene Zerstörung und Verluste sowie die Zukunft der Menschen behandelt. Dies waren die Themen, die die Menschen dieser Zeit, deren Leben von genau diesen Folgen des Krieges geprägt war, am meisten beschäftigten. Auch das Motiv des Besitztums ist typisch für die Nachkriegslyrik, es ist ebenfalls in anderen bekannten Gedichten dieser Epoche, wie z.B. „Inventur“ von Günter Eich zu finden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Deutungshypothese bestätigt werden kann. Mit relativ neutraler Sprechweise wird vom Besitz des lyrischen Ichs berichtet, wobei in Strophe 1 auf die materiellen Güter und in Strophe 2 auf geliebte Menschen eingegangen wird, die das lyrische Ich aufgrund des Krieges verlor. Es ist noch hinzuzufügen, dass in Strophe 3 kurz auf die Zukunft des lyrischen Ichs und seine Möglichkeiten eingegangen wird, wobei durch die letzten 2 Verse jedoch jegliche Hoffnung im Keim erstickt wird. Das Gedicht ist typisch für die Nachkriegslyrik, was sowohl an formalen Merkmalen wie der nüchternen Sprache als auch am Inhalt bzw. den Themen zu beweisen ist.

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