Eichendorff, Joseph von - Lockung (Gedichtinterpretation)

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Joseph von Eichendorff, Gedichtanalyse, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Lockung (Gedichtinterpretation)
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Referat

Gedichtanalyse: Joseph von Eichendorff - „Lockung“

Lockung
von Joseph von Eichendorff

Hörst du nicht die Bäume rauschen
Draußen durch die stille Rund?
Lockt's dich nicht, hinabzulauschen
Von dem Söller in den Grund,
Wo die vielen Bäche gehen
Wunderbar im Mondenschein
Und die stillen Schlösser sehen
In den Floß vom hohen Stein?
 
Kennst du noch die irren Lieder
10 
Aus der alten, schönen Zeit?
11 
Sie erwachen alle wieder
12 
Nachts in Waldeseinsamkeit,
13 
Wenn die Bäume träumend lauschen
14 
Und der Flieder duftet schwül
15 
Und im Fluß die Nixen rauschen
16 
Komm herab, hier ist's so kühl.

(„Lockung“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24 KB) zur Unterstützung an.)

Das romantische Gedicht „Lockung“ des oberschlesischen Lyrikers Joseph von Eichendorff, welches im Jahre 1834 verfasst wurde, thematisiert eine verlockende Flucht des lyrischen Ichs in eine Traumwelt mit dem Ziel, eine übernatürliche Ebene zu erreichen.
In der ersten Strophe erläutert das lyrische Ich die nächtliche Umgebung und das Umfeld in welchem sich der Sprecher befindet.

Trotz der Ähnlichkeiten zwischen den beiden Strophen, beschreibt das lyrische Ich in der zweiten Strophe die vergangenen Ereignisse, welche in der Nacht zurückkehren und dabei das lyrische Ich auf eine gedankliche Reise in die Traumwelt nehmen.
Das Gedicht teilt sich in zwei Strophen mit jeweils acht Versen auf und wurde in einem vierhebigen Jambus verfasst. Mithilfe des kontinuierlichen und reinem Kreuzreims (abab), zeigt der Autor eine ruhige und gleichbleibende Atmosphäre auf, welche jedoch nicht mit dem düsteren und geheimnisvollen Inhalt übereinstimmt.

(Darf ich hier schon die Wirkung nennen oder ist das noch zu früh?)

Das lyrische Ich beginnt seinen Monolog mit einer direkten Ansprache an das lyrische Du „Hörst du nicht“ (V. 1) und kurz darauf auch in Vers 3 „Lockts dich nicht“. Mit diesen beiden Suggestivfragen, möchte das lyrische Ich das lyrische Du indirekt dazu verleiten dem lyrischen Ich zu folgen und mithilfe aller Sinneswahrnehmungen die Bäume rauschen zu hören und die Nacht zu genießen. Diese rhetorische Frage wirkt jedoch gleichzeitig auf den Leser stark aus, da dieser der Annahme sein könnte, dass die Frage an ihn gerichtet ist. Dadurch entsteht auch eine gewisse Einbeziehung des Lesers in die Traumwelt, was sich selbstverständlich auf die Wahrnehmung des Lesers auf die beschriebenen Bilder auswirkt. In Zeile 3 wird direkt auch die Motivik der Traumwelt vorgestellt. Noch befindet sich das lyrische Ich in der Realität, doch durch die Wortwahl „hinab[zu]lauschen“ (V. 3) lässt es sich vermuten, dass das lyrische Ich die Traumwelt anstrebt und diese auch als sehr verlockend ansieht. Durch den „Söller“ (V. 4), wird das lyrische Ich dennoch zurück auf den Boden der Tatsachen gebracht und des gleichen zurück in die reale Welt. Die zwei darauffolgenden Personifikationen bringen das lyrische Ich wieder zurück in die Traumwelt, und bieten gleichzeitig dem Leser die erste genauere Beschreibung der perfekten Welt. Während in dieser Traumwelt die Bäche anfangen zu gehen (V. 5), können die stillen Schlösser sehen (V. 7). Diese Personifikationen werden auch noch ein weiteres Mal, durch die perfektionistische Wortwahl „wunderbar“ im Vers 6 unterstrichen. Das nächtliche Umfeld des Werks, wird durch das Licht des „Mondenschein“ (V. 6) in ein Dämmerlicht getaucht und wirken auf den Leser dadurch wie eine düstere und unheimliche Atmosphäre, welche jedoch trotz allem eine positive Auswirkung auf die Umwelt und das allgemeine Bild für das lyrische Ich hat. Diese Dämmerung, zusammen mit dem streben nach einer Traumwelt, kann mach als eine typische Schwellenmotivik interpretieren, um die ewige Glückseligkeit zu erreichen.

Die zweite Strophe versetzt das lyrische Ich schließlich in die Traumwelt. Ähnlich wie die erste Strophe, beginnt auch die zweite Strophe mit einer direkten Ansprache an den Leser „Kennst du“ (V. 9) und bezieht sich damit auf die irren Lieder aus der alten, schönen Zeit (V. 9 ff.). Diese „alten, schönen Zeiten“ symbolisieren das Mittelalter und die damit verbundenen Weltbilder, welche in Vers 11 zum Leben „erwachen“ sollen. Ein weiteres Motiv welches dieses Werk vorstellt, ist das romantische Motiv der Einsamkeit, welches zum ersten Mal in Vers 12 mit dem Neologismus „Waldeseinsamkeit“ eingeführt wird. Diese Einsamkeit deutet auf die Traumwelt hin, welches in der Romantik nur individuell und einsam erlebt werden kann. In den weiteren Versen werden mehrere
Personifikationen vorgestellt, welches die Traumwelt noch schöner darstellt. Erneut wird die Natur idealisiert, indem „die Bäume träumend lauschen“ (V. 13)

Der nächste Vers „Flieder duftet schwül“ (V. 14) deutet ein weiteres Mal eindeutig auf die Traumwelt hin, da nachts in der Regel kein feucht-warmes Wetter herrscht. Das Gedicht endet mit einem Enjambement, welches das lyrische Ich dazu bewegen soll in den Fluss zu den Nixen zu gehen, um dem schwülen Wetter zu entkommen (V. 15 ff.). Dieser Abschluss des Gedichts zeigt nicht nur eine typische Motivik der Romantik auf - Fabelwesen, jedoch deutet es auch darauf hin, dass das lyrische Ich, seine Traumwelt erreicht haben könnte.

Wie schon erwähnt, nutzt Eichendorff mehrmals sprachliche Mittel, welche die Stille, die Einsamkeit und die Natur in den Vordergrund stellen soll. Mithilfe von den durchgehenden Enjambements stellt Eichendorff einen gewissen ruhigen und regelmäßigen Aufbau des Gedichts dar und wirkt des gleichen auch so auf den Leser - harmonisch. Die vielen Adjektive (still, viel, wunderbar, hoch, schön, träumend, usw.), welche einen Vergleichen zwischen der realen und der Traumwelt schaffen, wirken sich stark auf die Vorstellungskraft des Lesers aus. Auch das Substantiv, welches schon direkt im Titel genutzt wird, deutet auf den Inhalt des gesamten Gedichts hin. Das lyrische Ich versucht das lyrische Du in die Traumwelt zu locken und ihn aus die Reise des lyrischen Ichs mitnehmen. Das gesamte Gedicht ist auch noch mit mehreren Metaphern und Personifikationen durchzogen, welche mit zu den beliebtesten rhetorischen Mittel der Romantik zählen und sich selbstverständlich auch stark auf die Vorstellungen des Lesers auswirken. Die rhetorischen Fragen in Vers 1, 3 und 9 sind das letzte oft benutzte sprachliche Mittel, welche einen enormen Unterschied zum restlichen Aufbau des Gedichts bilden und eine direkte Bindung zwischen dem lyrischen Du und dem lyrischen Ich schaffen.

All die erwähnten Sprachmittel sind typisch für die Literaturepoche der Romantik, welche vom Ende des 18. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reichte. Die Romantik versteht sich bewusst als Gegenbewegung zu den gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit. Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff, galt in dieser Epoche als Höhepunkt und zugleich als Ausklang der Romantik und wird sogar zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern gezählt. Seine idyllischen Schilderungen der Natur, hinter welcher ein vielschichtiges Geflecht aus metaphorischen Symbolen aufgebaut wird, gehören zu seinen typischen Hauptmotiven.

Das Motiv der Natur, kann in dem uns vorliegenden Gedicht, sogar Hauptmotiv interpretiert werden. Die Hinwendung zur Natur stellt für die Schriftsteller der Romantik eine bewusste Ablehnung der gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit dar. Aus diesem Grund wird im Gedicht von Eichendorff, die Natur idealisiert, um dadurch einen endgültigen Fluchtort von der industrialisierten Stadt zu schaffen.

Ein weiteres verwendetes Motiv im Gedicht „Lockung“ ist das Motiv der Nacht - für Eichendorff das Traumreich. Die Metapher der Dämmerung bzw. Der Nacht, kann als eine konkrete Motivik der Romantik für den Tod, die Vergänglichkeit, das Geheimnisvolle und Obskure, welche erst in den Nachtstunden Ihr ästhetisches Zentrum finden, stehen.

Auch die Verklärung des Mittelalters, welches in Vers 9 und 10 erwähnt wird, steht für die romantische Weltflucht und eine Rückkehr in die bessere Vergangenheit. Besonders innovativ in der Literaturgeschichte ist die Motivik der Fantasie- und Traumwelt, innerhalb derer das Individuum zum alleinigen und unbegrenzt machtvollen Maßstab wird. Diese Motivik wird in Vers 15 in Form von Nixen in unserem Gedicht vorgestellt und deutet auf die Traumwelt des lyrischen Ichs hin.

Zurückführend auf die von mir zu Beginn aufgestellten Hypothese, kann man nach längeren Interpretationen erläutern, dass das lyrische Ich tatsächlich in eine Traumwelt abtauchen möchte, da es für ihn eine Art Rückzugsort ist.

Zusammenfassend kann man nun sagen, dass das Werk von Joseph von Eichendorff ein hervorragendes Beispiel für die Möglichkeiten, welche die Romantik den Dichtern bot und wie diese sie genutzt haben, darstellt. Eichendorff fasst in seinem Gedicht, Thematiken verschiedenster Form zusammen. Von trauriger Einsamkeit bis zu fröhlichem Streben nach der Traumwelt vertritt Joseph Eichendorff jede mögliche typische Motiv der Epoche.

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