Nietzsche, Friedrich - Vereinsamt (Interpretation)

Schlagwörter:
Friedrich Nietzsche, Analyse, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Nietzsche, Friedrich - Vereinsamt (Interpretation)
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Referat

Friedrich Nietzsche – Vereinsamt (Gedichtanalyse)

Vereinsamt
von Friedrich Nietzsche

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein,
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!
 
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
 
Die Welt - ein Tor
10 
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
11 
Wer das verlor,
12 
Was du verlorst, macht nirgends Halt.
 
13 
Nun stehst du bleich,
14 
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
15 
Dem Rauche gleich,
16 
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
 
17 
Flieg, Vogel, schnarr
18 
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton!
19 
Versteck, du Narr,
20 
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
 
21 
Die Krähen schrein
22 
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
23 
Bald wird es schein,
24 
Weh dem, der keine Heimat hat!

(„Vereinsamt“ von Friedrich Nietzsche ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.6 KB) zur Unterstützung an.)

In dem Gedicht „Vereinsamt“, von Friedrich Nietzsche, welches im Jahre 1887 entstand und somit der Epoche des Symbolismus zuzuordnen ist, wird die Einsamkeit und der dazugehörige Prozess in den Vordergrund gestellt. Der Verlust der Heimat und die Hoffnung, diese zurückzufinden, wird thematisiert.

Formal besteht das Gedicht aus 6 Strophen mit jeweils 4 Versen, die mit einem Kreuzreim aneinander gebunden sind (abab). Des Weiteren bilden die erste und die letzte Strophe einen Rahmen. Das Metrum ist ein viertaktiger Jambus.

Hauptsächlich handelt das Gedicht von der Einsamkeit des lyrischen Ichs, die nicht durch ein passives Handeln voranschreitet, sondern durch aktives Handeln, womöglich ein bestimmtes Ereignis, was zum Verlassen der Heimat geführt hat. Zu Anfang war das lyrische Ich jedoch nicht alleine, die Einsamkeit und die „Vereinsamung“ - wie im Titel geschrieben, verbunden mit Isolation und Entfremdung, schreitet durch einen Prozess voran, der in diesem Gedicht erläutert wird.

In der ersten Strophe wird der nahende Winter beschrieben. Das lyrische Ich ist außerdem positiv gegenüber denjenigen gestimmt, die noch eine Heimat besitzen (V. 4). Im zweiten Vers wird die Stadt erwähnt, die für Chaos steht. Es werden 2 Gedankenstriche verwendet (V. 2, 3), deren Wirkung eine Verzögerung darstellt. Im zweiten auf den dritten Vers findet man ein Enjambement zur Verflüssigung des Gedichtes. In dem vierten Vers ist eine Alliteration aufzufinden „Heimat hat!“, die noch mal verdeutlicht, dass diejenigen die noch Heimat besitzen, diese zu schätzen wissen sollten. Das Temporaladverb „bald“ in Vers 3 beschreibt auch den baldigen Wintereinbruch und verdeutlicht den Prozess der Einsamkeit, der „bald“ erst einkehren wird.

Die zweite Strophe beginnt mit einem inneren Monolog des lyrischen Ichs, der durch das Personalpronomen „du“ in V. 5 und V. 7, gekennzeichnet wird. Das lyrische Ich bezeichnet sich hier selbst als „Narr“, da es die Entscheidung bereut, vor Winter seine Freiheiten ausgelebt zu haben und somit vor der Heimat geflüchtet zu sein. In V. 6 „schaust rückwärts“, wird beschrieben, dass das lyrische Ich in die Vergangenheit zurückblickt, daraufhin „ach!“ (Interjektion) „wie lange schon!“, das lyrische Ich realisiert, wie lang es her ist, seitdem es noch eine Heimat hatte. Diese Interjektion und die fast rhetorische Frage wirkt als ein Verzweiflungsruf an sich selbst. Außerdem wird im Vergleich zur ersten, bewegten Strophe, ein drastisch ruhender Punkt mit „starr“ (V. 5) gesetzt. Vom 7. auf den 8. Vers ist wieder ein Enjambement zu finden.

In der dritten Strophe wird vor allem Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit thematisiert, das lyrische Ich führt wieder einen inneren Monolog „du“ (V. 12) und beschreibt das Ausmaß des Verlustes, denn das lyrische Ich macht keinen Halt mehr aufgrund dessen. Der erste Vers der 3. Strophe beinhaltet eine Ellipse, eine Auslassung, da statt das Wort „ist“, ein Gedankenstrich verwendet wurde, was es wie eine Gegenüberstellung der beiden Worte aussehen lässt, also die Welt, die wie ein Tor beschrieben wird, wobei ein Tor für eine Vielzahl von Möglichkeiten steht, was wieder Hoffnung hervorruft. Im 10. Vers findet man eine Übertreibung (Hyperbel), da „tausend“ kalte und stumme Wüsten beschrieben werden. Dadurch wird die Grenzenlosigkeit des Elends des lyrischen Ichs unterstrichen, es findet keinen Bezugsort mehr. Das lyrische Ich macht „nirgends“ (V. 12) Halt, aufgrund des schwerwiegendes Verlustes der Heimat, es fühlt sich deswegen nirgendwo mehr wohl. Die Anapher durch die Wiederholung des Wortes „verlor“ verdeutlicht die Wichtigkeit der Verse und was für ein einschneidendes Ereignis dieser Verlust ist. In Vers 1 auf 2 ist ein Zeilensprung aufzufinden.

Der Anfang der 4. Strophe zeigt einen Zusammenhang mit der 2. Strophe, es wird der gleiche Versanfang benutzt, jedoch steht das lyrische Ich hier nicht „starr“, wie in der 2. Strophe, sondern diesmal wird das Adjektiv „bleich“ verwendet. Dies stellt also einen Kontrast dar, der einen Prozess der Erkenntnis symbolisiert. In der 2. Strophe läuft das lyrische Ich nämlich immer weiter, was in der 4. Strophe nicht mehr der Fall ist, denn es bleibt stehen. Des Weiteren führt sich das lyrische Ich sein Schicksal noch mal vor Augen, es ist zu „Winter-Wanderschaft“ verflucht (V. 14), denn aufgrund des Heimatverlustes ist es dazu gezwungen, immer weiterzuziehen. So wird wieder Bewegung in den Verlauf des Gedichtes gebracht. Es vergleicht sich mit Rauch (V. 15) der umherweht oder auch verweht, der nach Kälte strebt. Hier liegt also eine Personifikation vor, Menschen sind also angewiesen auf eine Heimat.

Die fünfte Strophe zeigt einen Zusammenhang mit der zweiten Strophe, denn das Reimschema ist auf diese abgestimmt, außerdem wird wieder das Wort „Narr“ verwendet (V. 19), der Unterschied ist jedoch, dass das Lyrische ich sich diesmal nicht selbst als Narr bezeichnet. Außerdem beginnt die Strophe mit einem Appell „Flieg, Vogel“, hier sind nicht mehr die Krähen gemeint, die in die Stadt (Chaos) ziehen. Eine zweite Aufforderung ist ebenfalls aufzufinden, man soll das „blutende Herz“ in „Eis und Hohn“ verstecken, denn das lyrische Ich realisiert, dass die Endgültigkeit des Vereinsamungsprozesses nun erreicht worden ist und dies vielleicht dem Schicksal entsprechend ist. Ein Enjambement ist in Vers 17 auf 18 aufzufinden.

Die letzte Strophe gleicht der ersten Strophe bis auf den letzten Vers. Der Unterschied hier ist, dass das lyrische Ich mit dem Einsamkeitsprozess abzuschließen scheint. In der ersten Strophe gibt es noch Hoffnung des lyrischen Ichs, welche durch „Wohl dem“ (V. 4), also etwas positivem unterstrichen wird. In der letzten Strophe wird dieses „Wohl dem“ negativiert, denn nun heißt es „Weh dem“, also scheint alle Hoffnung erloschen zu sein. Das Gedicht endet somit, was daraus schließen lässt, dass sein Schicksal, die Einsamkeit, somit besiegelt ist. Hier ist wieder ein Enjambement vom 21. auf dem 22. Vers verwendet worden. Im Verlauf des Gedichtes wird der Prozess der Vereinsamung beschrieben und somit wird auch die Hoffnung beschrieben, die im Weiteren immer weiter abnimmt, was dazu führt, dass das lyrische Ich seinem Schicksal in die Augen blicken muss. Die Freiheit, die vielleicht zu Beginn des Gedichtes oder zu Beginn des Heimatverlustes des lyrischen Ichs stattfand und als etwas Positives angesehen wurde und als Möglichkeit, der Welt näherzutreten, steigert sich zur Orientierungslosigkeit. Durch das intensive Ausleben der Freiheit, ist folglich die Vereinsamung eingetreten, das lyrische Ich hat seinen Bezugsort verloren, was es im weiteren Verlauf schwer bereut, jedoch schließt es am Ende des Gedichtes dennoch damit ab und ist sich im Klaren darüber, dass der Heimatverlust endgültig ist und sieht es vielleicht als Schicksal an, dass eine somit auch endgültige Einsamkeit in das Leben des lyrischen Ichs eingetreten ist.

Den Verlust der Einsamkeit und den dazugehörigen Heimatverlust empfinde ich persönlich als sehr gut beschrieben. Nicht nur der Verlust wurde gut beschrieben, denn die Gefühle des lyrischen Ichs sind gut nachvollziehbar. Vom Hoffnungsschimmer zu Anfang, zur Orientierungslosigkeit, bis hin zur endgültigen Leere und der Gewissheit, von nun an in unendlicher Einsamkeit zu leben und dies als Schicksal zu akzeptieren, da es keinen Ausweg und keinen Bezugsort mehr gibt. Das Gedicht kann letztlich als eine Art Lehre gesehen werden, da man sich keine alltäglichen Gedanken, um seine Heimat macht und diese zu schätzen weiß. Man wird nur mit diesen Gedanken konfrontiert, sollte man diese verlieren und Sehnsucht danach haben. Was sich gut auf das Gedicht übertragen lässt, denn das lyrische Ich hat zu Beginn alle Freiheiten ausgelebt und somit seine Heimat verloren, was zur schwerwiegenden Sehnsucht und Verzweiflung geführt hat. Schlussendlich ist das Resultat dessen die endgültige Vereinsamung, dessen Motiv während des gesamten Gedichtes in den Vordergrund gestellt wird.

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