Eichendorff, Joseph von - Das zerbrochene Ringlein Grönemeyer, Herbert - Flugzeuge im Bauch (Vergleich)
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Referat
Analyse zum Thema Gedichtvergleich
Folgende Texte werden miteinander verglichen:
„Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff
„Flugzeuge im Bauch“ von Herbert Grönemeyer
Das zerbrochene Ringlein
von Joseph von Eichendorff
1 |
In einem kühlen Grunde |
2 |
Da geht ein Mühlenrad, |
3 |
Mein Liebste ist verschwunden, |
4 |
Die dort gewohnet hat. |
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5 |
Sie hat mir Treu versprochen, |
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Gab mir ein'n Ring dabei, |
7 |
Sie hat die Treu gebrochen, |
8 |
Mein Ringlein sprang entzwei. |
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9 |
Ich möcht als Spielmann reisen |
10 |
Weit in die Welt hinaus, |
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Und singen meine Weisen, |
12 |
Und gehn von Haus zu Haus. |
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Ich möcht als Reiter fliegen |
14 |
Wohl in die blutge Schlacht, |
15 |
Um stille Feuer liegen |
16 |
Im Feld bei dunkler Nacht. |
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17 |
Hör ich das Mühlrad gehen: |
18 |
Ich weiß nicht, was ich will – |
19 |
Ich möcht am liebsten sterben, |
20 |
Da wärs auf einmal still! |
(„Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.5 KB) zur Unterstützung an.)
Am Anfang meines Gedichtvergleiches möchte ich darauf aufmerksam machen, dass sich die zu analysierenden Texte zum größten Teil unterscheiden und sich nur in wenigen Ansätzen ähneln. Ein Punkt, der die Texte hauptsächlich miteinander verbindet, ist das gemeinsame Thema einer zerbrochenen Liebe. In beiden Fällen wird das lyrische Ich mit der Situation einer gescheiterten Liebesbeziehung konfrontiert. Doch selbst hier tritt ein Unterschied zwischen dem jeweiligen lyrischen Ichs auf. Aufgrund der sehr verschiedenen Charaktere der Handelnden reagiert das lyrische Ich in beiden Texten auf unterschiedliche Weise. Das lyrische Ich im Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ tritt trotz der gebrochenen Treue der Geliebten sehr selbstbewusst auf und hat Alternativen zur Beziehung mit der Geliebten, fühlt sich aber immer noch hingezogen. Es sieht den Krieg und das Reisen als Spielmann als Auswege um den Schmerz, den er durch die gebrochene Treue erlitten hat, zu betäuben oder zu lindern. Sogar den Tod definiert das lyrische Ich als einen geringen Preis, um aus der schmerzhaften Trennung durch die ehemals Geliebte zu entkommen.
Im Gegensatz zum Text „Das zerbrochene Ringlein“ erscheint das lyrische Ich dem Leser im Liedtext „Flugzeuge im Bauch“ sehr unsicher. Ein wichtiger Standpunkt ist hierbei, dass die Beziehung zur Geliebten noch immer besteht, jedoch nach und nach in die Brüche geht. Dieser Zerfall der Liebesbeziehung ist sehr leicht zu erkennen, da das lyrische Ich sehr ausdrucksstark seine steigende Abneigung zu seinem Partner präsentiert: „Eiskalte Hand, mir graut vor dir“. Im gegensätzlichem Text weiß jedoch das lyrische Ich ganz genau, wie es mit der Situation umgeht und kennt Auswege aus der Liebesbeziehung. Der Handelnde im Text „Flugzeuge im Bauch“ ist jedoch nicht nur gedanklich zerrüttet, sondern regelrecht am Ende mit den Nerven, und sucht verzweifelt eine Lösung des Konflikts. Doch nicht nur das seelische Wesen des lyrischen Ichs ist von Zerfall geprägt, selbst sein Körper wird von der seelischen Unentschlossenheit mitgerissen. Es fühlt sich „leer und verbraucht“, „alles tut weh“. Mit der Aussage „[…] kann dich nicht vergessen, aber das gelingt mir noch.“ versucht das lyrische Ich in seiner Verzweiflung imaginäre oder unwirkliche Auswege zu ersinnen. Es ist mit der gesamten Situation überfordert und erträumt sich zukünftige Lösungen, von denen es genau weiß, dass sie nicht real sind. Letztendlich schiebt der Handelnde die gesamte Schuld des Zerfalls der Beziehung auf seinen Partner und fordert ihn auf die Beziehung so schnell wie möglich zu beenden: „Je eher du gehst, desto leichter wird’s für mich“. Das lyrische Ich stellt mit dieser Aussage jegliche Gefühle und Bedürfnisse des Partners in den Hintergrund und besteht nur auf seinen egoistischen Willen.
Auch im ersten Leseeindruck unterscheiden sich die Texte voneinander. Besonders auffällig ist, dass „Das zerbrochene Ringlein“ sich wesentlich harmonischer und in sich schlüssiger erscheint als „Flugzeuge im Bauch“. Ein möglicher Fakt, der die Ursache dieses Unterschieds
Bewirkt haben könnte, ist die Zeitepoche, in der der jeweilige Text verfasst wurde. „Das zerbrochene Ringlein“ wurde in der Romantik verfasst. Besonders für diese Zeitepoche, in der das träumerische und abstrakte im Vordergrund stand, wurde häufig das Versschema der Volksliedstrophe, wie in diesem Fall, verwendet. Durch die schlüssigen fünf Strophen mit jeweils vier Versen und einem durchgängig anhaltenden dreihebigen Jambus wirkt das Gedicht sehr liedhaft und harmonisch. Diese Harmonie, die der Verfasser damit ausdrücken möchte, ist ein typisches Merkmal für einen romantischen Text. Die regelmäßig zwischen männlich und weiblich wechselnde Kadenz und der durchgängige Kreuzreim tragen ebenfalls zur romantischen harmonischen Stimmung bei. Außerdem unterstreicht Eichendorff damit den zielstrebigen, selbstbewussten Charakter des lyrischen Ichs. Um die strenge Form beizubehalten, werden sogar einzelne Vokale aus Wörtern herausgelöst oder hinzugefügt: „[…] die dort gewohnet hat.“, „[…] blut’ge Schlacht […]“. Die gehobene Literatursprache weist auf einen altertümlichen Text hin. Die Wortwahl befindet sich auf einer höheren Stilebene als jene im Text „Flugzeuge im Bauch“ („Ich möcht als Spielmann […]“ – „[…]mich benutzt wann er will“). Gestaltungssilben wie „-lein“ (bei Ringlein) lassen sich sogar auf märchenhafte Elemente zurückführen, die die Träumerei der Romantik verkörpern.
Herbert Grönemeyer bedient sich keiner festgelegten Reimform. Reime verwendet er nur im geringen Maße und eine durchgehende metrische Form ist weder in einzelnen Strophen noch im Gesamtbild des Textes erkennbar. Auch die Kadenz wechselt unregelmäßig zwischen männlich und weiblich. Diese freien Rhythmen sind sinnvoll gewählt, da sie zur Textaussage beitragen. Das lyrische Ich ist sich uneinig, ob es die noch bestehende Beziehung fortsetzen soll, denn einer klaren Entscheidung ist es nicht gewachsen. Die Wortwahl des Textes weist im klaren Gegensatz zu „Das zerbrochene Ringlein“ keine gehobenen Wortschatzelemente auf, sondern besitzt häufig Wortaussagen aus der Umgangssprache. Ellipsen wie „Eiskalte Hand, […]“ oder Wortverbindungen wie „Du hast’n Schatten im Blick“ schließen zum Beispiel auf die Verwendung von Umgangssprache, was bestätigt, dass der Text aus der gegenwärtigen modernen Zeitepoche stammt.
Grönemeyer basiert die Ausdruckskraft seiner meisten verfassten Texte, wie auch in diesem, weniger auf metrische oder poetologische Mittel. Seine Stärke liegt im geschickten Einsatz einer Vielzahl an Stilfiguren, die Gefühle und Gedanken von Personen exzellent wiedergeben und dem Hörer seiner Liedtexte anschaulich machen können. Einer dieser Texte ist auch „Flugzeuge im Bauch“. Bereits in der 1. Strophe veranschaulicht Grönemeyer mit einigen Stilfiguren die Situation und die Gefühle des lyrischen Ichs. „Du hast’n Schatten im Blick“ beschreibt anfangs, dass der Partner des lyrischen Ichs die Gedanken des Gegenübers nicht ganz deuten kann. Dies ist ein metaphorisches Mittel, da ein Schatten etwas Ungenaues und Verhüllendes darstellt. Ebenfalls metaphorisch ist der Vers „Dein Lachen ist gemalt“. Instinktiv ist es leicht zu deuten, was diese Stilfigur aussagen soll, doch ist schwer dies mit Wörtern zu umschreiben. Man kann sagen, dass das Lachen, was eine ausdrucksstarke und freundliche Geste ist, mit einem starren, leblosen Bild verglichen wird. Eine weitere wichtige Aussage des lyrischen Ichs ist: „Deine Gedanken sind nicht mehr bei mir“. Man könnte die Vermutung aufstellen, dass das lyrische Ich denkt, der Partner habe eine Affäre mit einer anderen Person. Diese Vermutung könnte man bestärken, indem man die vorgehende Metapher „Dein Lachen ist gemalt“ genauer analysiert. Bildhaft kann man behaupten, dass das unechte Lachen des Partners, welches als Bild metaphorisch gleichgesetzt wird, von einer außenstehenden Person gezeichnet wurde. Diese bildhafte Vorstellung könnte darauf hinweisen, dass eine verdeckte Beziehung hinter dem Rücken des lyrischen Ichs der Grund ist, weshalb der Partner des lyrischen Ichs ein gefühlloses und unauthentisches Lachen präsentiert. Auch die Handlungen des Partners gegenüber dem lyrischen Ich werden als gefühllos und kalt beschrieben. Die Aussage „Streichelst mich mechanisch, völlig steril, eiskalte Hand, mir graut vor dir“ ist ein weiterer Beweis dafür, dass das lyrische Ich eine immer größere Abneigung gegenüber seinem Partner entwickelt. Es empfindet die zärtlichen Handlungen des Partners wie von einer monotonen, kalten Maschine praktiziert. Es graut ihm vor seinem Partner, ein Gefühl, dass man nur besonders Abstoßenden oder Angsteinflößenden entgegenbringt. Im Refrain bedient sich Grönemeyer der Herzmetapher, die für die Liebe und die Beziehung zwischen den beiden noch vorhanden ist. Durch den Ausspruch „denn du brauchst meine Liebe nicht“ bestärkt sich das egoistische Wesen des lyrischen Ichs.
Die Verse „Gib mir mein Herz zurück, bevor’s auseinander bricht“ und „je eher du gehst, desto leichter wird’s für mich“ bestätigen noch einmal, dass das lyrische Ich seelisch und körperlich nicht mit der Situation fertig wird und nur noch ein geringes Ultimatum hat, bis es endgültig zusammenbricht. In der letzten Strophe macht der Verfasser von einer Anapher Gebrauch, indem er das Wort „niemand“ mehrere Male an den Anfang von aufeinanderfolgenden Versen setzt. Diese Anapher verbindet er mit Ereignissen und Vergangenem, das ihm zur Zeit, in der die Beziehung noch stabil war, widerfahren ist: „Ich brauche niemand, der mich quält“, „Niemand, der mich benutzt, wann er will“, … .
Auch die Alliteration, „Niemand der nie da ist, wenn man ihn am nötigsten hat“ und die Metapher „[…] der nur seine Eitelkeit an mir stillt“ lassen darauf schließen, dass die Beziehung früher nicht auf Ehrlichkeit beiderseits beruht hat.
Im Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ werden kaum Stilfiguren verwendet. Der Kontext stützt sich auf die zentrale Metapher des Ringleins, dass dem lyrischen Ich von der Geliebten mitgegeben wurde und für die Liebe zwischen den Charakteren eher eine symbolische Bedeutung hat. Romantische Motive, wie die Natur und die Träumerei stehen im Text im Vordergrund: „Im Feld bei dunkler Nacht“, „Ich möchte als Spielmann reisen[…]“, „Ich möchte als Reiter fliegen[…]“. Das Mühlrad ist eine Metapher für die Geliebte, da das lyrische Ich dessen Klang mit dem Wohnort der Geliebten assoziiert. In Verbindung mit der blut’gen Schlacht verwendet der Autor hierbei die Feuermetapher, die hier nicht wie üblich Zerstörung oder Schutz darstellen soll, sondern eher eine mystische Bedeutung hat. Dies kommt dem romantischen Thema zugute.
Bis auf das gemeinsame Thema ähneln sich die zu vergleichenden Texte nur wenig. Die Gewichtung der Ausdrucksart beider Autoren ist anders verteilt. Grönemeyer setzt viele Stilfiguren ein, um dem Hörer oder Leser die Gefühle des lyrischen Ichs darzulegen, Eichendorff hält sich eher an stilistischen Motive der Romantik fest. Der große Unterschied zwischen den Charakteren des jeweiligen lyrischen Ichs stellt auch die Problematik der Beziehungen von verschiedenen Standpunkten aus dar.
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