Kaschnitz, Marie Luise - Hiroshima (Analyse)

Schlagwörter:
Marie Luise Kaschnitz, Gedichtinterpretation, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Kaschnitz, Marie Luise - Hiroshima (Analyse)
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Referat

„Hiroshima“ von Marie Luise Kaschnitz

Hiroshima

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.

Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, daß sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe der auf seinem Rücken saß
Und über seinen Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

von Marie Luise Kaschnitz

Das Gedicht „Hiroshima“ von Marie Luise Kaschnitz entstand 1957. Marie Luise Kaschnitz, eigentlich Marie Luise Freifrau Kaschnitz von Weinberg, wurde am 31. Januar 1901 in Karlsruhe geboren. Sie verstarb am 10. Oktober 1974 in Rom. Kaschnitz war eine deutsche Schriftstellerin. Marie Luise Kaschnitz gehört zu den Autoren des Expressionismus. Das vielseitige und konsequent entwickelte Werk der Kaschnitz gehört sowohl auf dem Gebiet der Lyrik als auch in Roman, Erzählung, Hörspiel, Essay und Tagebuch zu den erstrangigen Leistungen der deutschen Nachkriegsliteratur.

Das Gedicht „Hiroshima“ beschreibt das Leben des Bomberpiloten, der 1945 die Atombomben auf Hiroshima warf, aus der Sicht der Menschen und wie es sich in der Realität darstellt.
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit 8 und 15 Versen, wobei weder ein Reimschema, noch ein durchgängiges Metrum zu erkennen ist. In dem Vers 10 lässt sich belegen, dass ein lyrisches Ich vorhanden ist, dort heißt es „erst vor kurzem sah ich ihn!“.

Die erste Strophe handelt von der Vorstellung der Menschen von dem Leben des Piloten, „der den Tod auf Hiroshima warf“ (V. 1, 3, 5). Die Anapher in den Versen 1, 3 und 5 verdeutlicht die Dramatik des damaligen Geschehens. Die Strophe drückt aus, dass die Menschen denken, dass der Bomberpilot von Hiroshima „in Wahnsinn fiel“ (V. 6) und Schuldgefühle aufgrund seiner damals vollbrachten Tat hat. „Ging ins Kloster“ (V. 2) drückt aus, dass er mit seinem Leben nicht mehr klar kam und die Nähe zu Gott suchte, um zu büßen. Ein weiterer Beleg dafür, dass seine Schuldgefühle ihn in den Wahnsinn, sogar in den Selbstmord trieben, ist der Vers 4, in dem es heißt „sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich“. Die Metapher „Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich/Auferstandene aus Staub für ihn“ (V. 7/8) drückt aus, dass ihn die Gedanken an die Opfer von Hiroshima noch nicht einmal im Schlaf loslassen und dass er von ihnen träumt.

Die zweite Strophe beginnt mit der Aussage, dass „nichts von alledem wahr ist“ (V. 9). Das lyrische Ich berichtet davon, dass es den Bomberpiloten „erst vor kurzem“ (V. 10) gesehen hat. In den darauffolgenden Versen wird eine typische Familienidylle beschrieben, was sich an den Versen 15 bis 18 belegen lässt, in denen beschrieben wird, wie der Bomberpilot mit seiner Frau und seinen Kindern im Garten zusammen spielt.

Als das lyrische Ich von den Pflanzen im Garten spricht und meint, dass „das nicht so schnell wächst, dass sich einer verbergen könnte“ (V. 13), wird verdeutlicht, dass die Menschen wissen, wer dieser Mann ist und was er damals getan hat. Mit der Schilderung, dass die Hecken noch jung waren und „Die Rosenbüsche zierlich“ (V. 12), wird verdeutlicht, dass alles neu angelegt wurde und der Pilot noch nicht lange in diesem Vorstadthaus mit Garten dort lebt.

Die Metapher „im Wald des Vergessens“ im Vers 14 bedeutet, dass die Hecken und Rosenbüsche, die in den vorherigen Versen erwähnt wurden, einen schützenden Wald darstellen sollen, hinter denen sich der Pilot verstecken kann, sodass die Menschen den Piloten und seine Tat vergessen. In den Versen 22 und 23 wird deutlich, dass ein Fotograf das Geschehen hinter den Hecken beobachtet und den glücklich, lachenden Piloten, der 1945 hunderttausend Menschen umbrachte, fotografiert. Mit der Metapher „Das Auge der Welt“ (V. 24) ist meiner Ansicht nach der Fotoapparat des Fotografen gemeint, der die Bilder macht, die die Leute später in den Zeitungen sehen werden und die Realität ans Licht bringt. „Das Gesicht/verzerrt von Lachen, weil der Photograph […]“ (V. 21/22) deutet darauf hin, dass der Pilot vorgibt, ein glücklicher und unbeschwerter Familienvater und Ehemann zu sein und so tut, als hätte er nie etwas Schreckliches getan.

Meiner Meinung nach ist dies ein sehr realistisches und lesenswerte Gedicht, da dies den Kontrast zwischen der Vorstellung der Menschen und der Realität gut darstellt.

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