Volksentscheid - Der Volksentscheid über den Volksentscheid

Schlagwörter:
Hamburg, Frank Pergande, Zeitungsartikel, Demokratie, direkte Demokratie, Referat, Hausaufgabe, Volksentscheid - Der Volksentscheid über den Volksentscheid
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Referat

Volksentscheid über Volksentscheid

Hamburgs politische Diskussionen kreisen derzeit insbesondere um ein Thema: der Volksentscheid. Auch Frank Pergande hat sich zu dieser Debatte in seinem Zeitungsartikel „Volksentscheid über Volksentscheid“ zur Problematik und ihren Hintergründen geäußert.

Bemerkenswert bei diesem Volksentscheid, so merkt er an, ist vor allem, dass bei der bald anstehenden Stimmabgabe gerade der Volksentscheid per se zum Abstimmungsgegenstand wird. Auslöser für den Entscheid sind zwei Volksentscheide aus dem Jahr 2004 gewesen, einmal bezüglich des Verkaufs des LBK und einmal hinsichtlich einer an die Bundestagswahlen anlehnenden Neuerung des Wahlrechts. Beide Male hat sich zum Ärgernis des Vereins „Mehr Demokratie“ die absolute Mehrheit der regierenden CDU über diese Entscheide hinweggesetzt.

Zwar ist bei letzterem Entscheid sowohl seitens des Vereins als auch seitens SPD und GAL gegen das Gesetz geklagt worden, was auch zur erneuten Überarbeitung des Wahlgesetzes geführt hat, allerdings stellt dies den Initiator dieses verfassungsändernden Volksentscheids, „Mehr Demokratie“, keineswegs zufrieden. Der Verein, unterstützt von SPD, Grüne, FDP und Linkspartei, fordert die Verbindlichkeit von Volksentscheiden sowohl bei Sachfragen als auch Gesetzesbeschlüssen und eine Reduzierung der Zustimmungsquoren. Ziel dessen ist, das volksbeschlossene Wahlrecht nicht als effektloses Scheinorgan der Demokratie verkümmern zu lassen. Dem stellt sich die CDU jedoch entgegen, wobei sie vor allem die zu niedrigen Mindestbeteiligungen und nicht vorhandene Finanzierungsvorschläge für das Wahlprozedere kritisiert.

Auffällig bei diesem Konflikt ist vor allem, dass sich zwei konträre Grundauffassungen von Demokratie gegenüberstehen. Zum einen die repräsentative Demokratie, hauptsächlich vertreten von der CDU, und die direkte Demokratie, welche insbesondere der Verein „Mehr Demokratie“ mit Unterstützung der oben genannten Parteien durchzusetzen versucht.

Bei der direkten Demokratie, hier durch den Volksentscheid, also eine direkte Wahl vom Volk ausgehend, dargestellt steht das aktive Eingreifen des Volks in Einzelfragen ihres Gemeinwesens im Mittelpunkt. Der Entscheid dient dem unmittelbaren politischen Mitwirken des Volkes. Die Entscheidungsgewalt wird also mehr auf die Bürger selbst verlagert. In der repräsentativen Demokratie hingegen werden politische Bestimmungen von einer Volksvertretung ausgeübt; sie erhalten also die unmittelbaren Entscheidungsbefugnisse. Dafür werden jene Repräsentanten zuvor direkt vom Volk gewählt. Die Wähler delegieren somit ihre politische Macht.

Beide demokratische Auffassungen haben sowohl ihre Nach- als auch Vorteile.

So kann die direkte Demokratie beispielsweise ein Mittel gegen Politikverdrossenheit darstellen, da der Volkswille am unverfälschtesten umgesetzt wird. Der Eindruck, wie bei der repräsentativen Demokratie, dass die politischen Autoritäten sowieso machen würden, was sie wollten, wird dadurch vermieden. Zudem könnte man annehmen, dass durch das Faktum, dass alle mitentscheiden dürfen, Probleme von mehr Köpfen und somit auch besser durchdacht werden würden. Jedoch sind hier auch kritische Überlegungen anzustellen. Zwar wird eine Problemlösung in die Hände von mehr Menschen gelegt, allerdings gewährleistet dies keineswegs, dass die Entscheidung dadurch kompetenter ausfällt. Denn hierbei ist vor allem gutes Fachwissen von großer Bedeutung, welches bei den durchschnittlichen Bürgern nicht für die vielfältigen Problemstellungen gesichert ist. Vielmehr kann das Unwissen dazu führen, dass dem Meinungspopulismus mittels der Medienüberflutung eine größere Macht eingeräumt wird.

Ferner gilt es auch der Herabsenkung der Zustimmungsquoren kritisch gegenüberzutreten. Diese lassen nämlich die nicht unbegründete Befürchtung entstehen, dass sich künftig engagierte Minderheiten gegen eine Mehrheit der Bürger durchsetzen könnten, da letztere sich weniger aktiv am politischen Geschehen beteiligen. So könnten beispielsweise Großprojekte von einer geringen Anzahl von Bürger blockiert werden.

Darüber hinaus darf auch nicht vergessen werden, dass im Grundgesetz die prinzipiell verankerte Staatsform der repräsentativen Demokratie ein Vorrang vor plebiszitären Elementen aufweist. Direktdemokratische Mittel sollen nur als Ergänzung eingesetzt werden. Jene könnten jedoch Überhand gewinnen, wenn Verfassungsänderungen von allein 35% der Wahlberechtigten vorgenommen werden dürften. So könnten leicht Fehlentscheidungen getroffen werden und die Entscheidungsgewalt würde einer nicht fachkundigen Minderheit überlassen werden.

Letztlich steckt jedoch hinter dieser ganzen Debatte des Volksentscheids lediglich ein parteiliches Tauziehen. Vor allem SPD und GAL schlagen politisches Kapital daraus, dass die Bürger über das zweimalige Hinwegsetzen über einen Volksentscheid von Senat und CDU verärgert sind. Die grundsätzlichen Spielregeln des demokratischen Miteinanders sind Gegenstand des Machtkampfes der politischen Lager geworden.

Abschließend muss jedoch auch ganz deutlich festgestellt werden, dass ein Volksentscheid, ist er einmal in einem langwierigen und aufwändigen Verfahren gewonnen worden, nicht einfach übergangen werden darf. Vielmehr muss er eine angemessene Geltungsstellung in unserem demokratischen System einnehmen ohne dabei die Grundsätze der repräsentativen Demokratie zu verletzten.

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