Ibsen, Henrik - Ein Volksfeind (Analyse)

Schlagwörter:
Henrik Ibsen, Demaskierung des Bürgertums, Charakteristik, Inhaltsangabe, Helmut Schmidt, Referat, Hausaufgabe, Ibsen, Henrik - Ein Volksfeind (Analyse)
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Referat

Ein Volksfeind (Henrik Ibsen, 1882/1883)

Gliederung / Inhalt

Verbindung zum Semesterthema:

Gesellschaftskonflikt zwischen Wahrheit („Wissen“) und Verantwortung und den (finanziellen) Interessen der unmündigen Bürger

Geschlossenes Drama in 5 Akten:

  • a) Exposition
  • b) Steigerung
  • c) Höhepunkt
  • d) Wendepunkt (Peripetie) → Retardation
  • e) Katastrophe

Prinzip: Spiel und Gegenspiel, bestimmt durch Charaktere/deren Emotionen; (tragischer) Held gegen widerstrebende Gewalten

  • a) Tomas Stockmanns Entdeckung → Interessenkonflikt aus (Brüder)
  • b) Verwirklichung der beiden Interessen (Gespräch: direkter Konflikt steigert Handlung)
  • c) intrigantes Handeln d. Amtsrates → Presse + Aslaksen („Mehrheit“) gegen Tomas (Machttausch)
  • d) Tomas' Entschluss nach Entdeckung des „bösen Spiels“ : Rede über Gesellschaft (anstatt Kurbad) → Rede des Badearztes vor Bürgerversammlung

Aufbau als Drama („Drama im Drama“)

  • a) Vorbereitung der Rede
  • b) Verzögerung des Redebeginns, Regulation d. Bürger
  • c) Rede → Gesellschaftskritik
  • d) Redeabbruch, Meinungsäußerungen/Reaktion
  • e) Badearzt = „Volksfeind“ → Tomas + Familie verlassen Versammlung
    ​e) Ausschluss der Familie aus der Gemeinschaft, Anschläge/ Kündigungen

→ zunächst Auswanderungspläne, dann will Tomas dableiben
→ Widerstand durch (idealistische) Bildung von „Straßenjungs“

Erkenntnis: stärkste Mann = der, der alleine dasteht, Unabhängigkeit = Stärke?!

Geschlossenes Drama:

  • eindeutige Haupthandlung, Einsträngigkeit, Folgerichtigkeit → alles auf Konflikt ausgerichtet

Offenes Drama:

  • Vielfalt an zerrissenen/komplementären Handlungssträngen, autonome Episoden, offener Schluss?!
    (evtl. unterschiedliche Sprachebenen)
  • „angemessener“ für chaotische Verhältnisse moderner Gesellschaften

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Inhalt:

  • norwegische Küstenstadt → Kurort (Idee: Tomas/Badearzt, Umsetzung: Peter/Amtsrat)
  • Tomas entdeckt, dass Wasser gesundheitsschädlich → will Skandal publik machen + Snaierung der Badeanstalt; Unterstützung durch Presse (gegen Obrigkeit) und Aslaksen ( = „Mehrheit d. Bürger“?!)
  • Peter: Intrige (zieht Presse/ Aslaksen auf seine Seite); macht finanzielle Belastung (Steuern) durch Sanierung deutlich → Wandel d. Meinung, Abwendung v. Tomas (erfunden?!), Entzug jeglicher Unterstützung
  • Bürgerversammlung: gesellschaftskritische Rede (Obrigkeit und „Mehrheit/Masse“)
    → „Volksfeind“, Hass von Bürgern
  • trotz negativer Konsequenzen bleibt Tomas in der Stadt → Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit weiterführen (durch Erziehung von Straßenkindern)

1. Akt: „ Die Entdeckung“

Billing (Zeitungsmitarbeiter), Hovstad (Redakteur des Volksboten) und Peter Stockmann, Stadtvogt, sprechen in Thomas Stockmanns, Peters Bruder und Kurbadarzt des Ortes, Haus über das Kurbad des Ortes. Thomas kommt mit dem Kapitän Horster hinein und bietet diesem an hier Abendbrot mit zu essen. Thomas setzt sich zu den dreien an den Tisch. Peter spricht mit Thomas, er drängt ihn seinen Brief, in dem Thomas sich lobend über das Kurbad äußert, zu veröffentlichen, damit dieses durch diese Werbung noch mehr Zulauf erhält und die Bürger bzw. auch er als Mitverantwortlicher mehr Geld verdienen. Thomas weigert sich aus noch nicht klarem Grunde, sodass Peter etwas später auch verschwindet. Nach Peters Abgang bringt Petra, Thomas Tochter, ihm ein Brief, den er freudig öffnet. Er enthält Ergebnisse einer Probe, die Thomas von dem Trink und Meerwasser machte und diese Ergebnisse zeigen, dass das Wasser in dem Ort, somit auch in dem Kurbad, mit Mikroorganismen vergiftet ist. Als Problem Lösung müssen die Wasserleitungen umgelegt werden, da Fabriken oberhalb des Ortes die Ursache für die Mikroorganismen sind. Die drei gratulieren Thomas zu seiner Entdeckung und alle vier gehen, bei einer Veröffentlichung, von breiter Zustimmung für Thomas Vorschlag aus. Thomas gibt seine Manuskripte den Leuten vom „Volksboten“ mit, sie mögen diese veröffentlichen.

Wohnstube bei Tomas; Hovstadt, Billing, Amtsrat (geht später ab), Katrine Stockmann (Frau), später Tomas und Kapitän, dann Petra, Söhne (→ Vorstellung/Auftritt fast aller wichtiger Personen)

  • Lobreden über das Kurbad
  • Kritik des Amtsrates am Bruder → Andeutung Bruderkonflikt
  • Konflikt zwischen Presse und Amtsrat wird deutlich
  • Petra (Tochter) bringt Brief (Analyse der Trinkwasserprobe) → Wasser verseucht
    → Plan: publizieren, Unterstützung von Presse

Kurbad als zentrales Projekt: positive Darstellung

  • vereint Bürger
  • Prestigeobjekt (Amtsrat: Ruhm), Idee („Kind“) von Tomas
  • wirtschaftlicher Wohlstand, Objekt der Medienberichterstattung

harmonische Darstellung der Familie Dr. Stockmanns
Mittelpunkt: Darstellung des Amtsrats
bzgl. Kurbad: ehrgeizig, strebt nach Anerkennung und Profit
moralisch: Geld/Ruhm wichtig, Klassendenken (Obrigkeit zugehörig: „überlegen“) und Vorurteile
persönlich: sparsam, belehrend, konservativ, kontrolliert (steif), egoistisch, engstirnig/kristallisiert
→ unangenehme, machtgierige Person; Konkurrenzkampf/Neid?!

Selbstbild:

  • vernünftig, bewahrt Überblick/ Kontrolle → weise/vorausschauend
  • verantwortungsbewusst, besonnen, würdevoll
  • „verkanntes Genie“, Bruder überlegen, wertvoll, hilfsbereit, aufmerksam,

→ dem Wohle aller dienlich (→ „Volksfreund“) → angesehen, mächtig
→ positive Selbstwahrnehmung ↔ Fremdbild: egoistisch, arrogant

Tomas Stockmann:

  • progressiv, liberal, idealistisch (Wahrheits-/Gerechtigkeitsempfinden), Bildung/Fortschritt)
  • aber auch: arglos, naiv, schlechte Menschenkenntnis?!
  • Rationales Vorgehen, aber dynamisch/ starke Emotionen/ ausgelassen
    → undiplomatisch, direkt, aufbrausend
  • ungeduldig, unsensibel
  • zuversichtlich, unernst/ leichtfertig, ironisch
  • großzügig, verschwenderisch/ sorglos, gesellig

Selbstbild:

  • Individualist, Vorreiter der Gesellschaft mit edlen Zielen
  • Dienst am Allgemeinwohl, wertvoll/nützlich, trägt große Verantwortung/ Wahrheitspflicht
    → „Volksfreund“; außerdem altruistisch, Bemühen um Harmonie
  • intelligent, wissend, durchschaut Situation (→ „Bruder überzeugen“)

Fremdbild: beliebt/ anerkannt, aber auch als „einsamer Idealist“ gesehen; unbeherrscht, unbedacht
Vergleich:

  • Beide Brüder haben ein ähnliches Selbstbild (→ im Recht, „Volkfreund“), Unterschiede gibt es jeweils in der Identifikation:
    • Tomas → Identifikation über Vorreiterrolle
    • Peter → Identifikation über gesellschaftliches Ansehen/Angepasstheit (↔ Vordenker/ Individualist)

Katrine Stockmann (Frau von Tomas):

  • steht für starke Frau, aber hält sich aus „Männersache“ (Politik) raus, leitende Rolle in Familie
  • traditionelle Werte, zurückhaltend, harmoniebedürftig
  • Mutterrolle: organisiert/leitet Familie; aber auch: finanzieller Überblick, besonnen
  • unterstützt Tomas, aber hinterfragt sein Handeln auch → selbstständig

Petra Stockmann (Tochter):

  • emanzipierte, gebildete, selbstbewusste Frau
  • ähnlich dynamisch, progressiv, rational/ intellektuell wie Tomas
  • aufrichtig, direkt, offen, starkes Gerechtigkeitsempfinden

Billing (Mitarbeiter der Zeitung):

  • fortschrittlich/ liberal, neugierig
  • radikal (→ gegen Obrigkeit, „Revolution“) → unterstützt Thomas aufgrund eigener Interessen
  • eigennützig

Hovstadt (Chefredakteur des „Volksboten“):

  • (sensations-) neugierig
  • Machtposition (durch Presse) wichtig → unterstützt Dr. auch aus egoistischen Motiven → z.B. Interesse an Petra

Selbstbild:

  • Vertreter des Volkes → Verantwortung als Aufklärer von Missständen, Revolutionär
  • gerecht, verlässlich, selbstbewusst, realistisch → mutig, stark (Kampf für Unterdrückte)

Aslaksen:

  • höflich, korrekt → allen Gesellschaftsansprüchen genügend
  • gemäßigt, vernünftig, besonnen (→ erfahren)
  • Vertreterrolle (Vorsitzender des Hausbesitzerverbandes)
  • tritt für „das Gute“ ein, Einfluss auf Bürger. wichtige Schlichterrolle
  • aber auch: konfliktscheu, Weg des geringsten Widerstandes, opportunistisch

2. Akt: „Brüderkonflikt“

Kätes Vater, Thomas Schwiegervater, Morton Kiil, kommt in Thomas Haus, er gratuliert Thomas zu seiner Entdeckung. Er ist der Ansicht es sei bloß ein Scherz um Peter zu ärgern, weil dieser keine Ahnung von Mikroorganismen hat und ist deshalb heftig amüsiert. Thomas konnte ihn nicht überzeugen, dass es die Wahrheit sei und dann geht Kiil wieder ab. Hovstad ist gekommen. Er will mit Thomas Entdeckung dafür sorgen, dass die leitende Obrigkeit in diesem Dorf gestürzt wird. Wenn es sein muss auch gewaltsam. Aslaksen, Buchdrucker des Volksboten, ist derselben Meinung, will nur keinerlei Gewalt walten lassen müssen. Beide raten Thomas seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Thomas ist sich nun ganz sicher er hätte die gesamte geschlossene Mehrheit hinter sich. Dann kommt Peter zu Thomas, er will ihn wegen der Ergebnisse sprechen. Peter ist der Meinung, dass Thomas bei einer Veröffentlichung, seine Vaterstadt ruiniert. Denn das Kurbad ist die Haupteinnahme Quelle. Thomas dagegen kann aus der Sicht des Arztes die Ergebnisse nicht verschweigen, zu viele Menschen könnten dadurch geschadet gar getötet werden. Es kommt zu einer heftigen Diskussion, die die verzwickte Problematik hinter dieser Frage aufzeigt.

  • Gespräch: Tomas und Katrine (→ Sorge) über Reaktion des Amtsrats
  • Morten Kiil hält entdeckung für streich → Unterstützung von Tomas
  • Gespräch: Hovstadt und Tomas, später auch Aslaksen
    → Unterstützung durch Zeitung (publik machen) + Buchdrucker Aslaksen („Mehrheit“)
  • Amtsrat verleugnet Priorität der Sanierung (finanzielle aspekte und eigene Würde!)
    → fordert Widerruf des Gutachtens, aonat Entlassung von Tomas
  • Reaktion von Tomas: Empörung, will aufbegehren, „Kampf“ mit Presseunterstützung
    ↔ Katrine besorgt um Familienwohl
    ​→ „tragisches“ Ende wird angedeutet, Steigerung des Konflikts

3. Akt: „Wendepunkt“ → Verlust der Unterstützung

Es ist das Redaktionsbüro des „Volksboten“ Billing, Aslaksen und Hovstad unterhalten sich, vor ihnen liegt Thomas Manuskript auf dem Schreibtisch. Sie erklären Thomas zu „Volksfreund“ er hätte mit seiner Entdeckung großes für den Ort geleistet. Peter kommt in das Büro und unterbricht die Vorbereitungen zum Drucken. Er beginnt mit Hovstad und Billing zu sprechen, in der Zeit darf Thomas Manuskript nicht gedruckt werden. Er schafft es Billing und Hovstad von seiner Ansicht zu diesem Problem zu überzeugen und erreicht, dass sie hinter ihm statt Thomas stehen. Käte kommt ein wenig später dazu, auch sie ist gegen eine Veröffentlichung aus Angst die Familie könnte darunter Schaden nehmen. Thomas bekommt etwas später mit, dass niemand mehr hinter ihm und seiner Entdeckung steht, Peter hat es geschafft alle gegen ihn zu bringen. Als Käte wieder zu Thomas kommt spricht sie mit ihm und lässt sich von ihm überzeugen, dass eine Veröffentlichung die einzige Möglichkeit sei. Käte sicher Thomas wieder ihre Zustimmung zu. Das hilft Thomas und er ist weiter entschlossen die Manuskripte zu veröffentlichen.

Redaktionsbüro des „Volksboten“

  • Unterhaltung: Hovstadt und Billing → Skandal für gesellschaftliche Revolution nutzen
    ↔ Aslaksen: betont „Mäßigkeit“
  • Ankunft des Doktors → schließt sich radikaler Meinung an (schnelle Überzeugung)
  • Gespräch: Hovstadt und Petra → Abweisung ihrerseits, da sie erkennt, dass er ihren Vater nur aus Interesse an ihr unterstützt (→ Grund für Unterstützung weg)
  • Amtsrat überzeugt Presse (kurze Abwesenheit d. Doktors), den Artikel nicht zu drucken
    → berechnende Worte (→ Steuergelder, guter Ruf der Stadt, „Einbildung“ von Tomas)
    → Wendung der („öffentlichen“) Meinung gegen Tomas
  • ahnungslose Rückkehr von Tomas, Katrine will Publikmachen verhindern
    → Auseinandersetzung (Steigerung der Handlung)
  • Entdeckung des Amtsrats (im Nebenzimmer versteckt) → Dr. provoziert ihn (sichere Macht)
  • Redakteure + Aslaksen kündigen Gefolgschaft auf
  • trotzdem Beharren von Tomas auf Publikation der Entdeckung → Unterstützung v. Katrine

Leerstelle zwischen 3./4. Akt (→ Entscheidungsfindung zur Rede):
→ Änderung des Schwerpunktthemas (Kurbad → Gesellschaftskritik)

weitere Leerstelle: Dialog zwischen Tomas und Katrine nach dem 4. Akt → Auswanderungspläne

Funktion der Leerstellen:

  • Interpretationsraum („unzuverlässiger Erzähler“ → Kleist?!)
    → Aufforderung zum Nachdenken (Reflexion des Lesers)
  • Rückgriff auf eigene Erfahrungen: Leser füllt Leerstellen mit Teil seines Selbst aus
    ​→ emotionale Beteiligung der Zuschauer, wahrhaftiges Erleben

4. Akt: „Wandlung vom Volksfreund zum Volksfeind“

Der vierte Akt beginnt in dem Saal von Kapitän Horster. Denn niemand wollte Thomas einen Saal, für seine Veröffentlichung der Ergebnisse, zur Verfügung stellen. Der Volksbote hat schon im Vorfeld Thomas als Lügner geahndet und das er seine Heimatstadt ruinieren will. Dementsprechend negativ stehen die Zuhörer Thomas gegenüber. Aslaksen und Peter machen eine Abstimmung darüber, ob jemand die Ergebnisse hören will. Thomas kommt ihnen aber entgegen und meint er würde nicht über die Ergebnisse sprechen, doch trotzdem reden wollen. Man lässt ihn das Podest betreten und beginnt zu reden. Anstatt über die Missstände bei dem Kurbad, spricht er über die Missstände in der Gesellschaft. Er bezeichnet die Liberalen als die schlimmsten Feinde der Menschen, beschimpft die Bürger als Köter, die Mehrheit sei an allem schuld, man kann die Mehrheit der Dummen nicht herrschen lassen. Die Minorität der Klugen solle die Gesellschaft leiten. Die Mehrheit hat immer Recht und genau das ist das Problem. Er vergleicht die Mehrheitswahrheiten mit einem rauchigen, verdorbenen, alten Schinken, der für diesen moralischen Skorbut verantwortlich ist. Die Gesellschaft ruhe auf dem verpesteten Boden der Lügen und beschuldigt die Badeverwaltung der Inkompetenz. Die kompakte, liberale, geschlossene Gesellschaft ist der schlimmste und gefährlichste Feind von Wahrheit und Freiheit.

Zum Schluss fordert er dieses Volk muss ausgerottet werden. Das Publikum gerät in Rage als Thomas mit seiner Rede fertig ist, nach der Veranstaltung beschimpft und bespuckt man die Familie Thomas Stockmann und wirft ihrem Haus die Scheiben ein. Der einzige, der der Familie hilft, ist Kapitän Horster. Er geleitet sie nach Hause und bleibt bei ihnen. Thomas Stockmann wurde zum „Volksfeind“ ernannt.

Haus von Kapitän Horster; Bürgerversammlung

  • Ernennung Aslaksens zum Redeleiter (→ betont erneut Mäßigkeit)
  • Gerüchte Munkeln der Bürger
  • Vorschlag des Amtsrats: „Verbot der Rede“
    → Unterstützung durch Redakteure, aber abgelehnt

Rede von Tomas Stockmann:

Einleitung: anderes Thema → Erkenntnis: „große Enthüllungen“

  • leitende Männer (Beispiel: Amtsrat!) stehen freiem Mann im Weg
  • aber: Obrigkeit nur Überreste alter Zeiten, nicht „gefährlichster Feind“

Hauptthese:

  • „gefährlichste Feind“ der Freiheit/ Wahrheit: liberale Majorität
    → kritisiert Massendenken, „passive Verantwortungslosigkeit“, unfreie Meinungsbildung
  • Unwissenheit/ Dummheit der Mehrheit
    → besitzt Macht, aber niemals Recht (Recht bei Klügeren → Minorität)
  • Vorposten: Aufgabe → Kampf gegen Gesellschaftslüge
  • Mehrheit nicht im Besitz der Wahrheit, Leben aufgrund von veralteten Weisheiten (Lügen?)
    → Beispiele für veraltete Weisheiten:
    „geschlossene Mehrheit hat Moral auf ihrer Seite“
    „Unwissende haben gleiches Recht auf Mitbestimmung wie Vorreiter der Gesellschaft“
    (→ unterschiedliche Wertigkeit von Menschen?!)
    → „Freidenker“ bilden geistige Elite (zählt sich selbst dazu!)
  • Kritik am „Volksboten“:
    Widerspruch: einfaches Leben = moralisch ↔ Forderung nach höheren Lebensbedingungen

Fehler/ Missstände:

  • alles Gewöhnliche wird gutgeheißen, Freidenker verurteilt
    → „Wahrheit wichtiger als alles andere“; mit aller Macht ein Ausbreiten d. Lüge verhindern!
    ​→ Bereitschaft: Heimatstadt/-land ruinieren (für Wahrheit) → maßlos, verliert Kontrolle?

→ „Volksfeind“; Ausstoß aus der Gemeinschaft
→ Kapitän bahnt Weg für Familie durch aufgebrachte Menge (weiterhin loyal)

Tragik: Bezeichnung als „Volksfeind“, obwohl „Volksfreund?!“
→ will Bürger über Missstände aufklären, Manipulation/ Begrenzung der freien Bürger zeigen
Störung/Unterbrechung der Rede durch Kommentare, Rufe, Lärm

Redestrategie:

  • passt sich Situation an, bezieht sich auf Unterbrechungen
  • Offenheit, Überzeugung durch direkte Argumente
  • Abwertung, Schuldzuweisungen → Polarisierung!
  • Sprachliche Bilder, Metaphern (z.B. Kriegs-/ Tiermetaphorik)
    → gekonnte Rhetorik, gut aufgebaut und taktische Rede

aber: ruppiges/wütendes/aufbrausendes Auftreten (und Diffamierung) schwächt Überzeugungskraft

Fehlformen in der Demokratie:

  1. Verlogenheit in zwischenmenschlichen Beziehungen, Hinterhältigkeit
  2. Kritikunfähigkeit und Vorurteile
  3. Furcht vor freier Meinungsäußerung → Angepasstheit
  4. Ämtermissbrauch, Heuchelei, finanzielle Interessen
  5. Einfluss/Meinungsmache durch Presse

5. Akt: „Tomas bleibt standhaft“

Die Familie Stockmann ist in ihrem Haus, die Scheiben wurden eingeschmissen und das Innere verwüstet. Die Familie entscheidet sich auszuwandern. Kapitän Horster kann ihnen helfen, er kann sie mit seinem Schiff rausfahren. Doch im nächsten Moment wird klar, dass sowohl Stockmann, dem auch seine Praxis weggenommen wurde, gekündigt war, sondern auch dem Kapitän, da er der Familie half. Somit war das Schiff, das er über die Arbeit fahren durfte und mit dem er die Familie rausfahren wollte, weg. Dies zerstörte die Hoffnung auf eine eventuelle Auswanderung. Zudem wurde auch der Tochter Petra ihrer Arbeitsstelle gekündigt, auch sie verdiente nichts mehr. Doch es gab noch eine Möglichkeit. Der Schwiegervater von Thomas hat ein ansehnliches Erbe für seine Tochter angespart, damit könnten sie sich finanziell über Wasser halten, bis die Situation sich beruhigen. Doch auch diese Möglichkeit erlischt, als der Schwiegervater ankommt und verkündet: Er habe alles Erbe für die Aktien des Bades ausgegeben, da die Preise gerade gefielen sind und da er nicht an die Vergiftung des Wassers glaubt. Somit besteht wieder für Thomas eine Zwickmühle. Wenn er jetzt der breiten Masse die Sache der Vergiftung erzählt. Dann erlischt seine finanzielle Stütze, nämlich das Erbe, in Form der Aktien. Wenn er aber nichts erzählt, werden weiter die Menschen geschädigt und er kann seinen Namen nicht rein waschen.

Nach Beratung mit seiner Familien beschließen die Stockmanns im Ort zu bleiben. Sie werden erst einmal bei dem Kapitän wohnen, da ihnen ihr Hausvertrag gekündigt wurde. Die beiden Söhne von Thomas wurden dazu wegen ihres Vaters in der Schule geschlagen, worauf der Lehrer ihnen geraten hatte zu Hause zu bleiben, bis die Situation um den Vater sich beruhigen würde. Da kam Thomas die Idee, er werde seine Kinder zuhause unterrichten und eine Schule aufmachen. Dafür wird er sich die Straßenkinder holen und somit seine Schule füllen. Die Söhne sind begeistert, Käte vertraut ihrem Mann und ist einverstanden. Genau wie die Tochter sie fasst mutig die Hände ihres Vaters.

bei Dr. Stockmann (Arbeits-/ Vorzimmer) → Verbindung zum 1. Akt (Abschluss des Kreislaufs?!)

  • Zerstörungen/eingeworfene Fenster, Steine ( → wütende Bürger)

Gespräch: Tomas, Katrine, später Horster und Petra

→ Kündigung vom Vermieter, Kündigung der Arbeitsstelle vom Kapitän und von Petra (Lehrerin) aufgrund der öffentlichen Meinung

Gespräch Amtsrat und Tomas
→ Peter überreicht Tomas seine Entlassung als Badearzt, stellt ihm die Möglichkeit eines Widerrufs in Aussicht (Wiedereinstellung), falls er alles zurücknimmt
→ Vorwurf des Amtsrats: Motiv von Tomas → erbe von Morten Kiil sichern (Tomas erfährt das erste Mal vom Vermögen seines Schwiegervaters)

Gespräch: Tomas und Morten Kiil:

Kiil hat mit Erbanteil Katrines Aktien des Kurbades gekauft → Erpressung → Tomas soll
Behauptung zurücknehmen (sonst verlieren Aktien an Wert)
Besuch Hovstadts und Aslaksens → opportunistisches, entschuldigendes Verhalten

→ wollen Geld für Zeitung (denken Tomas hätte Badaktien gekauft)
→ stellen Tomase erneute Unterstützung in Aussicht („Leitung des Kurbads“)
→ Tomas ist empört → jagt Redakteure mit Regenschirm aus dem Haus

Vorschlag Katrines auszuwandern → Weigerung Tomas, will im Ort bleiben:

Unterkunft beim Kapitän

Eilif und Morten (Söhne) privat unterrichten, da in Schule ausgestoßen (→ Prügelei) + weitere „Straßenjungs“ → will selbst unterrichten (ideologische Prägung)
Erkenntnis: „der stärkste Mann in der Welt ist der, der ganz alleine dasteht“
→ Unabhängigkeit (von öffentlicher Meinung)/Freiheit = Stärke
→ kein Verlass auf andere

geändertes Selbstbild?!

  • kein „Volksfreund“ mehr, einsamer Vorreiter der Gesellschaft
    → subtile/direktere Einflussnahme über ideologische Erziehung → aufhetzen („Wölfe jagen“)
  • Glück nicht im außen, zufrieden mit eigener Erkenntnis?!
  • Keine Niederlage, da Gesellschaftskritik sich bestätigt hat?!

Fragezeichen-Schluss:

  • Ironie/Hohn bzgl. Tomas Erkenntnis (→ sprachliche Unbeholfenheit der Aussage)
    → „hinterhältiges“, irreführendes Drama: „Aussage entspricht nicht unbedingt Realität“
    → „unzuverlässiger Erzähler“ (Kleist)

Tomas = „tragischer Held“?

  • Aufbau einer klassischen Tragödie (ernstes Thema, tragisches Ende)
  • nur äußere Niederlage, keine Katastrophe, da moralischer Triumph
  • unwürdige Darstellung der Gegner → eher Komödiencharakter

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Unsicherheit / Unklarheit: Komödie oder Tragödie?!

  • gezieltes Spiel mit Erwartungen durch Kontrast von Tragik und Komik
    → Aussage (ernsten Inhalt) betonen
  • „Tragik-Groteske“

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Tomas Stockmann = Sprachrohr von Henrik Ibsen?

  • Brief: „in vielen Stücken völlig einig“
  • Aussage im Interview: „... nicht verantwortlich für all den Unsinn ...“
    → Ibsen beschreibt Eigenständigkeit/ überraschende Entwicklung der Figuren
    → legt nur Grundlage, Charaktere handeln teils unerwartet
    ​→ irreführende Autokommentare

These: „Tomas ist kein Sprachrohr von Henrik Ibsen, da er keine Idealfigur ist.“

  • eigensinniger Querkopf; verurteilt sich und Familie zum Hungern → „Antiheld“
  • unüberlegt, stur, „verstockt“ (→ Name) ↔ sieht sich als „geistig vornehme Person“
  • verkennt soziale Welt, illusorische Selbstsicherheit, lebt über Verhältnisse
  • persönliches Machtstreben, Kampfeslust, Provokation

Wahrheit durchsetzen ohne Rücksichtnahme (→ wessen Wahrheit?, nur eigene Ansicht)
​→ negative Entwicklung: kehrt nach Wendepunkt seine innersten Charaktermängel heraus:

Rede (4. Akt) → verliert Augenmaß, Menschenverachtung
gefährliches Denken/ Rhetorik (vgl. NS-Zeit)
→ faschistisch (= falscher Weg aus Widersprüchen der Demokratie

Ibsen liefert keine positiven Identifikationsangebote, liefert keine fertigen Lösungen, sondern zeigt nur Konflikte auf (→ vgl.Dürrenmatt):

  • Problem der Umweltverschmutzung (Bezug zu aktuellen Anlässen)
  • Konflikt zwischen Geld und Moral
  • Krise der Demokratie
    • Mehrheitsherrschaft durch Unwissende / „Dumme“
    • Egoismus/ Arroganz der Obrigkeit
    • Wahrheit geht verloren

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Konflikt zwischen privater und öffentlicher Verantwortung:

→ Verantwortung für sich selbst/ Angehörige ↔ Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft

Tomas Stockmann:

  1. private Verantwortung: Vater, Ehemann (Versorgung der Familie), Bruder (→ Reputation)
  2. öffentliche Verantwortung:
    • Badearzt (gegenüber Gästen), Wissenschaftler (Entdeckung!),
    • als Bürger gegenüber Demokratie (Recht/Pflicht der freien Meinungsäußerung

→ entscheidet sich zunehmend (im Verlauf des Dramas) für öffentliche Verantwortung, vernachlässigt Versorgung d. Familie, verspielt Erbe, setzt „guten Ruf“ aufs Spiel
→ wendet sich an Öffentlichkeit: Verantwortung auf andere Menschen ausweiten/ übertragen
→ scheitert; opfert Familie für sein Vorhaben

Peter Stockmann (Amtsrat):

  1. private Verantwortung: gegenüber Tomas und Familie
  2. öffentliche Verantwortung: gegenüber Stadt (Ansehen/Einnahmen), Badvorsitzender (Badegäste)
    • nimmt von Anfang an öffentliche Vernatwortung wahr (geht einher mit persönlichem Wohl)
    • will Tomas zum Schwiegen bringen → „opfert“ ihn (Entlassung)
    • lebt allein für Öffentlichkeit, identifiziert sich über Ansehen

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Vergleich: „Die Physiker“

Möbius:

  1. private Verantwortung: Vater, Ehemann, Liebhaber Schwester Monikas
  2. öffentliche Verantwortung: als Physiker (Konsequenzen seiner Entdeckung für die Menschheit)

→ entscheidet sich für öffentliche Verantwortung, opfert eigenen Ruhm/ Geld, Schwester Monika
→ lässt Frau und Kinder im Stich → Belastung durch hohe Kosten für Sanatorium
→ Weg der Selbstisolation, um Verantwortung für Menschheit gerecht zu werden (Formel darf nicht in falsche Hände gelangen), öffentliche vor privater Verantwortung, aber scheitert ebenso!

Konflikt:
moralisches Handeln gegenüber gesamter Menschheit ↔ unmoralisches Handeln dem Einzelnen gegenüber → gerechtfertigt?!

→ Beide erfolglos:
Möbius = „tragischer Held“

→ scheitert bei Versuch, Verantwortung alleine zu tragen → unmöglich
Tomas = „Antiheld“
→ scheitert bei Versuch, Verantwortung auf andere auszuweiten („wollen nicht“, keine Einsicht?!)

Fazit:
Jeder muss zuerst Verantwortung für sich übernehmen; Bürger müssen aus sich selbst heraus das Gefühl der öffentlichen Verantwortung entwickeln (kein „Aufdrücken“)

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Naturalistische Züge in „Ein Volksfeind“:

Naturalismus (1889-1900):

Industrialisierung/ Technisierung sorgt für Boom der Großstädte (geht einher mit Verschlechterung der Lebensverhältnisse)
Naturalismus behandelt Leben dort / schlechte Verhältnisse (→ „Tabuthemen“)

  • antibürgerlich/ revolutionär, da gegen bestehende Ordnung
  • Verkommenheit aufdecken (Wahrheitsanspruch → Abbildung des wirklichen Lebens in Kunst)
  • Kunst = Natur – x (strebt idealerweise gegen 0) → Spiegel der Realität
  • Theorie: Mensch durch Erbgut und Umweltverhältnisse bestimmt (→ unveränderbar)

Merkmale des Naturalismus in der Literatur:

  • exakte Einzelheiten
  • Anschaulichkeit, Personifizierungen
  • Sekundenstil

Bezüge zu „Ein Volksfeind“:

naturalistische Züge:
Wirklichkeitssprache, alltagsnah, Anschaulichkeit, „Zeigen“ der Wirklichkeit (→ detaillierte Regie)

Unterschiede zum Naturalismus:

  1. streng geschlossenes Zustandsdrama im Naturalismus (zeigt Ausweglosigkeit)
    ↔ „Ein Volksfeind“ = dynamisches Bewusstseinsdrama (Enthüllung überholter Ideale)
  2. rein situationsgebundenes Sprechen (→ Gegenwart)
    ↔ Ibsen verwendet auch reflektierendes Sprechen (→ Vergangenheit)
  3. Figurengruppe ↔ Einzelgestalt (betont Eigenverantwortlichkeit der Menschen im Kontrast zur Ansicht des Naturalismus (unabänderliche äußere Einflüsse))
    → Ibsen gibt wertvolle Impulse für Naturalismus (siehe auch Theateranschauung), wie Wert auf Natürlichkeit, distanziert sich jedoch teils sehr stark (→ keine bloße Wiedergabe von Zuständen)

Gewisse Nähe zum Realismus erkennbar („Ibsens Realismus“)
→ Verarbeitung der Realität mit literarischen Mitteln (subjektive Erzählhaltung, Ironie)

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Sprache der Figuren als Stilmittel:

allgemein: alltägliche, naturgetreue Sprache → Menschen schildern („nicht Götter“ → abgehoben)
→ Abbildung der Wirklichkeit

individuelle, charakteristische Sprache/Redewendungen dient der Charakterisierung der Figuren:

Tomas:

  • spontane Ausrufe, Kraftausdrücke, medizinische Metaphern, Kriegsmetaphorik, Tiermetaphorik
    → temperamentvolle, impulsive Kämpfernatur

Peter:

  • sachliche, steife Amtssprache, Fachbegriffe
    → Versuch, Überlegenheit zu demonstrieren

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Regieanweisungen:

genaues Abbild der Realität schaffen (→ Anweisungen), charakterisieren ebenfalls

Beispiel: finsteres, ungemütliches Redaktionsbüro; schmutzig, zerschlissene alte Stühle
→ finanzielle Not der Zeitung, moralische Verkommenheit der Redakteure

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Henrik Ibsens Theateranschauung:

Zuschauer steht im Mittelpunkt → alles vom Blickwinkel des Publikums aus arrangieren
Ziel: naturgetreue Darstellung → „das wirkliche Leben“ (Publikum soll Theater vergessen)

Mittel:

  • Verwendung der neuen Bühnentechnik
  • Unterbrechungen/ Ablenkungen vermeiden → Konzentration aufs Drama
  • natürliche Auf- / Abgänge, Positionswechsel
  • Schwerpunkt: Gesamtleistung des Ensembles (Schauspieler)
    → natürliches, lebendiges Spiel + Sprache (naturgetreu)
    → charakteristische Wiedergabe der Rollen
  • detaillierte Regieanweisungen (zu Kostüm, Requisiten, … )
    → Gebrauch neuer Stilmittel als Ausweg aus der „Krise des Dramas“

Natürlichkeit nicht endgültiges Ziel, sondern nur Mittel zum Zweck:

  • Theater als Erfahrungsebene → Gesellschaftskritik → Zuschauer: Reflexion/ Meinungsbildung

Publikumsbeteiligung?!

  • Ablenkung
  • zerstört Natürlichkeit des Stückes
  • Aufmerksamkeit
  • Reflexion, Interpretation
  • Identifikation, Hineinversetzen (→ Erfahrungsebene)
    → nur dem Ziel der Reflexion zuträglich, wenn sinnvoller und ungekünstelter Einsatz

Vergleich mit Brecht: „Kleines Organon für das Theater“

→ gegensätzliche Anschauung:

gleiches Ziel: kritische Hinterfragung → Möglichkeit, etwas zu verändern
andere Mittel: Verfremdung („V-Effekte“) ↔ Natürlichkeit

Brecht:

Umweltbedingungen menschengemacht → veränderbarer Einfluss auf Mensch

Aufgabe des Theaters:

  • Fokus auf Beziehungen der Menschen/ Gesellschaft lenken (Versäumnis der Wissenschaft)
  • Unterhaltung/ Erleichterung des Lebens

These: kritischer Blick / Misstrauen entwickelt sich nur bei Unvertrautem

  • Theater muss Verfremdung erreichen (unnatürliche Darstellung)
  • Identifikation mit Figuren verhindern
  • Verfremdungs-Effekte:
    • unnatürliches Schuaspiel + Sprache (Schauspieler sollen erkennbar sein, „Doppelrolle“)
    • profanes, offenes, transparentes Spiel (Vorgänge sichtbar)

Bertold Brecht: Lehrgedichte

→ epischer Charakter, kein „lyrisches Ich“ im Mittelpunkt, sondern direkte Ansprache

Verkündigung/ Lehre/ Appell an:

  • a) Gruppe (unspezifisch)
  • b) Einzelne (persönlich)

→ oft freie, reimlose Verse; Sprache: Imperativ, participium praesentis (z.B. wartend … )
→ erinnern teils an Lieder, oft auch Vertonung (→ Rhythmus!)

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Lob des Lernens:

Appell/ Wiederholung: „ Lerne“, „Du musst die Führung übernehmen“
verschiedene Beispiele von Personengruppen (Gefangener, Hausfrau, Obdachloser, … )

→ spricht gesamte Gesellschaft an (besonders die Minderbemittelten)

  • fordert Bildung für alle (= unabdinglich) → kritisiert geringe soziale Mobilität
  • Bedeutung der Bildung: selbst denken (→ Kant), eigenständiges Hinterfragen (s. Zweifel)

→ sich zur Autorität entwickeln → Wissen = Macht (und Verantwortung)
→ „Führung übernehmen“ → Revolution/Aufstand gewollt?!

Didaktisches Lehrgedicht: Belehrung/ Wissensvermittlung → zweckorientiert

Ziel:

  • Appel zur Übernahme der Verantwortung durch den Einzelnen, um die Gesellschaft (marxistisch?!) zu verändern
    → Handlungsanweisungen („Gebrauchslyrik“)

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Lob des Zweifels:

Strophe 1-5: Zweifel gut, durch Ambivalenz der Dinge (Widersprüche, Paradoxien) gerechtfertigt
→ Wahrheiten müssen hinterfragt werden a) Natur, Gegebenheiten b) Eigenschaften

Strophe 5: Revolution = schönster Zweifel

Strophe 6/7: Prozess der Entwicklung eines Merksatzes
Merkbuch des Wissens → Dogma ?!
→ Weiterentwicklung der Wissenschaft, Erfahrung/ Erkenntnis
→ neue Wahrheiten/ Abänderung/ Korrektur

Strophe 8: Kundige (Privilegierte, Studierte (Schule), Autoritäten (Militär, Kirche) beanspruchen Wissen für sich
→ hindern „Arme“ (leiden unter Lehrsätzen) am Zweifeln (→ Arbeit, Beschäftigung)
→ System der Unterdrückung

Strophe 8 ff.: Vorstellung verschiedener Typen
a) „niemals Zweifelnde/Unbedenkliche“:
engstirnige Überzeugung, Vorurteile/Verdacht gegen zuwiderlaufende Fakten
im Reinen mit sich selbst, im eigenen System funktioniert alles gut
b) „handlungsunfähige Zweifler“:
entscheidungschwach, kein konkretes Handeln
→ Zweifel darf nicht Selbstzweck bleiben (→ muss selbst angezweifelt werden)
c) „handelnde Zweifler“: hinterfrage und verändern etwas → Ziel: Verbesserung der Umstände

Strophe 11: Appel an Einzelne (Führer) → Geführten soll systematischer Zweifel gestattet sein
Unfehlbarkeit existiert nicht: Zweifeln ist ständig fortlaufender Prozess
→ Veränderung durch neue Erkenntnisse → Weiterentwicklung der Gesellschaft

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Helmut Schmidt: „Gesellschaftliche Moral des Wissenschaftlers“

Wissenschaftler für Folgen ihres Handelns verantwortlich?! → alleinige Verantwortung?
(→ kann/darf man angesichts des moralischen Vorwurfs noch Weiterforschen?!)

Aufhören zu Forschen?!

  • keine neuen Gefahren
  • unmöglich:
    • natürliche Neugier
    • notwendig (brauch Fortschritt (z.B. medizinisch → Krebs)
  • keine Kontrollmöglichkeit → Forschen im Untergrund → wenig Wissende (→ Gefahr?!)

→ Stillstand unhaltbar, unrealistisch

Beispiele:

  1. Atomspaltung (Otto Hahn, Lisa Meitner) → Atombomben in Japan
  2. Mikroelektronik → Ausbreitung gefährdet „Lese-Kultur“: zu viel Informationen → muss Überfliegen und Wichtiges von Unwichtigem trennen
    → Mehrheit der Bürger inkompetent

Politiker und Wissenschaftler tragen gemeinsame Verantwortung für die Gesellschaft

Gegenwart:
Aufteilung der Wissenschaften/ Spezialisierungen → jeder nur für sein Gebiet verantwortlich, verliert Überblick

aber: Gesamtheit ist Ursache für Unglück

Appell: muss sich trotzdem um Überblick bemühen („Schlupfloch“ = Herausforderung), Folgen des eigenen Tuns einschätzen können → kein Forscher darf sich dieser Anstrengung entziehen!

Beurteilung:

  • kollektive Verantwortung, Überblick → Vermeidung von gefahren?!
  • Kein Abwälzen der Verantwortung / keine Schuldzuweisungen
  • Gemeinschaftsgefühl, „Gesellschaft für Gesellschaft verantwortlich“
  • unmöglich, unrealistisch:
    • kann sich nie alles Detailwissen aneignen (was benötigt würde) → stete Weiterentwicklung
  • Problematik des Austausches (besonders angesichts der Globalisierung heutzutage):
    • Wie soll man auf Gefahr hinweisen?! → übergeordnetes Komitee (für Überblick zuständig)?

Bezug zu Dürrenmatt: Punkt 18

„Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht MUSS SCHEITERN“
Wissenschaftler alleine nicht in der Lage, Auswirkungen zu überblicken
→ einzelne Fachgebiete müssen bestehen bleiben (Spezialisierung notwendig) aber im ständigen Austausch stehen
→ die gesamte Gesellschaft muss Verantwortung übernehmen (nicht nur Wissenschaft/ Politik)

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Bezug zu Hans Jonas: „Das Prinzip Verantwortung“

  • Diskrepanz zwischen Wissen und Folgen
  • neuartiges Wissen zu viel, um mit früherer Ethik erfasst zu werden
  • eigene Unwissenheit anerkennen → dann Pflicht wahrnehmen (Verantwortung für eigenes Handeln tragen)

→ Durch Fortschritt der Wissenschaft bedarf es auch einer Fortentwicklung der Ethik
→ neue Verantwortung wahrnehmen (bezieht sich auf gesamte Gesellschaft)

Aufstand der Atomforscher:

Hintergrund:
atomare Aufrüstung der dt. Streitkräfte; Verharmlosung der Atomwaffen
Begründung Konrad Adenauers: Gleichstellung mit anderen europäischen Mächten

  • Erhaltung des Friedens?!
  • uneinschätzbare Gefahr

Göttinger Erklärung der 18 Atomwissenschaftler:

  • machen auf uneinschätzbare Gefahr aufmerksam
  • atomare Aufrüstung biete keine adäquate Möglichkeit, Situation des Kalten Krieges zu lösen
    → Verzicht auf Atomwaffen notwendig
  • Selbstverpflichtung: keine Beteiligung an Atomwaffenforschung (freiwillige Beschränkung)

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Die Demaskierung des Bürgertums

Charakteristik der liberalen Presse aus dem Drama „Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen

Liberale Presse = Hovstad (Redakteur des „Volkboten“) & Billing (Mitarbeiter dieser Zeitung)

  • Sie haben eine kritische Einstellung gegenüber der Politik in ihrer Kleinstadt

→ zweifeln die „Tüchtigkeit“ und „Intelligenz“ der Stadtpolitikführungsebene an (S. 31 Z. 6-16)

  • Sie sind entschlossen sich in die Politik einzumischen
    „Es muss gerüttelt werden an der Fabel von der Unfehlbarkeit der leitenden Männer.“ (S. 32 Z. 9-11)
  • behaupten die „hohen Männer“ seien überflüssig (S. 32 Z. 6)
  • Sie sind der Ansicht, dass die Wahrheit über allem anderen stehe und sie die Pflicht hätten das Volk aufzuklären (S. 32 Z. 10-17)
  • Der Hovstad behauptet er sei nur so eigennützig und ehrgeizig wie alle anderen auch → er will sich nicht von den anderen Bürgern abheben. → bescheiden ? (S. 32 Z. 21/22)
  • der Hovstad stammt aus einfachen Verhältnissen, er kennt sich somit bei den Bedürfnissen der unteren Volksschichten aus. (S. 32 /. 25-27)
  • Sie wollen Mitreden bei allgemeinen Angelegenheiten (S. 32 Z. 28)
  • Die Journalisten tragen eine schwere Verantwortung → Sie bestimmen was das Volk erfährt und was ihm verschwiegen wird. (S. 33 Z. 1-4)

→ der Hovstad will jedoch ein reines Gewissen gegenüber dem Volk (S. 33 Z. 7)

  • Sie wollen eine Revolution und dadurch die Leitung der Stadt erneuern (S. 31-33)
  • Sie sind aggressiv gestimmt und wollen die Situation ausnutzen → „Krieg bis aufs Messer“ (S. 52 Z. 34)

→ die Kommunalverwaltung soll in die „richtigen Hände“ gelangen (S. 55 Z. 16/17)

  • Sie stehen anfangs noch voll und ganz hinter Dr. Thomas Stockmann → er sei ein Volksfreund (S. 55 Z. 24 – 29)
  • Billig hat sich für den Sekretärposten beim Magistrat beworben (S. 57 Z. 15) → er behauptet er habe kein großes Interesse an dieser Stelle → will Macht und Mitspracherecht egal wie?
  • Steigernder „Kampfesmut“ durch die vermutete Aussichtslosigkeit seiner Bewerbung (S. 58 Z. 13-21)
  • Sie stehen nicht auf der Seite von Aslaksen, sind jedoch auf sein Geld angewiesen (S. 57 Z. 30 – 34)
  • Sie sind eingeschränkt in ihrer Pressefreiheit durch das Volk → Sie müssen sich nach den Lesern richten.
  • Ein Redakteur kann nicht immer handeln wie er möchte.“ (S. 59 Z. 28/29)

→ Die Abonnenten regieren die Presse. (S. 71 Z. 9-11)

  • Politik sei die Hauptsache in einer Zeitung, da ist die Richtigkeit anderer Dinge wie z.B der englischen Geschichte nicht so wichtig. (S. 59 Z. 28-37)
  • Die Presse beeinflusst die Leser (S. 59 Z. 31-37)
  • „Billig ist vielseitig“ (S. 60 Z. 12)

→ er ist flexibel bei seiner Meinung über die Dinge → bleibt nicht konsequent bei einer „Richtung“

  • vor dem Stadtvogt zügelt der Hovstad seine urprüngliche Begeisterung für den Artikel des Doktors (S. 63)
  • Sie lassen sich sehr leicht beeinflussen. → schwimmen mit dem sichereren Strom

→ als der Stadvogt seine andere Sicht der Lage schilderte, wechseln sie ihre Meinung. (S. 65)

  • Trotz der Ankündigung einer Revolution im geschlossenen Kreis, haben sie gegenüber dem Stadtvogt, einem Machtinhaber der Kleinstadt, wieder einen großen Respekt → sind eingeschüchtert und zurückhaltend → stimmen ihm automatisch zu (S. 65)
  • haben Angst vor dem Risiko ihre Zeitung zu ruinieren (S. 70 Z. 30-34)
  • Hovstad:„Ich kann und will und darf ihn nicht drucken.“ S. 71 Z. 6/7

→ lässt den Doktor im Stich → zieht seine Unterstützung zurück → fügt sich den Machtinhabern und der Masse

Fazit: Hunde, die bellen, beißen nicht.

Erst wurden Hovstadt und Billig als Freunde des Doktoren dargestellt. Sie waren überzeugt von Thomas Stockmann Erkenntnis und aus ihrer Begeisterung entfachte sich die Idee einer Revolution zum Sturz der Stadtpolitik. Doch nachdem der Stadtvogt ihnen seine Meinung und die Konsequenten für das Volk erklärt hatten, fügten sie sich. Sie hatten nicht mehr die Mut die Revolution wahrzumachen und zu viel Respekt vor den Machtinhabern. Hinzukam die Angst vor den Bürgern, aufgrund der Nachricht, dass die Ergebnisse des Doktor Steuererhöhungen mit sich bringen würden.

Die Intention Ibsens:

Mit seiner erzählerischen Darstellung der liberalen Presse in dem Drama „Der Volksfeind“ will Henrik Ibsen die Position und Aufgabe der Presse darstellen und gleichzeitig kritisieren. Die Presse steht zwischen den einzelnen Angelegenheiten einer Stadt und der Bevölkerung. D.h. die Presse kennt alle Angelegenheiten in der Stadt und ist dafür verantwortlich die Bürger darüber zu informieren. Sie ist das Sprechrohr der Stadt. Dadurch kann sie allerdings entscheiden, welche Information die Bürger erhalten und welchen ihnen verschwiegen werden. Das macht die Presse sehr mächtig. Anderseits ist die Presse auch abhängig, z.B. in dem Drama einmal von Aslaksen, der den „Volksboten“ finanziert und von den Abonnenten, die die Zeitung nicht mehr kaufen, wenn dort nicht das steht, was sie lesen wollen. Diese Abhängigkeit unterstreicht Ibsen sehr stark, da letztendlich nicht die ursprünglich Meinung der Redakteure gedruckt wird sonder das, was angeblich die Bürger lesen wollen.

Außerdem wird deutlich, dass die Presse ein wichtiges Medium für die Meinungsbildung der Bürger ist. Die Bürger können sich nur eine Meinung bilden, indem ihnen die Sachlage neutral oder mit mehreren unterschiedlichen distanzierten Meinungen dargestellt wird. Erst dann können sie für sich selber entscheiden, welcher Meinung sie sind. In dem Drama wird allerdings nur sehr einseitig über die Situation mit dem Bad berichtet, wodurch es fast keine Anhänger des Doktoren gibt und keine Zweifler und Kritiker. Die ganze Stadt ist einer Meinung. Der Meinung, die der Stadtvogt im „Volksboten“ veröffentlicht hat. Das zeigt den Einfluss, den die Zeitung auf die Bürger hat. Ibsen führt die Konsequenzen der starken und hier fehlerhaften Rolle der Presse auf. Die Bürger der Kleinstadt sind nicht in der Lage sich eine eigne distanzierte Meinung zu bilden und selbst der Doktor fügt sich der Meinung der Bevölkerung am Ende des Dramas. Es wird indirekt eine Vergiftung der Stadt vorausgesagt, die niemand verhindern wird.

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