Eichendorff, Joseph von - Das zerbrochene Ringlein (Interpretation & Analyse)

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Joseph von Eichendorff, Gedichtinterpretation, Analyse, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Das zerbrochene Ringlein (Interpretation & Analyse)
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Referat

„Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff

Im Folgenden soll das Gedicht „Das verlorene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff analysiert und interpretiert werden.

Im Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ wird die verlorene Liebe eines lyrischen Ichs thematisiert und die daraus hervorgehenden Wünsche, der Trauer aus dem Weg zu gehen.

Diese Ausweichmöglichkeiten liegen in Form von nicht realisierbaren Träumen vor, die das Motiv der freien, weiten Welt mit einbinden. Dadurch kann man zunächst auf ein Gedicht aus der Zeit der Romantik schließen. Die folgende Analyse und Interpretation wird diese Hypothese überprüfen.

Das Gedicht ist formal in fünf Strophen unterteilt mit jeweils vier Versen. Des Weiteren liegt ein Kreuzreim vor (abab / cdcd / efef / ghgh), was gleichzeitig auf die Gedichtform des Volksliedes hinweist. Außerdem gibt es einen einheitlichen Rhythmus mit jambischem Metrum. Es wird je Vers zwischen stumpfer, also männlicher und klingender, somit weiblicher Kadenz gewechselt. Dadurch entsteht ein melancholischer Klang, der sich fortschreitend und durch Enjambements unterstützt durch das Gedicht hin fortsetzt.

Der einheitliche, harmonische Klang unterstützt ebenfalls den Volksliedcharakter. Das in fünf Strophen aufgeteilte Gedicht kann inhaltlich in vier Teile aufgeteilt werden:

Die erste Strophe ist im Präsens geschrieben und spricht somit gegenwärtige Geschehnisse an. Dagegen bezieht sich die zweite Strophe auf die Vergangenheit und Strophe drei und vier setzen sich mit den Wünschen des lyrischen Ichs, also mit der Zukunft auseinander. Dadurch, dass die letzte Strophe wieder im Präsens geschrieben ist, erhält das Gedicht eine Rahmenform.

Zunächst wird in der ersten Strophe der Ort beschrieben, in dem die Geliebte des lyrischen Ichs gewohnt hat, jetzt jedoch nicht mehr dort aufzufinden ist. Sie lebte „in einem kühlen Grunde“ (V.1) neben einem „Mühlenrad“ (V.2). Der „kühle“ (V.1), dunkle Ort bringt eine traurige, ruhige Atmosphäre hervor und geht mit der Tatsache einher, dass die „Liebste [ist] verschwunden“ ist. Dadurch, dass das lyrische Ich von seiner „Liebsten“ (V.3) spricht, ist davon auszugehen, dass es sich um ein männliches lyrisches Ich handelt. Der unreine Reim „Grunde“ (V.1) und „verschwunden“ (V.3) bewirkt eine kleine Disharmonie. So weiß der Leser schon in der ersten Strophe, dass das lyrische Ich sich in einer nicht glücklichen Situation befindet. Das wird auch dadurch unterstützt, dass das lyrische Ich von „Mein‘ Liebste“ (V.3) spricht, obwohl sie verschwunden ist.

Die zweite Strophe bestätigt, was in der ersten vermutet werden kann, denn hier berichtet das lyrische Ich, was geschehen ist, und nennt somit den eigentlichen Grund für das Verschwinden des Mädchens. Dies erfolgt unter Verwendung zwei parallel angeordneter Verse: „Sie hat mir Treu‘ versprochen“ (V.5) und „Sie hat die Treu‘ gebrochen“ (V.7). Mit dem Symbol der Treue folgt dann: „Gab mir ein’n Ring dabei“ (V.6) und „Mein Ringlein sprang entzwei“ (V.8). Somit wird doppelt genannt, dass das Mädchen die versprochene Treue gebrochen hat. Die Metapher mit dem entzwei springenden Ring soll anschaulich verdeutlichen, dass die Liebe der Beiden endgültig zerbrochen ist und nicht wieder zusammengefügt werden kann. So wie das lyrische Ich also mit der versprochenen Treue den Ring erhalten hatte, bricht dieser einhergehend mit der Treue.

Die folgenden beiden Strophen spiegeln die Träume oder Wünsche des lyrischen Ichs wider, die dazu dienen sollen, sich von der aus der gebrochenen Treue resultierenden Trauer zu entfernen. Die in der dritten Strophe thematisierte Möglichkeit besteht in der Reise des Spielmanns in die weite Welt. Der „Spielmann“ (V.9) stand für eine freie, unabhängige Person, die durch „[S]ingen“ (V.11) an verschiedenen Orten sein Geld verdiente und somit viel erlebte und sah. Für das lyrische Ich ist diese Person ein Vorbild, da er sich wünscht, wie ein solcher Spielmann umherzuziehen und so die Liebe zu dem Mädchen zu vergessen.

Die versübergreifende Alliteration „Weit“ (V.10), „Welt“ (V.10) und „Weisen“ (V.11) unterstreicht die Stärke, die von diesem Bild ausgeht. In dieser Strophe lassen sich also die romantischen Motive des Wanderns und Reisens, sowie das Motiv der Freiheit
wiederfinden. Weiterhin sind Vers elf und zwölf durch eine Anapher verbunden, da beide Verse mit „Und“ (V.11/12) beginnen. Die versübergreifenden stilistischen Mittel stehen für einen indirekten Aufbruch der Form, die von der Aufbruchsstimmung, die durch den Sielmann ausgelöst wird, ausgeht. Form und Inhalt hängen also zusammen und korrespondieren, sodass eine Einheit entsteht.

Die vierte Strophe ist ähnlich aufgebaut wie die dritte Strophe und beinhaltet eine zweite gedachte Möglichkeit des lyrischen Ichs, der Erinnerung an die Liebste zu entweichen. Auffällig ist hierbei, dass das lyrische Ich immer weiter von dem gegenwärtigen in das träumerische gerät und immer märchenhaftere Vorstellungen äußert: So ist es in Strophe vier nicht mehr der Spielmann, der er sein möchte, sondern ein fliegender Reiter (vgl. V.13). Dieser fliegende Reiter steht für noch mehr Freiheit, da er alles erreichen kann, sogar den Himmel. Allerdings wird hier eine Antithese eingesetzt, da der Reiter in eine „blut’ge Schlacht“ (V.14) fliegt. Das lyrische Ich stellt sich also vor, wie es als heldenhafter Reiter leidenschaftlich kämpft und keine Angst vor dem Tod hat, denn er hat nichts zu verlieren. Diese Allegorie zeigt nochmals, wie er sich in Gedanken von der Wirklichkeit entfernt hat.

Die Verse fünfzehn und sechszehn sind wieder etwas wirklichkeitsgetreuer, denn das lyrische Ich stellt sich vor, wie er nachts auf einem Feld an einem Feuer liegt (vgl. V.15/16). Hier wird also im Vergleich nicht mehr von einem abenteuerlichen Ritt gesprochen, sondern von einem ruhigen Ort in der Natur. Die Adjektive „still[e]“ (V.15) und „dunkel“ (vgl. V.16) unterstreichen diesen Kontrast. Außerdem ist in diesen Versen das romantische Naturmotiv und Nachtmotiv zu erkennen. „Feuer“ (V.15), „Feld“ (V.16) und „Nacht“ (V.16) stehen für Einheit und Harmonie der Natur, von der eine Kraft ausgeht, die das lyrische Ich als positiv empfindet. Mit dieser wirklichkeitsgetreueren Vorstellung nähert sich das lyrische Ich ein wenig der Gegenwart, die in der letzten Strophe schließlich wieder im Bezug auf Strophe eins aufgegriffen wird. Vers eins und zwei beziehen sich also auf Strophe eins: Dies wird vor allem deutlich anhand des „Mühlenrads“ (V.2), das in Vers 17 wiederholt wird und das lyrische Ich an die Geliebte erinnert. Es steht symbolisch also für die Erinnerung und für eine Kreisbewegung, in der sich das lyrische Ich gefangen fühlt. Diese wird auch formal deutlich: Das Mühlenrad am Ende bezieht sich auf das Mühlenrad am Anfang des Gedichts.

Daraus resultiert die Verzweiflung des lyrischen Ichs, die im nächsten Vers zum Ausdruck kommt: „Ich weiß nicht, was ich will“ (V.18). Durch die Alliteration wird die zerrissene, emotionale Lage des lyrischen Ichs deutlich.

Abschließend benennt das lyrische Ich noch eine dritte Alternative, der Erinnerung auszuweichen, nämlich den Tod. Dadurch würde die Kreisbewegung des Mühlenrads unterbrochen sein, weil das lyrische Ich es nicht mehr wahrnehmen müsste. Die drei Möglichkeiten sind formal auch an der Anapher bzw. dem Parallelismus zu erkennen, da alle mit den Worten beginnen: „Ich möchte“ (V.9/13/19). Dass das lyrische Ich am Ende „am liebsten sterben“ (V. 19) möchte, zeigt, dass es tief betroffen und enttäuscht ist, sich aber auch nach allumfassender Liebe sehnt. Da es diese jedoch nicht erreichen konnte, weil „das Ringlein zerbrochen ist“ (vgl. Titel) sieht es nur noch den Tod als Ausweg. Allerdings ist auch dies nur eine Wunschvorstellung, was durch den Konjunktiv in Vers 20 zum Vorschein kommt: „Da wär’s auf einmal still“ (V.20).

Das lyrische Ich befindet sich somit in einer verzweifelten Lage, da das Mühlenrad es ständig an die Geliebte erinnert. Das Fortträumen ist für das lyrische Ich eine Möglichkeit der Trauer zu entkommen. Es bringt gleichzeitig jedoch zum Ausdruck, dass es sich von der Erinnerung nicht befreien kann, weil er in dem Gedankenspiel gefangen zu sein scheint. Vor allem in den Gedanken und Vorstellungen des lyrischen Ichs lassen sich romantische Motive feststellen: Der Spielmann steht für das Reisen, die Freiheit und die Abenteuerlichkeit, den Gesang und die Unabhängigkeit. Der Reiter symbolisiert Leidenschaft, Heldentum und Lebendigkeit und das Feuer auf dem Feld die Naturverbundenheit in Verbindung mit der Nacht.

Diese romantischen Motive waren typisch in der Epoche des 18. Jahrhunderts. Die von den Romantikern oftmals thematisierte Aufbruchsstimmung lässt auf die damalige Unterteilung Deutschlands in viele Kleinstaaten beziehen. Die Romantiker forderten eine Betrachtung der Realität mit dem sogenannten zweiten Augenpaar, durch die man im Traum die Wahrheit erkennen sollte. Das Heimliche, Märchenhafte spielte eine Hauptrolle und leitete den Menschen zu einer gefühlsbetonteren Lebensweise, in der man die schönen Dinge wahrnehmen und den monotonen Alltag umgehen sollte, was sich auch in der Philisterkritik offenbarte. Auch galt die Natur als etwas Höheres, Schöneres und Magisches.

Dieses Menschenbild lässt sich in „Das zerbrochene Ringlein“ wiederfinden: Das lyrische Ich wünscht sich eine Frau und versucht dem Schicksal durch seine Träume zu entkommen. Der Traum und die dann erscheinenden romantischen Motive lenken das
lyrische Ich ab. Durch das Fortträumen kann das lyrische Ich die schönen Dinge wahrnehmen, jedoch wird diese Wunschvorstellung am Ende durch die Todessehnsucht abgelöst.

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