Hackl, Erich - Abschied von Sidonie (Zusammenfassung Erzählstil)

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Erich Hackl, Analyse, Inhaltsangabe, Referat, Hausaufgabe, Hackl, Erich - Abschied von Sidonie (Zusammenfassung Erzählstil)
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Referat

Abschied von Sidonie von Erich Hackl (Zusammenfassung + Analyse)

Erich Hackl (geb. 26. Mai 1954 in Steyr, Oberösterreich) ist ein österreichischer Schriftsteller und Kurzgeschichtenschreiber. Seine Werke wurden in die Sprachen Englisch, Spanisch, Französisch und Tschechisch übersetzt.Im deutschsprachigen Raum ist er jedoch deutlich bekannter.

kurze Zusammenfassung

Diese fiktionale wahre Geschichte, die in den 1930er Jahren in Österreich spielt, betrifft ein verlassenes Baby, das die Behörden wegen seiner Färbung als Zigeuner betrachten. Sidonie Adlersburg wird von einem Paar aufgenommen, das sie bis 1943 liebevoll als ihr eigenes aufzieht, als sie im Alter von 10 Jahren gewaltsam von ihnen getrennt, zu ihrer leiblichen Mutter zurückgekehrt und in ein Konzentrationslager gebracht wird, wo sie stirbt. In einem nachdenklichen letzten Kapitel stellt der Autor fest, dass jeder - von Sidonies Schulleiter über ihre Sozialarbeiterin bis hin zum Bürgermeister des Dorfes - ihren Tod durch ein paar einfache Worte hätte verhindern können, die keinen lauten Alarm ausgelöst hätten. Stattdessen starb ein kleines Mädchen vor ihrer Zeit. Eine kurze, aber bewegende Mischung aus Fakten und Fiktion.

Analyse

Der Roman Abschied von Sidonie von Erich Hackl erzählt die Geschichte eines Babys, das 1933 von seiner Roma-Mutter auf den Stufen eines österreichischen Krankenhauses verlassen wurde. Von dort aus wird das Mädchen in ein Kinderhilfswerk aufgenommen; schon nach wenigen Nächten wird es von seiner ersten Pflegemutter abgelehnt, weil die Familie es für zu schwarz hält. Ein zweites Paar, Josepha und Hans, die bereits einen Sohn haben, nehmen das Baby Sidonie auf und lieben es wie ihr eigenes. Aufgrund des historischen Umfelds können die Leser von der ersten Seite des Romans erahnen, was mit Sidonie passieren wird - tragischerweise wird sie im Alter von 10 Jahren zu ihrer leiblichen Mutter gebracht und dann mit dem Rest ihrer Familie in einen Zug nach Auschwitz gebracht. Der hochgeladene emotionale und politische Inhalt der Geschichte wird von einem Dritte-Person-Erzähler heruntergespielt, der fast die ganze Geschichte erzählt, als wäre es ein Bericht, ohne Emotionen, bis er auf den letzten Seiten einen abrupten narrativen Wechsel vollzieht. Diese Verschiebung zur Emotion stellt den sachlichen Ton in Frage und dient dem Thema, das der Roman äußerst gut durchleuchtet. Collageartig verbindet der Autor Originalzitate aus Archivdokumenten mit Zeugenberichten und eingefügten Kurzdialogen, die jedoch gerade in ihrer Nüchternheit beeindrucken und sich so gut in die Erzählweise nach Art eines Chronisten einfügen.

Drei Viertel des Romans werden von einem allwissenden Erzähler erzählt, der Ton ist äußerst leidenschaftslos. Der Roman klingt oft so, als würde der Erzähler aus einer objektiven Perspektive der dritten Person erzählen. Der Erzähler erzählt nur beobachtbare Tatsachen und Fakten. Selbst wenn wir in den Kopf der Charaktere gelassen werden, werden Gedanken in einem ähnlich sachlichen Ton beschrieben.

Dieser entfernte allwissende Erzähler bündelt über dreißig entscheidende Jahre in der Erzählung. Nachdem wir die Geschichte des Vaters aus dem Ersten Weltkrieg erfahren haben, werden wir Schritt für Schritt durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen geführt, mit einem subtilen Fokus auf Ereignisse, die schließlich zu Sidonies endgültigem Schicksal führen. Lebensverändernde historische Ereignisse werden wie im Vorbeigehen erzählt. Sogar Sidonies Perspektive, wer sie ist, wird auf diese Weise sachlich erzählt. Dieses Beharren auf einem emotionslosen Ton ist faszinierend und ein wenig rätselhaft. Beim ersten Lesen lässt sich nur erahnen, warum Erich Hackl diese Sichtweise für den Roman gewählt hat. Es könnte daran liegen, dass die Verwendung eines entfernten Tons die Distanz des Autors zu den aufgetretenen Ereignissen bestätigt. Er wurde in den 1950er Jahren geboren. Es könnte ein Versuch sein, die Emotionalität auf Distanz zu halten. Weil es eine Zeit in der Geschichte ist, die moderne Leser bereits mit vielen Emotionen verbinden, würde eine emotionale Stimme vielleicht die Wirkung sogar mindern. Oder es könnte das Gegenteil sein. Es ist eine Zeit, in der viele Menschen zu ihrem moralischen Nachteil den Fokus auf die Fakten gelegt haben, anstatt mit Menschlichkeit zu reagieren. Vielleicht spiegelt der Erzähler das wider? Es könnte auch sein, dass der Mangel an Emotionen besagt, dass keine Emotionalität als Reaktion auf das Geschehene ausreichen kann.

Aber dann, nach mehr als drei Viertel des Buches, kommt der Punkt in der Geschichte, wo Sidonie von der Sozialarbeiterin mitgenommen wird. Sie soll mit ihrer Familie in einem anderen Teil Österreichs wieder zusammengebracht werden. Sowohl Josepha als auch Hans haben versucht, dies zu verhindern, aber ohne ihr Wissen haben der Sozialarbeiter, der nichts anderes als positive Berichte über die Betreuung Sidonies geschrieben hat, und der Bürgermeister der Stadt, der Sidonie persönlich mag, diese Aktion unterstützt. Nach über hundert Seiten sachlicher Distanz entsteht ein nahezu emotionaler Ausbruch, eine überraschende und aufmerksamkeitsstarke Wendung in der Erzählweise. Zusätzlich erhalten wir eine Erklärung für den vorherigen Ton - der Erzähler glaubt, dass er sich versteckt hat. Mit diesem Bekenntnis schärft er sich in die Ereignisse der Vergangenheit ein und zeigt, wie einfach es ist, selbst schreckliche Ereignisse aus der Ferne zu betrachten. Während die leidenschaftslose Stimme zurückkehrt, verschwindet die Emotionalität des Ausbruchs nie.

Die letzten Seiten des Romans sind eine Art nachträgliche Abrechnung. Es wird weiter im früheren fernen Tonfall erzählt. Vielleicht ist es gerade diese menschliche Verleugnung nach dem Krieg, die die größte Emotion und Empörung verdient. Es erscheint plausibel, dass die ganze Geschichte leidenschaftslos erzählt wird, mit dem einen Ausbruch, um letztlich am Ende die Empörung des Lesers hervorzurufen.

Hackl durchbricht selten, aber dramatisch die kühle Distanz seines knappen, hochdetaillierten Stils. An nur zwei Stellen im gesamten Text erlaubt sich der Chronist einen persönlichen Kommentar. In Kapitel 7 bezeichnet er das Verhalten Frau Grimms, Frau Korns und der Honoratioren des Ortes als „Bestialität des Anstandes“. In Kapitel 8 schreibt Hakl, bevor er den Abschied von Mutter und Kind schildert. Das ist die Stelle, an der sich der Chronist nicht länger hinter Fakten und Mutmaßungen verbergen kann. An der er seine ohnmächtige Wut hinausschreien möchte.

Das Werk wurde von der Kritik positiv aufgenommen und bald in viele Sprachen übersetzt. „Abschied von Sidonie“ ist laut einem Artikel in der Bücherschau anlässlich des 60. Geburtstages von Erich Hackl „die ebenso präzise wie empathische literarische Bearbeitung eines unerhörten, jahrzehntelang verschwiegenen Falles“. Das Werk sei „nicht nur bedrückend“, sondern auch eine „Pflichtlektüre für geschichtlich interessierte Leser“. Hackl gelinge „der Brückenschlag von gut recherchierten Fakten zu einer in ihrer einfachen und klaren Sprache und existenziellen Unerbittlichkeit anrührenden Geschichte, die von der Brutalität und der Feigheit der Menschen berichtet“ [1].

Hintergrund

Im Jahre 1988 wurde in Sierning-Letten eine Gedenktafel am Jugendzentrum angebracht, die an Sidonie Adlersburg und den Völkermord erinnern soll. Der im Jahr 2000 neu eingeweihte Gemeindekindergarten wurde nach ihr benannt. Ein Denkmal, welches vor dem Kindergarten erbaut wurde, zeigt eine Mutter, die sich schützend über ihr Kind beugt.

Die Regisseurin Karin Brandauer drehte 1990 für das österreichische Fernsehen ein TV-Drama nach Hackls Erzählung, ebenfalls unter dem Titel „Abschied von Sidonie“. Die Rollen von Hans und Josefa Breirather wurden mit den österreichischen Darstellern Georg Marin und Kitty Speiser besetzt. Sidonie wurde von dem iranischen Mädchen Arghavan Sadeghi-Seragi gespielt, die große Ähnlichkeit mit Sidonie Adlersburg hat. 1990 wurde der Film für den Fernsehspiel-Sonderpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste nominiert.

Quellen

[1] Heim Mürzl, Berichterstatter und Mutmacher, in: Bücherschau 2, 2014, Nr. 2, S. 15 ff., hier S. 18

Wikipedia - Abschied von Sidonie

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