Kirsch, Sarah - Bei den weißen Stiefmütterchen (Gedichtinterpretation)

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Sarah Kirsch, Analyse, Interpretation, lyrisches Ich, Liebe, Referat, Hausaufgabe, Kirsch, Sarah - Bei den weißen Stiefmütterchen (Gedichtinterpretation)
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Referat

Gedichtsinterpretation „Bei den weißen Stiefmütterchen“

zur Autorin Sarah Kirsch

Sarah Kirsch wurde am 16. April 1935 geboren und verstarb am 5. Mai 2013. Sie war eine deutsche Dichterin.

Sie wurde als Ingrid Bernstein in Limlingerode, Preußisch-Sachsen, geboren. Sie änderte ihren Vornamen in Sarah, um gegen den Antisemitismus ihres Vaters zu protestieren. Sie studierte Biologie in Halle und Literatur am Johannes R. Becher Institut für Literatur in Leipzig. 1965 schrieb sie gemeinsam mit dem Schriftsteller Rainer Kirsch, mit dem sie zehn Jahre lang verheiratet war, ein Gedichtband. Sie protestierte gegen die Vertreibung von Wolf Biermann 1976. Dies führte zu ihrem Ausschluss aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Ein Jahr später verließ sie das Land selbst, war aber auch dem Westen gegenüber kritisch eingestellt. Sie ist vor allem für ihre Gedichte bekannt, aber sie hat auch Prosa geschrieben und Kinderbücher ins Deutsche übersetzt.

Kirsch erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter den deutschen internationalen Literaturpreis Petrarca-Preis 1976, den Peter-Huchel-Preis 1993 und den Georg-Büchner-Preis 1996. Von 1960-1968 war sie mit dem Lyriker Rainer Kirsch verheiratet. Sarah Kirsch starb im Mai 2013 an einer kurzen Krankheit.

Sarah Kirsch gilt als eine der bedeutendsten deutschen Lyrikerinnen. Ihre Lyrik ist von der Form her offen, meist ohne Reim und in freiem Versmaß. Dennoch spielt der Rhythmus im Sinne des Atemtempos eine große Rolle, ebenso Zeilenumbrüche und Zeilensprünge, durch die ein Strömen oder eine Atemlosigkeit erzeugt wird. Kirsch kombiniert häufig fachsprachliche oder altmodische Ausdrücke mit einem saloppen Ton.

Charakteristisch für ihre Metaphorik sind Bilder, die in Alltags-, Natur- oder Landschaftsbetrachtung ihren Ausgangspunkt nehmen, aber verfremdet werden oder eine überraschende Wendung nehmen. Sarah Kirsch kontrastiert dabei oft präzise Naturbeobachtung mit dem Gefühlsleben des lyrischen Ichs oder politischer Reflexion. Während in frühen Gedichten die Auseinandersetzung mit Krieg und Nationalsozialismus vorherrschte, dominiert später das Landschaftsgedicht und die Reflexion auf die zivilisatorische Weltkrise. Kirsch gehört zu keiner Schule, wird aber manchmal der Neuen Subjektivität zugeordnet. Als literarisches Vorbild nannte Kirsch Annette von Droste-Hülshoff, daneben ist ihr Werk durch Johannes Bobrowski und Wladimir Majakowski beeinflusst.

Interpretation / Analyse „Bei den weißen Stiefmütterchen“

Die Gedanken- und Liebeslyrik „Bei den weißen Stiefmütterchen“ von Sarah Kirsch aus dem Jahr 1967 (erschien in ihrem Lyrikband „Landaufenthalt“) behandelt das Schwanken zwischen Hoffnung und Enttäuschung einer Frau, deren Liebe nicht länger erwidert wird. Das Gedicht entspricht der neuen Subjektivität und befasst sich demzufolge mit Realitätstreuen Erfahrungen des lyrischen Ichs und seiner Befindlichkeit. Motive wie die Natur, Sehnsucht, Liebe, Verlust und Gefühl weisen auf einen Rückgriff auf die Epoche der Romantik und Moderne hin. Das Gedicht zeigt eine klare, gedankliche Gliederung, die sich in drei Abschnitte unterteilen lässt. Die erste Strophe enthält die These, dass ihr Geliebter nicht mehr erscheinen wird. Diese These versucht das lyrische Ich in der zweiten Strophe zu widerlegen, indem es nach Ausreden sucht die das fernbleiben des Geliebten rechtfertigen. In der dritten Strophe folgt schließlich die Einsicht des lyrischen Ichs, dass der Geliebte nicht mehr erscheinen wird.

Das Gedicht ist durchgängig aus der Position des lyrischen Ichs geschrieben, welches sich in einem Dialog mit der Weide befindet. Die drei Strophen folgen keinem Reimschema. Das Metrum ist unregelmäßig und es sind kaum Satzzeichen vorhanden, dies bestätigt die Unsicherheit des lyrischen Ichs und vermittelt dem Leser eine Realitätsnähe. Der Hakenstil des Gedichts führt zu einem schnellen in sich verschlungenen Sprachfluss, der die Anspannung der Frau nochmals unterstreicht. Zwischen der Weide und dem lyrischen Ich herrscht eine Verbundenheit, da sich die Geliebten schon bei ihren bisherigen Verabredungen unter der Weide in diesem Park getroffen haben und die Weide um die Gefühlswelt des lyrischen Ichs bescheid weiß. Die alte Weide verkörpert Weisheit und steht somit im Kontrast zur Unsicherheit der Frau. Sie nimmt eine optimistische Haltung ein und hofft bis zur dritten Strophe auf das erscheinen des Geliebten. Dagegen nimmt die Weide eine pessimistische als auch provokante Haltung gegenüber dem lyrischen Ich und dessen Hoffnung ein.

Das Gedicht ist durch seine bildliche Sprache geprägt. Bereits in der ersten Zeile des Gedichtes befindet sich eine Metapher. Die Farbe weiß drückt die Unschuld aus und die Stiefmütterchen stehen metaphorisch für einen verlassenen Menschen. Zusätzlich symbolisiert die Weide mit ihren hängenden Ästen eine Trauerweide und spiegelt die Enttäuschung der Frau wieder. Die Metapher der „ungekämmten Alten“ nimmt sowohl Bezug auf die Weide als auch auf die Frau, die für ihren Geliebten anscheinend an Reiz verloren hat. Die Tatsache, dass die Weide „blattlos“ ist, symbolisiert Leblosigkeit und ihr zu Grunde gehen. Übertragen auf das lyrische Ich bedeutet dies, dass es sehr unter dem Verlust seines Geliebten leidet. Der Vers „als er dich untern Mantel küsste“ deutet auf die Zärtlichkeit und Sexualität zwischen den Geliebten hin, dies steht im Kontrast zu der Metapher der weißen Stiefmütterchen, die die Unschuld des lyrischen Ichs ausdrücken. Trotz der Enttäuschung gesteht sie sich letztlich ein, dass sie lieber auf dessen Liebe verzichtet, als ihn durch den Tod für immer zu verlieren.

Abschließend lässt sich herausstellen, dass die Funktion des Gedichtes dem Ausdruck von Gedanken, Hoffnung und des Schmerzes des lyrischen Ichs dient. Die Enttäuschung der Frau stellt Sarah Kirsch auf sehr realitätstreue Weise heraus und bezieht bewusst die Natur ein, um die Einsamkeit der Verlassenen durch die Stiefmütterchen und die Trauerweide, zu betonen.

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