Lessing, Gotthold Ephraim - Nathan der Weise (Analyse 2. Aufzug, 5. Auftritt; Seiten 60-66)

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Referat

Szenenanalyse des Dramas Nathan der Weise (2. Aufzug, 5. Auftritt)

In der vorliegenden Szene (2. Aufzug, 5. Auftritt; S. 60-66) aus dem Drama ‚‚Nathan der Weise’’ von Gotthold Ephraim Lessing wird die Gleichheit der Menschen unabhängig von Religion, Herkunft oder Aussehen, sowie die Befreiung von Vorurteil und Dogmatismus thematisiert. Dies geschieht am Beispiel des Tempelherrn.

Zu Beginn der Szene steht Nathan vor dem Haus und sieht den Tempelherren, den er kurz darauf anspricht, um sich bei ihm für die Rettung seiner Tochter Recha zu bedanken. Der Tempelherr verhält sich gegenüber Nathan arrogant und erklärt ihm, die Tat gründe sich auf seine Pflichten als Tempelherr. Nathan jedoch beharrt auf eine Geste, die seinen Dank ausdrücken soll und bietet dem Tempelherrn an, ihm seinen Mantel zu flicken; dieser hatte bei der Rettung Rechas aus dem Brennenden Haus ein Brandfleck mitgetragen, den Nathan gleich küsste als er ihn bemerkte. Schließlich beginnt der Tempelherr, Nathan nicht mehr auf seine Religionszugehörigkeit zu reduzieren und spricht ihn mit seinem Namen an. Im Laufe des Gesprächs überzeugt Nathan ihn mit schlüssigen Argumenten von seinem Weltbild und befreit den Tempelherrn von seinem Vorurteilsdenken.

Das Gespräch zwischen den beiden Figuren lässt sich in drei Phasen einteilen. Zu Beginn des Gesprächs herrscht eine angespannte Stimmung; die Arroganz und das schroffe Verhalten des Tempelherren gegenüber Nathan führt dazu, dass sich eine Art Konflikt zwischen den Figuren aufbaut. Doch im Laufe des Gesprächs beginnt eine Annäherung der Figuren zueinander. Nathan kann mit seiner Argumentation das Denken des Tempelherren immer weiter verändern und ihn von seinem Grundgedanken über die Gleichheit der Menschen zu überzeugen.

Am Ende des Gesprächs erkennt der Tempelherr den Vernunftgedanken Nathan’s als seinen eigenen an und bemerkt, dass sich der Gedanke, mit dem Nathan sich identifiziert, mit dem seinen abgleichen lässt. Zwischen ihnen herrscht eine Verbindung, die sie am Ende des Gesprächs mit einem Handschlag als Freundschaft bezeichnen.

Nathan erfüllt in dem Gespräch die Funktion des Aufklärers, indem er dem Tempelherrn seinen Vernunftgedanken beziehungsweise seinen Toleranzgedanken mit einer überzeugenden Argumentation vermittelt. Dies lässt sich durch die sprachliche als auch inhaltliche Gestaltung des Textes nachweisen.

Nathan beginnt das Gespräch mit übermäßiger Höflichkeit und verwendet Floskeln wie ,,Verzeihet edler Franke.’’ (V. 1199) oder ,,Dass ich mich untersteh’’ (V. 1201) um den Tempelherren zu schmeicheln. Schon am Anfang des Gesprächs macht er deutlich, dass er an das gute im Menschen glaubt. Dabei verwendeter eine Metapher : ,,Die Schale kann nur bitter sein, der kern ist’s sicher nicht.‘‘.

Trotz der Höflichkeit Nathans, reduziert der Tempelherr ihn auf seine Religionszugehörigkeit und spricht ihn mit ,,Jude‘‘ (V. 1200) an. Damit zeigt er seine Ablehnung und das Misstrauen, das er Nathan gegenüber verspürt, sehr deutlich. Selbst die Hilfsbereitschaft, die er Nathans Tochter Recha hat zukommen lassen betitelt er als Pflicht, sei es auch ,,nur das Leben einer Jüdin” (V. 1219 f.) gewesen, das er beschützt hat. Somit wertet er nicht nur die Familie Nathans ab, sondern präsentiert offen, das er die jüdische Religionszugehörigkeit abwertend findet und missbilligt.

Seine Vorurteile werden noch deutlicher, als er auf die Großzügigkeit Nathans mit einem schroffen Kommentar reagiert: ,,Der reichre Jude war mir nie der bessre Jude” (V. 1232). Als Nathan den Mantel, beziehungsweise den Brandfleck auf dem Mantel des Tempelherrn küsst, reagiert der Tempelherr zum ersten mal mit einer persönlichen anrede Nathans: ,,Aber Jude, ihr heißet Nathan?´´ (V.1259 f.) und äußert sich zudem noch positiv ihm gegenüber: ,,Ihr setzt eure Worte [...] sehr gut’’ (V.1260); trotzdem reagiert er kurz darauf wieder zurückweisend, in dem Versuch, seine Haltung zu wahren.

Nathan jedoch bemerkt, dass der Tempelherr langsam beginnt, an dem schlechten Bild des Juden zu zweifeln, sich aber noch nicht ganz überzeugen lässt. Er führt das Gespräch auf eine allgemeine Ebene: ,,Ich weiß wie gute Menschen denken [...] , dass alle Länder gute Menschen tragen.‘‘ (V. 1273 f.). Er beteuert, dass jeder Mensch im inneren gut ist und gutes anstrebt. Nathan verdeutlicht seinen Toleranzgedanken mit einer Metapher in der Natur. Er vergleicht die Situation mit dem Wald, in dem jeder Baum dem anderen die Möglichkeit geben soll, zu wachsen und ich nicht wegen des Aussehens zu verurteilen: ,,nur muss der eine nicht den andern mäkeln“ (V. 1283). Er spricht hier von einer wechselseitigen Toleranz, die er auf menschliche Ebene übertragen als Grundeinstellung eines jeden fordert.

Im folgenden Abschnitt begründet der Tempelherr die Herkunft seiner Ablehnung gegen den Judentum. Er hält an dem Gedanken fest, dass diese ,,Menschenmäkelei“ (V. 1288) beim Judentum begonnen habe und der ,,Stolz“ (V. 1292) vom Judentum ausginge . Er betrachtet den Judentum als die Religion, die mit der ,,fromme[n] Raserei“ (V. 1297) begonnen habe und nennt dies als Grund für seine abwertende Betrachtung der Religion.

Nathan fühlt sich dadurch jedoch nicht persönlich angegriffen; ihm ist es egal, wie der Tempelherr über sein Volk denkt, denn er selbst habe sich sein Volk genauso wenig wie der Tempelherr ,,auserlesen“ (V. 1308).

Daraufhin vertieft Nathan den Gedanken der Gleichheit der Menschen. Dies geschieht durch die Formulierung von Rhetorischen Fragen. Er wirft eine entscheidende Frage in den Raum: ,,Sind wir unser Volk [...] eher [...] als Mensch?“ (V.1308 ff.). Damit sagt er klar und deutlich, dass er die Zugehörigkeit zu einem Volk, also die Nationalität und Herkunft, sowie das Aussehen oder die Religion nicht einen Menschen definiert.

Er übt hiermit auch Kritik an die Religionen, die den Menschen auch dazu bringen würden, sich nur noch mit ihr zu identifizieren und das wesentliche, also die Gleichheit aller Menschen zu vergessen. Das führt dazu, das der Gedanke der Toleranz untereinander vergessen wird. Als der Tempelherr erkennt, dass die Gedanken Nathans im Grunde den seinen entsprechen, bestätigt er das gleiche Menschenbild mit einem Handschlag (,,eure Hand“, V. 1314). Zwischen den beiden Figuren herrscht eine starke Verbindung, die beide als Freundschaft erkennen. Dass beide die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen festgestellt haben, zeigt sich auch, als der Tempelherr sagt: ,,wie müssen Freunde sein“ (V.1319). Am Ende des Gesprächs vermittelt der Tempelherr durch die Art und Weise , wie er von Recha spricht, dass er Interesse an ihr hat und sich um sie sorgt obwohl er nicht ihr Vater ist: ,,Unsrer Recha“ (V. 1326).

Zusammenfassend kann man sagen, dass der in der Szene dargestellte Lernprozess beim Tempelherren durch Nathan erfolgt. Nathan, der aufklärerische Gedanken verkörpert, vermittelt dem Tempelherrn durch seine auf Vernunft basierte Argumentation sein Welt- und Menschenbild. Er postuliert, dass alle Menschen gleich sind und fordert von den Menschen gegenseitige Toleranz. Zudem beteuert er, dass er an das Gute im Menschen glaubt und grundsätzlich gute Taten vollbringen möchte. Damit spricht er den Grundgedanken Immanuel Kants an, den dieser bei dem Begriff des Kategorischen Imperativs formuliert. Weiterhin plädiert er darauf, dass es auf die inneren Werte eines Menschen ankommt, man ihn also nicht mit seiner Nationalität oder seinem Aussehen charakterisieren sollte.

Er übt auch Religionskritik und verlangt, dass man sich nicht nur unter den Menschen, sondern auch unter den Religionen auf den Toleranzgedanken stützen sollte. Die Funktion als Aufklärer wird nicht nur in dieser Szene, sondern im ganzen Drama von Nathan erfüllt.

Die Szene zeigt, dass man durch vernünftige Denkweise (in dem Fall durch Nathan) den Dogmatismus und auch Vorurteilsdenken in Bezug auf Religion überwinden kann und die Vernunft ein Maßstab für das gute Handeln und das richtige Denken ist.

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