Fried, Erich - Bruchstück (Gedichtinterpretation)

Schlagwörter:
Erich Fried, Gedichtinterpretation, Interpretation eines Gedichtes, Strophen, Verse, lyrisches Ich, Glas, Referat, Hausaufgabe, Fried, Erich - Bruchstück (Gedichtinterpretation)
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Referat

Erich Fried - Bruchstück (Interpretation eines Gedichtes)

Die eigene Abhängigkeit von einem individuellen Ankerpunkt oder der schleichende Prozess des Kontrollverlustes bis hin zur eigenen Selbstzerstörung kann früher oder später, durch Traumata oder Verlust, trauriger Teil unseres Lebens werden. Gerade nach schweren Kriegszeiten, wie sie Erich Fried in seiner Jugend selbst erlebte, sehen wir uns dazu verleitet nur noch rein instinktiv zu handeln und einen gesunden Umgang mit uns selbst außenvorzulassen. Gerade nach einer solchen Zeit widmete sich Erich Fried (1921-1988) diesem einen Vorgang wie er in uns allen zustande kommen kann. In dem Gesellschaftsgedicht „Bruchstück“, beschreibt der Autor vermutlich einen inneren Vorgang, welcher sich mit der eigenen Ignoranz, Selbstwahrnehmung und individuellen Abhängigkeiten beschäftigt.

Aufgrund der präzise gewählten Worte und dem hohen Gehalt an bildlicher Darstellung, bricht dieses Gedicht einen Bereich im Leser auf, in welchem er gezwungen wird den, vorerst nichts aussagenden Sätzen Zugang zu seinen eigenen „aufrichtigen“ Hinwendungen zu erteilen. Man betritt einen scheinbar nichtssagenden Raum, der völligen Auseinandersetzung mit den Gedanken des Dichters im Dialog mit sich selbst. Es besteht aus lediglich zwei Strophen mit je vier Versen. Beschrieben wird, in personifizierter Form, ein gläserner Gegenstand, der zu Boden fällt wie im Titel bereits angedeutet, worauf ein Monolog oder Gedankengang des lyrischen Ichs folgt. Typisch für Gedichte aus der Zeit Erich Frieds; besitzt es keine besonderen Merkmale wie ein Versmaß oder eine Reimform. In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich lediglich einen Zustand. Dieser gewinnt von Vers zu Vers an Fahrt. Vom lobenden Glas (vgl. V.1) zum befreienden Klirren (S1V4). Diese Reihenfolge oder Zuspitzung verleitet das lyrische Ich dazu, ein Licht das es nicht mehr erleuchtet nach innen zu spiegeln (S2V1-4). Unterstrichen wird dies unter anderem durch den Fluss des Gedichtes.

In der ersten Strophe nahezu einheitlich und ab der zweiten bewusst so gestellt, dass beim Lesen die Zusammenhänge klargestellt werden und nicht durch willkürliche Anordnung an Sinn verlieren. So trennt sich der erste und zweite Vers von den dritten und vierten. Betont wird hier: „Langsam“ (S2V3) und „Nach innen“ (S2V4). Am auffälligsten am gesamten Gedicht ist wahrscheinlich der gläserne Gegenstand, der zerbricht und dazu führt, dass das lyrische Ich dem entsprechend reagiert. Eine künstliche Lichtquelle liegt hier als Bild am nächsten. Das lyrische Ich befindet sich in einer gewissen Abhängigkeit zur möglichen Lichtquelle. Ohne diese ist es nicht mehr in der Lage sich zu erleuchten. Beispielsweise eine bestimmte Bindung wie an einen Menschen, eine Tätigkeit, ein Gefühl oder einen Sinn usw. welches benötigt wird, um sich selbst beispielsweise bestimmt, bestätigt oder angenommen und geliebt zu fühlen. Brechen diese Bindungen weg, so ist der Mensch einem natürlichen Reflex verfallen, der ihn notdürftig „erleuchtet“. Zielgebend eine andere Person oder einen Gegenstand oder ein Gedanke, der die oben genannten Eigenschaften mehr oder weniger erfüllt. Wie in der ersten Strophe beschrieben, befindet sich dieser Vorgang in einem Prozess. Erst ist das Glas (S1V1), dann kommt der Fall (S1V2). Die Splitter holen (S1V3) einen ein, doch man ist befreit vom Klirren (S1V4). Somit kündigt sich ein Kommen dieses Prozesses an, wird dieser jedoch bewusst oder unbewusst verdrängt, so endet dies in der zwanghaften Haltsuchung des Menschen, ohne die er, geglaubter Masen, nicht leben könnte.

Als herausstechend ist vor allem der Begriff Glas, welcher in Verbindung mit Reinheit oder Klarheit steht und noch dazu sehr zerbrechlich ist. Wird man selbst von dieser Wahrheit oder Reinheit gelobt, so bestätigt es die angebliche Sicherheit, die man in der empfundenen Bindung verspürt. Von einer Abhängigkeit ist noch nicht die Rede, solange man selbst vom „freien Fall“ dieser gesegnet wird, also Zuspruch erfährt. Die Splitter, von welchen man eingeholt wird, lassen dann keinen Zweifel an einem Verlust besagter Abhängigkeit. Mit der Befreiung vom Klirren (S1V4), also dem Verhallen oder dem „Nachtrauern“ wird dieser Prozess abgeschlossen. Hier hat man sich zu entscheiden wie man weiter vorgeht. Sucht man sich wo anders Halt oder verzweifelt man am Verlust des ersten? Das lyrische Ich in dem Fall entscheidet sich für letzteres. Besonders hier ist das Wort „spiegle“ (S2V1). Ein aktiver Vorgang, in welchem man versucht einen Lichtstrahl umzulenken. In dem Fall, das Licht, welches das lyrische Ich nicht mehr erleuchtet, was die letzte These bestätigen könnte. Das langsame Spiegeln könnte auf die Verzweiflung hindeuten, in welcher man mit aller Kraft versucht der „Abhängigkeit“ noch ein wenig Gewicht zuzusprechen.

Zusammenfassend also könnte sich das lyrische Ich sich in einer engen Bindung zu beispielweise einer Person oder Lebenssinn befinden, welche/r unmittelbar mit einem „notwenigen“ Gefühl verknüpft ist. Dieses jedoch zerbricht und stellt das lyrische Ich vor die Frage des weiteren Vorgehens. Anstelle sich Halt wo anders zu suchen greift es, vermutlich reflexartig, zur Aufrechterhaltung der ersten Bindung. Dadurch erhält dieses Gedicht noch auf lange Zeit seine durchaus gerechtfertigte Bedeutung und passt aufgrund der verwendeten Form und Thematik, zur Zeit des zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit. Das genaue Veröffentlichungsdatum ist jedoch unbekannt. Mit Frieds jüdischem Jugendleben in Verbindung gebracht, könnte es sogar Aufschluss über die im Krieg herrschenden Zustände geben. Beispielsweise wenn man, alleine, nachts im Graben, neben sich die toten Kameraden liegend, von Schüssen und Tod umgeben, auf den nächsten Befehl wartet. Oder wenn man vor Tod und Verfolgung, den ermordeten Vater im Kopf, über Belgien nach England flieht. Insofern weist Fried in poetischer Darstellungsweise auf, uns größtenteils nicht bekannte, Phänomene hin, welche schnell zu einem entscheidenden Bestandteil unseres Lebens werden können.

Anmerkungen des Autoren: Anforderungen wurden nahezu vollständig erfullt. Waldorfschule: Deutsch Kl.12

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