Mann, Klaus - Mephisto (fiktiver Brief der Mutter an Hendrik)

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Referat

Klaus Mann - Mephisto. Roman einer Karriere

Ein Brief an den Protagonisten Hendrik Höfgen. Der fiktive Brief ist aus der Perspektive seiner Mutter in Bezug auf sein falsches Handeln geschrieben.

Berlin, den 3. März 1942

Mein lieber Hendrik,

Francesco Domenico Guerazzi, ein italienischer Dichter und Freiheitskämpfer, sagte einmal, Ruhm sei „der Schatten, der den Erfolg begleitet.“

Ich habe immer an dich geglaubt, das weißt du. Habe bei deinem Handeln und den Entscheidungen, die du getroffen hast bzw. treffen musstest, nie an deinem guten Willen gezweifelt. Für mich warst, bist und wirst du immer mein Hendrik bleiben, mein Sohn. Du hattest es nie leicht. Dein Vater hatte Schulden. Wir waren arm. Sich eine ruhmreiche Karriere aufzubauen, wenn man aus kleinbürgerlichen Verhältnissen kommt ist nicht leicht. Und ich konnte deine Begeisterung für das Theater und den Glanz gut nachvollziehen- etwas in der Welt zu sein, etwas darzustellen. Aber mein lieber Sohn, du hast den falschen Weg gewählt. Dein maßloser Ehrgeiz lies dich jeglichen Sinn für die Realität verlieren. Du erkanntest zu spät, dass der Preis dafür den Verlust deiner Identität bedeutete.

Es fing doch alles damit an, als du erst 18 Jahre alt warst. Du ließt deinen Namen ändern, aus Heinz wurde Hendrik Höfgen. Dein Name war für dich mehr als eine Personalbezeichnung, für dich bedeutete er eine Aufgabe und Verpflichtung. Doch hast du dabei jemals an uns, an deine Familie gedacht? Schon ab diesem Zeitpunkt begann sich eine gewisse Distanz zu entwickeln, schon hier hast du einen Teil von dir aufgegeben. Deine Kindheit, all die Jahre bei Vater, Josy und mir- für dich gehörte es schon jetzt der Vergangenheit an. Haben wir dich nicht nach moralischen Werten erzogen, dich Ehrlichkeit gelehrt und dir beigebracht, Verantwortung zu übernehmen? Deine Sucht nach dem Ruhm, dem Erfolg in der Hauptstadt ließ dich das vergessen, der Glanz machte dich zu einem egoistisch denkenden Mensch, moralische Dinge blieben auf der Strecke. Deine Beziehungen zu Frauen und auch zu Kollegen, sie waren für dich nur noch Mittel zum Zweck. Ich denke nur an Barbara, du sagtest du würdest sie lieben. Du betörtest sie mit deinen schmeichelnden Worten. Doch an dem Tag, als wir im Hause der Bruckners eingeladen waren, ich sah- ich spürte, dass es bei dir noch etwas anderes war, das dich magisch anzog. Es war die Chance, auf deiner Karriereleiter ein Stück höher zu kommen. Du heiratetest sie doch nur Berechnung, denn Geheimrat Bruckner war ein einflussreicher Mann und das war günstig für deine Karriere. In meinem Innersten hoffte ich, dass ihr glücklich werden würdet. Doch als ich in dein Gesicht blickte, wusste ich, dass es nicht von Dauer sein wird. Und es machte mir Angst. Mein Sohn, ein Heuchler. Ich verdrängte den Gedanken, doch im Laufe der Jahre kam er immer wieder. Ich sah zu, wie du in dein Unglück ranntest, ich glaubte an dich. Ich dachte immer, du würdest schon wissen, was du tust. Barbara war eine gute Frau, sie wollte dir dein guter Engel sein, doch aus deinem „guten Engel“ war dein schlechtes Gewissen geworden. Du bemühtest dich um sie, doch sie brauchte keinen Mann, für den erst der Ruhm und die Karriere kamen und dann die Liebe. Barbara war auch nur eine Frau, die sich nach Liebe sehnte. Das konntest du ihr nicht geben. Sie zog sich von dir zurück und wie du selbst weißt, kam es nach ihrer Emigration nach Frankreich zum endgültigen Bruch- zur Scheidung. Du verlorst sie durch deinen übersteigerten Egoismus. War es das wert?

Du wurdest zum Spielball der Macht. Selbst deine politischen Ideale hast du verraten, deine politische Gesinnung verloren. Du behauptetest, die Nationalsozialisten zu verabscheuen und gabst dich als stark links zu erkennen. Du hegtest einen Hass gegen den Kapitalismus und den Nationalismus. Doch nach der Machtergreifung Hitlers kehrtest du im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern (Barbara), die im Exil blieben, nach Deutschland zurück. Du wurdest vom Künstler zum Komödianten. Und du hast diese Wandlung nicht einmal mitbekommen. Du wurdest zum Heuchler. Mein Sohn, war es das wert? Du wolltest doch ein berühmter Schauspieler werden. Berühmt warst du jetzt, aber ein ernsthafter Schauspieler? Nein, jetzt konntest du den Ansprüchen eines Künstlers nicht mehr gerecht werden. Dir fehlten jegliche Wertmaßstäbe, künstlerische und ethische Ansprüche. Du wurdest zum Zerrbild eines Künstlers, zum Verführer der Menschen, zu einem charakterlosen Schauspieler. Ehrgeiz, Rachsucht, Eitelkeit und Egoismus bestimmten dein Wesen. War es das, was du erreichen wolltest, mein Sohn? Du wolltest doch etwas ganz anderes. Ja, du wolltest Erfolg, Ruhm und auch Glanz, aber du bist nicht über deinen Schatten gesprungen, den Schatten, der den Erfolg begleitet. Vor lauter Glanz hast du den Menschen in dir vergessen. Du sahst, hörtest- du merktest nichts mehr. Du warst eingesperrt in deinen Ehrgeiz wie in ein Gefängnis. Die Natur nahmst du kaum noch war, nur Premieren zählten, Termine- deine Karriere. Du hattest kein Lebenszentrum. Auf welchen Tag wartetest du mein Sohn? Gab es etwas anderes als das Warten auf „die neue Rolle“? Du warst blind und taub für alles, was um dich herum geschah. Du schautest nicht mehr in das Innere der Menschen, weder das von Barbara, noch das von deinem Freund Otto Ullrichs. Die Tatsache, dass du dich nicht als Nazi sahst und dich nur dein schlechtes Gewissen dazu brachte, deinen kommunistischen Freund aus dem KZ zu befreien, zeigte deine Falschheit. Selbst die Beziehung zu uns- deiner Familie, blieb auf der Strecke. Immer wieder schwor ich mir, mit dir zu reden. Doch du hattest nie Zeit, du warst immer zu beschäftigt. Andererseits hätte es wahrscheinlich nicht viel gebracht bzw. ändern können. Du warst viel zu fern von der Realität, um überhaupt noch eine andere Meinung als deine als geltend zu betrachten oder überhaupt anzunehmen. Ich als deine Mutter fühlte mich hilflos. Ich wollte dir helfen, doch ich wusste, nur du allein hättest etwas an deiner Lebenssituation ändern können. Und wenn du behauptest, dass niemand an deiner Stelle so viel Glanz ausgeschlagen hätte, liegst du falsch. Was ist mit eben diesem Freund- Otto Ullrichs? Im Gegensatz zu dir hat er den Glanz ausgeschlagen. Er ist nicht zum Spielball der Macht geworden. Er hat seine Identität nicht verloren. Während du deine „glühende Gesinnung“ verraten hast, ist er seinem kommunistischen Glauben treu geblieben. Weißt du noch, ihr wolltet das „Revolutionäre Theater“ gründen. Auch wenn es viel Stärke und Mut bedurfte- dein Freund hat seine politischen Ideale nicht verraten. An seinem Beispiel zeigt sich doch, dass es möglich ist. Ernsthaftigkeit gehört dazu, genauso wie Tapferkeit und Entschlossenheit.

Doch Hendrik, mein lieber Sohn, du warst zu blind vor all dem Ruhm und dem Glanz.
Ich als deine Mutter spürte in was für einem Teufelskreis du dich befandest. Die unsichtbare Gefahr war da, die Gefahr, dass du dich verlieren könntest. Doch du sahst es nicht, du erkanntest es erst zu spät. Nicht nur auf der Bühne spieltest du eine Rolle; dein Leben war ein einziges Schauspiel geworden. Du wurdest zum Mitläufer, durch den das System überhaupt entstehen und bestehen bleiben konnte.

Deine ganze Schuld, dein großes Versagen - ich kann es verstehen. Ich begreife es. Aber mein lieber Sohn, ich habe die Hoffnung in dich noch nicht ganz verloren.

Denke daran: „Es ist niemals zu spät, vernünftig und weise zu werden; es ist aber jederzeit schwerer, wenn die Einsicht spät kommt, sie in Gang zu bringen.“ (Immanuel Kant)


In Liebe,

Deine Mutter

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