Hebbel, Friedrich - Agnes Bernauer

Schlagwörter:
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Referat

Friedrich Hebbel - Agnes Bernauer


Inhalt

  1. Aus Hebbels Leben
  2. Entstehung der „Agnes Bernauer“
  3. Historischer Hintergrund des Dramas
  4. Gang der Handlung
  5. Charaktere der Protagonisten
  6. Hebbels Abweichungen von der Geschichte
  7. Die tragischen Ansichten Hebbels
  8. Rezeption


1. Aus Hebbels Leben
Friedrich Hebbel, Sohn eines Maurers, wurde am 18. März 1813 im holsteinischen Wesselburgen geboren, wo er unter ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Im Alter von 14 trat er in den Dienst des Kirchenspielvogts ein (= Pfarrbezirksaufseher). Dort arbeite er sich vom einfachen Laufburschen zum Schreiber hinauf. Mit der Hilfe von Elise Lensing, einer Schneiderin, versuchte er sich weiterzubilden, führte ein zähes Selbststudium durch und verbesserte damit seine Schulkenntnisse. Er arbeitete so hart an sich, dass er ab 1836 in Heidelberg und München Jura und Gesichte studieren konnte.

Während seines Studiums hatte er ein Verhältnis mit Elise Lensing und hatte mit ihr zwei uneheliche Söhne. Noch während dieser Zeit entschied er sich, sich ganz der Literatur zuzuwenden und brach sein Studium ab. Seine ersten dramatischen Arbeiten schrieb er in München, war aber auch lange Zeit in Hamburg tätig. Nachdem er ein Reisestipendium der dänischen Krone erhalten hatte, reiste er nach Rom, Paris und zum Schluss nach Wien. Dort fand er in der Burgschauspielerin Christine Enghaus eine Lebensgefährtin. Am 13. Dezember 1863 starb er in Wien an Knochenerweichung = Reumathismus).

Neben „Agnes Bernauer“ schrieb er unter anderem noch

  • das Trauerspiel „Maria Magdalena“ (1844)
  • die Tragödie in Blankversen „Herodes und Marianne“ (1850)
  • das Epos „Mutter und Kind“ (1852)
  • „Erzählungen und Novellen“ (1855)
  • die Verstragödie „Gyges und sein Ring“ (1856)
  • die Tragödientrilogie „Die Nibelungen“ (1862)


2. Entstehung der Agnes Berauer
Die Wiener Revolution von 1848 hat in Friedrich Hebbel die Überzeugung entstehen las-sen, dass sich die „ewige Ordnung der Dinge“ vor allem im politischen Umfeld zwar erneuern, aber nicht aufheben lassen kann. Im selben Jahr schrieb er in sein Tagebuch, dass im sittlichen Staat jeder Empörungsver-such immer zugleich ein Selbstmordversuch sei, denn da das Individuum nur durch den Staat existiere, so würde es sich in ihm vernichten. Er fasste den Plan, in einem Werk den Staat als bleibende Größe darzustellen, an der jeder Auflehnungsversuch eines Individuums scheitern muss. Allerdings fehlte ihm eine geschichtliche Vorlage, die diesen Vorwurf demonstrieren könnte. Er suchte nach einem Stoff, der die abstrakte politische Idee mit einem großen menschlichen Schicksal verband.

Wie er genau auf das Schicksal der Agnes Bernauer kam und welche Quellen er im Ein-zelnen heranzog, ist leider nicht bekannt. Aber die Geschichte der Augsburger Baderstochter war damals allgemein bekannt und aus seinen Tagebucheinträgen wissen wir, dass er sich mit dem 1780 entstandenen Ritterschauspiel „Agnes Bernauer“ von August Graf von Törring gründlich auseinander gesetzt hat.

Das Angebot des bayerischen Königs, für sein Werk in den geheimen Archiven zu recherchieren, lehnte er ab. Er wollte nicht einfach einen historischen Vorgang wiedergeben, sondern ihn als Beispiel für seine tragische Grundidee verwenden. Zusätzliche Einzelheiten zu dem Geschehen interessierten ihn daher nicht. Am 22. September 1851 begann er mit der Niederschrift, die er bereits am 17. Dezember desselben Jahres abschloss. Er arbeitete in aller Stille daran und wollte sich nicht von – wie er in sein Tagebuch schrieb – „vermaledeiten Zeitungsnotizen“ begleitet wissen. In nur drei Monaten schuf er ein Werk, von dem er selber sagte:

„Mir ist bei der Arbeit unendlich wohl zumute gewesen, und abermals hat sich’s bestätigt, was ich freilich schon oft an mir selbst erfuhr, daß (sic) in der Kunst das Kind den Vater, das Werk den Mister belehrt. Nie habe ich das Verhältnis, worin das Individuum zum Staat steht, so deutlich erkannt wie jetzt, und das ist doch ein großer Gewinn.“


3. Historischer Hintergrund des Dramas
Bayern war zu Beginn des 15. Jahrhunderts, in dem die Geschichte um Agnes Bernauer tatsächlich stattgefunden hat, in die drei Herrschaftsbereiche aufgeteilt:

  • in Oberbayern-Ingolstadt (regiert von Herzog Stephan),
  • in Oberbayern-München (regiert von Johann, später von Ernst [1397-1438] und seinem Bruder Wilhelm, der 1435 starb)
  • und Niederbayern-Landshut (regiert von Friedrich).

Zwischen den Brüdern kam es immer wieder zu Kriegen und Auseinandersetzungen um die Vormachtstellung. Sie empfanden die Teilung wechselseitig als ungerecht und so kam es 1429 zu einer erneuten Teilung der Region um Straubing, die begleitet war von Heerzügen, Belagerungen und Fehden zwischen den Brüdern. Albrecht, der einzige Sohn Herzog Ernsts, wurde als Verwalter für den Straubinger Landteil eingesetzt. Er war zunächst mit Elisabeth der Gräfin von Württemberg verlobt. Dies wäre eine standesgemäße Verbindung gewesen und Albrecht hätte dadurch auch später die Nachfolge von Herzog Ernst antreten können. Elisabeth löse allerdings die Verlobung. Später heiratete Albrecht heimlich die Augsburger Baderstochter Agnes Bernauer, eine Bürgerliche aus anrüchiger Herkunft. Die Heirat sah der Vater als ein Hindernis für eine standesgemäße Ehe, die Zugewinn und Sicherung der Macht versprach; Ernst ließ die Frau daher gefangen setzen und als Hexe verurteilen, während Albrecht nach Landshut zur Hirschjagd weggelockt worden war.

Vater und Sohn söhnten sich recht schnell wieder aus und Albrecht heiratete etwas später Anna von Braunschweig. 1447 fiel das Herzogtum Ingolstadt endgültig an Landshut, 1465 wurden die Teile vereinigt zum Herzogtum Bayern. Von Zeitgenossen wird Albrecht als friedfertig beschrieben. Er bekämpfte das Raubritter-tum und schloss Landrieden. Außerdem führte er eine Klosterreform durch. Daher kommt wohl auch sein Beiname „der Fromme“.


4. Gang der Handlung
Herzog Albrecht ist Verwalter des Landteiles Straubing. Seine Verlobte, Elisabeth von Württemberg möchte ihn nicht heiraten und ist geflohen. Während eines Turniers in Augsburg lernt er die schöne Baderstochter Agnes Bernauer kennen. Er verliebt sich in sie und möchte sie, trotzdem dass sie eine Bürgerliche ist, heiraten. Seine Ritter, Nothaff von Wernberg und Rudolf von Frauenhoven versuchen, Albrecht von diesem Plan abzubringen, scheitern aber.

Auch der Vater von Agnes, Caspar Bernauer, versucht, seine Tochter von der unstandesgemäßen Ehe abzuhalten. Stattdessen macht er ihr den Vorschlag, Theobald, seinen Gesellen, der sehr in Agnes verliebt, ist zu heiraten. Dies lehnt sie jedoch ab und spielt mit dem Gedanken, ins Kloster zu gehen, um ihren Zwiespalt zu überwinden. Sie liebt Albrecht ebenfalls, sieht aber, dass eine solche Ehe nicht gut gehen kann. Als Albrecht ihr jedoch versichert, dass er auch dann zu ihr stehen würde, wenn das ganze Volk und auch sein Vater gegen ihn seien und er sicher sei, dass sie durchaus vom Volk akzeptiert würde, stimmt sie der Hochzeit zu und auch Caspar gibt, wenn auch schweren Herzens, seinen Segen.

Die beiden heiraten heimlich und ziehen auf Schloss Vohburg.

Der dritte Akt beginnt damit, dass Herzog Ernst die Uneinheit Bayerns und die Fehler seiner Vor-fahren beklagt. Er hat Anna von Braunschweig für die Heirat mit Albrecht ausgesucht, wodurch zwischen Bayern und Braunschweig Friede eintreten würde. Er schickt Preising, seinen Kanzler, um Albrecht davon zu unterrichten. Natürlich lehnt Albrecht diese Heirat ab, sagt aber zu, auf Wunsch seines Vaters zum Turnier nach Regensburg zu kommen. Dort kommt es zwischen Vater und Sohn zum Eklat, als Ernst erfährt, dass Albrecht Agnes geheiratet hat und nicht von dieser Heirat zurücktreten würde. Er enterbt Albrecht und setzt als Thronfolger seinen kränklichen Neffen, das Kind Adolph, ein. Albrecht muss dies wohl oder übel akzeptieren und zieht sich mit seiner Frau auf Schloss Vohburg zurück.

Drei Jahre später stirbt Adolph. Dies sieht Herzog Ernst als göttliches Zeichen und unterschreibt das Todesurteil von Agnes, das er schon direkt nach dem Bekanntwerden der Hochzeit Albrechts mit Agnes angefertigt hatte. Er stützt sich dabei auf Gerüchte, dass das Volk behauptet, Agnes sei eine Hexe und würde sie, eine Bürgerstochter, nie als Herrscherin akzeptieren. Er sieht einen Erb-folgekrieg mit seinen Brüdern voraus und entscheidet, dass es notwendig sei, Agnes zu opfern, um sein Volk vor diesem Krieg zu schützen. Kanzler Preising versucht noch eine andere Lösung zu finden, muss sich aber von Ernst überzeugen lassen, dass es keinen Ausweg gibt.

Mit einer List lockt Ernst Albrecht weg. Agnes bleibt nur schwach bewacht in Straubing zurück. Während eines Besuches des Gesellen Theobalds stürmen plötzlich Soldaten die Burg und nehmen Agnes nach erbitterten Kämpfen mit den Wächtern gefangen. Als sich Agnes im Kerker befindet, sucht Preising sie ein letztes Mal auf. Er möchte sie retten und macht ihr den Vorschlag, die Ehe mit Albrecht zu beenden, um am Leben zu bleiben. Diese kann dies aber weder mit ihrer Liebe, noch mit ihrer Ehre oder ihrem Gewissen vereinbaren und geht lieber in den Tod, als ihrem Gatten Unehre zu bereiten und ihre von Gott gegebene Liebe zu verra-ten. Sie muss den Kerker verlassen. Eine große Schar von Menschen wartet draußen bereits an der Donau auf sie, wo sie ertränkt wird.

Als Albrecht dies erfährt zündet er außer sich vor Wut Dörfer an und trifft schließlich auf dem Schlachtfeld auf seinen Vater, den er gefangen nehmen lässt. In diesem Moment erreicht jedoch ein Gesandter des Reichs, ein Herold, die Szene und informiert ihn, dass die Reichsacht über ihn ausgesprochen werde, sollte er sich nicht seinem Vater unterwerfen. Nach einem langen Gespräch mit seinem Vater willigt Albrecht schließlich ein und wird Herzog von Bayern-München. Herzog Ernst geht ins Kloster, um für die Bluttat, die auf seinem Befehl ausgeführt worden war, um Vergebung zu beten und legt sein Schicksal in Gottes Hand.


5. Charaktere der Protagonisten

Agnes Bernauer
„Die Schönheit einmal von der tragischen, den Untergang durch sich selbst bedingenden Seite darzustellen“ war nach einem Tagebucheintrag Hebbels vom 30.09.1851 die Idee bei seiner Gestaltung des Trauerspiels um Agnes Bernauer.

Er beschreibt sie als eine Frau bzw. ein Mädchen von großer körperlicher Schönheit, das sich dessen aber nicht bewusst ist. Wie sie auf andere wirkt, ist ihr selbst ein Geheimnis. So versteht sie auch die Ablehnung und den Neid ihrer Freundinnen nicht. Überheblichkeit ist ihr fremd und so begegnet sie noch den Anfeindungen der anderen jungen Frauen mit Herzensgüte. Ihren Verehrern tritt sie mit sittsamer Zurückhaltung gegenüber. Bei ihrer unstandesgemäßen Verbindung mit Herzog Albrecht ist sie sich der Schwierigkeiten und auch Gefahren, die diese nach sich ziehen könnte, durchaus bewusst. Trotzdem geht sie das Risiko aus Liebe ein. Sie möchte Albrechts Gattin sein, Herzogin wollte sie dagegen nie werden und fühlte sich in dieser Rolle zunächst auch unwohl. Während ihrer Ehe mit Albrecht bleibt sie auch als Herzogin ihrem eigentlichen Wesen treu, wird nicht dünkelhaft oder überheblich.

Bis zum Schluss ist sie der festen Überzeugung, dass ihre Liebe gottgegeben und gottgewollt ist. Noch im Kerker, als ihr das Angebot gemacht worden war, am Leben zu bleiben, wenn sie Albrecht verließe und ins Kloster ginge, bleibt sie ihrer Liebe treu:

„Bin ich denn selbst noch, die ich war? Hab ich bloß empfangen? Hab ich nicht auch ge-geben? Sind wir nicht eins, unzertrennlich eins durch Geben und Nehmen, wie Leib und Seele?“ […] „Rein war mein erster Hauch, rein soll auch mein letzter sein. Tut mir, wie Ihr müßt (sic) und dürft, ich will’s leiden. Bald weiß ich ob’s mir Recht geschah!“

Sie geht lieber in den Tod, als dass sie ihrem Gatten dadurch Unehre macht, sich seiner als unwürdig erweisen würde, wenn sie ihn verließe und sich auf den für sie unehrenhaften Handel einließe.

Herzog Albrecht
Bei seiner ersten Begegnung mit Agnes Bernauer verliebt er sich in sie, wird von ihrer Schönheit angezogen. Nicht sinnliches Verlangen, sondern sein religiöses Denken, das sich Gott nur in der Gestalt der Schönheit vorstellen kann, erweckt seine Liebe. Er wirbt von Anfang an um sie, nicht, um sie zu seiner Geliebten, sondern zu seiner Ehefrau zu machen. Er fühlt eine schicksalhafte Verbundenheit und ist fest davon überzeugt, dass er Agnes rechtmäßig besitzen kann. Er ist ein junger, lebensfroher Mann, der gerne an Turnieren und Kampfspielen teilnimmt. Er lebt durchaus im Diesseits.

Im Grunde ist Albrecht kein Sozialrevolutionär, er denkt überhaupt nicht daran, an den bestehenden staatlichen Verhältnissen zu rütteln. Trotzdem schwebt ihm ein höherer Adel als der des Blutes vor. Die menschliche Vollkommenheit, die er in Agnes sieht, steht für ihn höher als Abstammung und Tradition. Dabei verliert er nie das fürstliche Bewusstsein. Das äußert sich z. B. auch darin, dass er nach dem Tod des kleinen Adolph über seinen Vater sagt: „Nun kann mein Vater in Ehren zurück.“

Zwar will er seine Wirklichkeit – die er als höher einschätzt – aus sich selbst gestalten, aber es fehlt ihm letztendlich die Kraft dazu, als er mit der rauen Wirklichkeit zusammenstößt. In seinem Wesen ist er dem aufgeklärten Absolutismus’ näher als er selbst weiß. Als ihm der Herzogsstab überreicht wird, steht er der Wirklichkeit der unvollkommenen Welt hilflos gegenüber, die so ganz anders ist als seine hochfliegenden Träume. So beugt er sich der Notwe-nigkeit, dem Staat als Fürst zu Diensten zu sein, einer Notwenigkeit, die viel größer ist als jedes menschliche und private Gefühl. Als Welterneuerer war Albrecht auf das Schlachtfeld gestürmt, als Landesvater eines kleinen Staates verlässt er es. Was übrig blieb, ist Albrecht der Fromme.

Herzog Ernst
Herzog Ernst wird als gütiger, von seinem Volk geliebter Fürst beschrieben, dem das Wohl des Vol-kes sehr am Herzen liegt. Das zeigt sich auch in seiner Äußerung, als er den Tod von Agnes Ber-nauer befahl: „ Es ist ein Unglück für sie und kein Glück für mich, aber im Namen der Witwen und Waisen, die der Krieg machen würde, im Namen der Städte, die er in Asche legte, der Dörfer, die er zerstörte: Agnes Berauer, fahr hin!“ Sein größtes politisches Ziel, ist die Wiedervereinigung Bayerns, dem er alles andere unterstellt. So ist für ihn die unstandesgemäße Heirat seines Sohnes ein Hindernis, dieses Ziel zu erreichen, da ein Kind, das aus einer solchen Verbindung hervorgehen würde nie von den Fürsten der anderen Split-terteile anerkannt werden würde.

Hebbel betont aber auch seine menschlichen Tugenden, zeichnet ihn als liebenden Gatten und ebenso liebenden Vater, selbst als der eigene Sohn die Waffen gegen ihn erhebt. Er hat auch tiefstes Mitgefühl für Agnes, zögert bis zum Schluss, das vorbereitete Todesurteil anzuwenden und sucht selbst da noch nach einem anderen Ausweg. Im Tod des kleinen Adolph, den er nach der Eheschließung Albrechts als Thronfolger eingesetzt hatte, sieht er ein Zeichen Gottes. Er muss Agnes töten lassen, um der höheren Gerechtigkeit und den Erhalt des Staates willen.

In diesem tragischen Konflikt, gegen ein göttliches Gebot zu verstoßen und die Ordnung im Staat aufrecht zu erhalten, ist sein ganzes Bestreben, sein Amt so auszufüllen, wie er glaubt, es vor Gott verantworten zu müssen. Für ihn war dies reine Pflichterfüllung und er schreibt sich selbst dabei keine eigenen Verdienste zu. Im Bewusstsein, sich des Mordes schuldig zu machen, bringt er dieses Opfer. Danach zieht er sich als Büßer ins Kloster zurück und stellt es Gott anheim, zu entscheiden, ob er als Herrscher zu dieser Tat verpflichtet war.

Kaspar Bernauer
Die Gestalt des Kaspar Bernauer wird als seiner ganzen Umgebung überlegen dargestellt. Er ist ein aufgeklärter Kopf, der trotzdem einen praktischen Verstand hat. Dabei ist er nie überheblich. Er strebt nach Wissen, was ihn zu immer neuen Versuchen antreibt, trotz der Gefahr, bei Entdeckung als Hexenmeister gesehen zu werden. Dabei bleibt er fromm, ist von tiefer Religiosität geprägt, die aber im Praktischen verhaftet ist. Ag-nes Plan, im Kloster Trost für ihren Zwiespalt zu suchen, entgegnet er mit: „Was hättest du im Kloster zu suchen?“

Er ist stolz darauf, ein freier Bürger der freien Reichsstadt Augsburg zu sein und durchaus dazu bereit, einem Beleidiger mit dem Schwert zu begegnen. Auch von Fürsten duldet er keine Gewalttat. Für ihn ist der Unterschied der Stände göttliche Ord-nung. Jedes Streben darüber hinaus empfindet er als Sünde. Nur schweren Herzens gibt er der Ehe von Agnes und Albrecht seinen Segen, fügt sich gottergeben in das Unvermeidliche, auch wenn er mit klarem Blick die Schwierigkeiten und Gefahren darin erkennt.

Herzog Ernst kann ihn verstehen, sagt er doch: „Armer, alter Mann! Nun ich setze mein eigenes Fleisch und Blut ebenso gut ein wie das seine! Wer weiß, ob unser Los nicht schon gleich ist!“

Weitere Personen
Das Stück hat insgesamt 22 Sprechrollen. Hebbel versteht es, ihnen mit oft wenigen Worten einen ausgeprägten Charakter zu verleihen.

Graf Törring
Er wird beschrieben als lebenslustig, mit frischem Tatendrang, nicht ohne Humor und ahnungsvoll. Er weiß, welche Gefahr diese Ehe für seinen Herrn mit sich bringen wird. Aber er erkennt auch Agnes Wert und versucht eine Verbindung ohne kirchlichen Segen zu erwirken. Er versteht die Gefühle von Albrecht von allen Rittern am besten und bleibt ihm treu bis in den Tod.

Kanzler Preising
Er ist der treue und gewissenhafte Diener Herzog Ernsts. Dabei ist er weicher als dieser und eher von menschlichen Regungen bewegt. Er versucht Agnes zu retten, indem er ihr dazu rät, die Ehe mit Albrecht zu beenden und sich damit nicht dem harten Recht zu beugen, sondern der Unschuld ihr Recht zu lassen. Dabei hinterlässt er einen menschlichen und symphatischen Eindruck vor dem Hintergrund dieser unheilvollen Tragödie.

Theobald
Er liebt Agnes von Beginn an, weiß aber, dass er vor dieser großen Liebe keine Chance hat und verzichten muss. Trotzdem verändert das seine Gefühle für sie nicht. Als Agnes vom Marschall gefangen genommen werden sollte, wirft er sich entschlossen dem Feind entgegen um sie zu ret-ten. Seine Liebe führt ihn letztendlich in den Tod.


6. Hebbels Abweichungen von der Geschichte
Friedrich Hebbel hält sich zwar im Wesentlichen an die geschichtlichen Ereignisse, weicht aber in einigen Punkten von ihnen ab, um das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft, vor allem aber die Notwenigkeit des Opfers für die Ordnung des Staates und für den Erhalt des Friedens darzustellen. Außerdem rafft er den Verlauf der Geschichte zeitlich. So hat Herzog Albrecht nicht am selben Tag Agnes kennengelernt, an dem er die Nachricht von der Flucht seiner Verlobten erfahren hatte, sondern in Wirklichkeit erst viel später, wahrscheinlich Monate später.

Er beschreibt, dass die Schmach Albrechts beim Regensburger Ritterturnier für Herzog Ernst der auslösende Faktor war, Agnes zu beseitigen. Der geschichtliche Herzog Ernst hat aber erst nach-träglich davon erfahren. Die Gestalt des Kanzlers Preising ist komplett Hebbels Erfindung. Im Stück wird beschrieben, dass der Tod des von Ernst eingesetzten Thronfolgers Adolphs der Auslöser für seine Handlungen war. Dieser starb aber tatsächlich erst vier Jahre nach der Ermor-dung Agnes. Geschichtlich war es der Tod des Bruders, der ihn das Urteil vollstrecken ließ.

Dieses war auch nicht seit Eheschließung mit Agnes in der Schublade verschlossen und bereits gefällt, sondern wurde erst gefällt, als Herzog Ernst sich zum Handeln gezwungen sah. Er handelte aus der Gunst der Stunde heraus. Ebenso wenig haben der Kampf in Straubing und der Krieg zwischen Vater und Sohn einen historischen Hintergrund. Geschichtlich bestätigt ist auch nicht, dass der Kaiser eingegriffen hätte. All diese Punkte hat Hebbel um ihrer dramaturgischen Wirkung willen verändert bzw. eingebaut.


7. Die tragischen Ansichten Hebbels
Hebbels Epoche war der Realismus und war einer der wichtigsten Dichter zwischen Goethezeit und Moderne und Tragiker am Übergang des Idealismus zum Realismus.

Hebbels Hauptthema war die Spannung zwischen dem Weltganzen und dem Individuum. Er bricht mit der idealistischen Auffassung, dass der Welt ein übergeordnetes moralisches Prinzip zugrunde liegt. Dabei geht es nicht um Schuld oder Unschuld des Einzelnen, sondern in der Ausweglosigkeit des Geschehens. Der Einzelne ficht einen tragischen Konflikt, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Das Ende steht von Anfang an fest. Er vertritt den Pantragismus was bedeutet dass sich die Welt in einer tragischen Grundverfassung befindet, der keiner entrinnen kann. Der Wille des Menschen ist die Voraussetzung für den Fortgang der Geschichte, die sich aber gegen die Veränderung wehrt und den Einzelnen vernichtet.

In seinem Tagebuch vom November 1843 schreibt er:

"Es gibt nur eine Notwendigkeit, die, daß [sic] die Welt besteht; wie es den Individuen aber in der Welt ergeht, ist gleichgültig." (Tagebuch, Nov. 1843)


8. Rezeption
Am 25. März 1852 fand in München die Uraufführung des Stückes statt. Dingelstedt berichtet 1879 im „Literarischen Bilderbuch“, dass die ersten beiden Akte sehr gut aufgenommen wurden, sogar die Kampfszene am Schluss interessierte. Erst als es zum offenen Bruch zwischen Vater und Sohn kam, ging ein Schauer des Entsetzens durch das Publikum. Nach Fallen des Vorhanges fanden sich bestürzte Gruppen auf der Bühne und im Foyer wurde nicht eben wohlwollend über Werk und Dichter diskutiert.

Das Volk sah in Hebbels Werk ein Revolutionsstück, die vornehmen Kreise fürchteten, dass sich an diesem Stoff der längst noch nicht vergessene Aufstand neu entfachen könnte. Dazu kam das Münchner Publikum, dem es peinlich war, dass eine so wenig ruhmreiche Episode seiner Geschichte auf die Bühne gebracht worden war und das noch dazu von einem Dichter aus dem Norden.

Man kann zwar nicht sagen, dass das Stück verboten worden war, aber auf einen Wink des Königs hin (Maximilian II) wurde es vom Spielplan gestrichen. In anderen Städten wurde das Werk wesentlich besser aufgenommen. 1852 schuf Hebbel auf den Rat Dingelstedts hin für das Münchner Publikum eine neue Bühnenbearbeitung, die den Schluss komplett änderte. Dabei kam es nicht mehr zu einem offenen Konflikt zwischen Vater und Sohn, sondern der Herzogsstab wurde Albrecht von Kanzler Preising in Straubing überreicht.

Auf diese Weise wurde dem bayerischen Publikum die peinliche Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn erspart und dem adeligen Publikum nicht mehr der Tod seiner vielen Angehörigen auf dem Schlachtfeld zugemutet.


Agnes Bernauer heute
Alle zwei Jahre finden in Straubing die Agnes-Bernauer-Festspiele statt. Der nächste Mal in der Zeit vom 24. Juni bis 24 Juli 2011. Die Brücke, von der Agnes Bernauer in den Tod gestoßen worden war, dient auch heute noch, insbesondere amerikanischen Touristen, als Attraktion. In Straubing kann man auch die Agnes-Bernauer-Torte kaufen, die dort eigens zu ihrem Gedenken kreiert worden ist.

Schlusszitat:

"Selbst im Fall einer Revolution würden die Deutschen sich nur Steuerfreiheit, nie Gedankenfreiheit erkämpfen." - Tagebücher 1, 140 (1836). S. 30


Quellen:

 

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