Goethe, Johann Wolfgang von - Faust 1 (Auerbachs Keller)

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Textanalyse und Interpretation, Szene, Fassritt, Faust, Johann Wolfgang von Goethe, Flohlied, Mephisto, Referat, Hausaufgabe, Goethe, Johann Wolfgang von - Faust 1 (Auerbachs Keller)
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Referat

Johann Wolfgang von Goethe - Textanalyse und Interpretation zu Faust 1 Auerbachs Keller

"Flache Unbedeutenheit" als erste Station in der Kleinen Welt

Auerbachs Keller ist eine Szene mit Tradition. Der Fassritt des Doctor Faustus wird schon im Volksbuch eingängig als Teufelswerk beschrieben. Weiteren Kontakt mit dem sagenhaften Fassritt erhält Goethe in seiner Studienzeit in Leipzig (1765 bis 1768), wo er als junger Student des Öfteren Auerbachs Hof einen Besuch abstattete. Dort entdeckt er zwei Wandgemälde, die etwa 1625 entstanden sind und den Fassritt des Doctor Faust noch einmal bildlich darstellen. Die Szene ist ebenfalls in den beiden vorangegangenen Arbeitsschritten zum Faust I nachweisbar. Im Urfaust und auch im Faust Fragment taucht die Zeche Lustiger Gesellen auf. Bis Faust I gewinnt sie an Umfang und wandelt sich von Prosa in Reimform, doch Personen und der Einschluss von Liedern sind schon im Urfaust angelegt. Welche Funktion und Bedeutung misst Goethe, der ja auch sonst nicht zögerte, die historischen Quellen zu seiner Faustgestalt nach seinen Ansprüchen und Vorstellungen stark zu überformen, dieser Szene bei, dass er sie beharrlich übernahm und ausformte?

,,Wir sehn die kleine, dann die große Welt.“ (S.61 V. 2052) legt Mephisto kurz nach der Paktszene fest. Als erste Station in der kleinen Welt dient Mephisto die Studentenkneipe Auerbachs Keller. Nach dem Besuch im Keller wird Mephisto Faust verjüngen. Vergessen wir nicht, Mephisto ist stark daran interessiert, die Wette zu gewinnen, damit muss er Faust zum Stillstand, zur Aufgabe seines Strebens bewegen. Die Anfangsfrage kann also an dieser Stelle präzisiert werden: Wie sieht Mephistos erster Versuch aus, Faust von seinem Ziel, zu erkennen, ,,was die Welt im Innersten zusammenhält“ (S. 17 V.382), um dann ,,Die Menschen zu bessern und zu bekehren“ (S.17 V. 372), abzubringen?

Mephisto gibt sich reichlich Mühe, er zaubert, albert ein wenig mit den ,,Lustigen Gesellen“ Frosch, Brander, Siebel und Altmayer herum, ja, er singt sogar. Nach einer kleinen zweizeiligen Flunkerei über ihren Herkunftsort hebt Mephisto singend zum Flohlied an, wird aber schon nach den ersten beiden Zeilen von Frosch unterbrochen. Unbeirrt schließt Mephisto die erste Strophe des Flohliedes an. Nun will aber Brander seinem Kumpel Frosch nicht nachstehen und unterbricht das Lied mit 4 Versen. Nun erzählt Mephisto die Geschichte des Flohs, der aus einer Laune des Königs heraus ein Minister wird und dann mit seiner herbeigerufenen Verwandtschaft die Hofgesellschaft plagt, in den letzten zwei Strophen zu Ende. Die Kneipenfreunde sind so begeistert, dass sie im Chor die letzten beiden Zeilen des Flohliedes wiederholen und Mephistos Lied so einen Refrain schenken. Ihr Lob über das Lied verwandeln die vier Freunde nacheinander in eine Hymne auf den Wein.

Die Unterbrechungen und Kommentare der Saufkumpane zu Mephistos Lied sind von Goethe ganz klar durch Metrik und Reimform von diesem abgegrenzt. Die 8 versigen Strophen des Flohliedes sind jeweils 2 Kreuzreimpaare. Die Studenten benutzen dagegen 2versige Paarreime (Frosch V. 2209/10), einen 4 versigen umarmenden Reim (Brander V. 2219-22) und am Ende des Auszuges sogar alle vier zusammen eine 4 versige Paarreimkette. Dabei benutzen die Studenten bis auf eine Ausnahme, schön – ergehn, ausschließlich reine Reime. Im Flohlied fallen hingegen viele Assonanzen auf: z.B. König – wenig, Floh – Sohn. Das Flohlied wechselt auch absolut zuverlässig zwischen einer weiblichen Kadenz und einer männlichen Kadenz. Die Studenten können auch in der Betonung der Versenden keine einheitliche Linie bilden. Neben einer daktylischen Endung (Frosch V.2210) folgt die Endbetonung dem Reimschema (Brander in der 2. Unterbrechung) und auf dem Höhepunkt der Stimmung schmettern sich die Feiernden 4 mal eine Endhebung entgegen. Durchweg halten die Akteure den Jambus als Versmaß ein, wobei wir hier bei Mephisto als Ausnahmen unter anderem eine Hebung als Versauftakt finden (V. 2225) oder das Aufeinandertreffen zweier Hebungen oder Senkungen. Die Studenten schaffen es in den letzten 4 Versen sogar, den Jambus in einen sauberen Daktylus mit Auftakt und männlicher Kadenz zu verwandeln. Der Jambus im Lied und bei den Studenten unterscheidet sich nur in der Anzahl der Hebungen. Bei Mephisto sind es durchschnittlich weniger pro Vers als in den Reden der Studenten. In der dritten Liedstrophe fällt der Binnenreim knicken – ersticken auf. Mephistos Lied und die 2. Unterbrechung durch Brander sind charakterisiert durch Enjembements. Beim Flohlied folgt das Verhältnis von Vers und Satz also durchgängig dem Hakenstil, durch den die übergreifenden Satzbögen doch verbunden bleiben. Auch der häufige Gebrauch des Stabreimes unterstreicht diese Verbundenheit.

Die einleitenden Worte zum Flohlied ,,es war einmal“ lassen den Leser ein Märchen erwarten. Der erzählende Charakter, regelmäßige Gliederung durch Reim und festes Metrum verweisen durchaus auf eine Ballade, Vortragsform, die Kürze der Verse und das Auftreten zweier Kehrreime sowie die Erwähnung der ,,Gesänge“ durch Mephisto (V. 2206) kennzeichnen eindeutig das Flohlied als Lied. Das Lied handelt wie schon erwähnt von einem Floh. Ganz anders als den Studenten fällt uns sofort auf, das hier nicht von einem Floh im zoologischen Sinn die Rede sein kann. Mephistos Floh kann nur als Periphrase aufgefasst werden. Das Lied richtet sich gegen das absolutistisch-feudale Herrschaftssystem im allgemeinen, denn Minister wird man hier mithilfe des Schneiders, also durch Oberflächigkeiten, nicht durch Sachverstand oder andere Verdienste, und gegen die höfische Vetternwirtschaft: ,,da wurden seine Geschwister/ bei Hof auch große Herrn“ (V. 2229/30). Mephisto zeigt auch die Auswirkungen einer solchen Vergabe der Staatsämter: ,,die waren sehr geplagt/ gestochen und genagt.“(V. 2232/34) In den letzten beiden Versen überhöht er seine Kritik zu einer Kritik an der Menschheit im Großen und Ganzen. Er sagt, dass wir (die Menschen) als Reaktion auf irgendeine Art von Gewaltausübung uns nicht wehren, sondern eingehen und unser Leid ertragen. Die Studenten sehen diesen kritischen Ansatzpunkt Mephistos nicht, sie lassen sich von der äußeren Form des Liedes blenden und sehen nur ihr Amüsement. So führt Mephisto neben seinen Zaubertricks auch die Beschränktheit der Menschen vor Fausts Augen, die er ja ,,bekehren und bessern“ will. Mephisto hofft so, Faust von seinem Vorhaben abzubringen, da er Faust zeigt, dass diese Menschen auch nach einer Belehrung über die gesellschaftlichen Missstände nicht fähig sind, sich weiterzuentwickeln und dass sie nicht belehrbar sind. Eigentlich sollte diese Erkenntnis für Faust einen schweren Einbruch darstellen, da die logische Konsequenz die Undurchführbarkeit seines Vorhabens ist. Faust jedoch reagiert im Textausschnitt überhaupt nicht und spricht in der gesamten Szene auch nicht mehr als zweimal. Am Ende zeigt er seine Angewidertheit über die Situation in den Worten ,,Ich hätte Lust, nun abzufahren“. Mephisto hat also sein Ziel beim ersten Anlauf nicht erreicht, was ihn allerdings nicht weiter überrascht, da er schon bei der Ankündigung des Cursus mit einer weiteren Reise gerechnet hatte. Nun aber haben wir erfahren, dass Mephisto fest entschlossen ist, Faust von seinem Vorhaben abzubringen, konnten einen Teil seiner Zauberkraft bewundern und haben im Flohlied die hintergründige Methode Mephistos kennen gelernt, mit der er nie direkt kritisiert, durch die seine Kritik jedoch immer direkt trifft. 

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