Brecht, Bertolt - Gedanken über die Dauer des Exils (Gedichtsinterpretation)

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Bertolt Brecht, Gedicht, Interpretation, Strophenanalyse, Gedichtanalyse, Referat, Hausaufgabe, Brecht, Bertolt - Gedanken über die Dauer des Exils (Gedichtsinterpretation)
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Referat

Bertolt Brecht: Gedanken über die Dauer des Exils (Gedichtsinterpretation)



Bertolt Brecht schrieb das Gedicht „Gedanken über die Dauer des Exils“ im Jahre 1937, als er sich selbst schon 4 Jahre im Exil befand. Hinter diesem Hintergrund kann man darauf schließen, dass das Gedicht autobiografische Züge hat. Es hinterlässt nach dem ersten Lesen einen Eindruck von Traurigkeit und Resignation.

Das Gedicht ist in zwei unterschiedlich lange Teile gegliedert. Der erste Teil besteht aus vier Strophen à 4, bzw. 5, Zeilen, der Zweite Teil aus zwei Strophen mit je 3 und 6 Zeilen. Im ersten Teil des Gedichtes ist noch nichts von der späteren Resignation zu spüren. Das lyrische Ich führt eine Art Selbstgespräch, weswegen es auch gleichzeitig das lyrische Du ist. Es ist voll von Hoffnung auf baldige Heimkehr und hat seinen Blick nur darauf gerichtet. Dazu passen die rhetorischen Sinnfragen: „Warum vorsorgen für vier Tage?“ (Z. 3), „Wozu noch einen Baum pflanzen?“ (Z. 6), „Wozu in einer fremden Grammatik blättern?“ (Z. 10). Alles spricht dagegen, sich in einem fremden Land eine neue Heimat aufzubauen: nicht sesshaft werden, sich nicht heimisch einrichten oder eine neue Sprache erlernen. Die dritte Strophe könnte man als Zeichen deuten, dass das lyrische Ich jegliche Kommunikation vermeidet.

Auffällig sind auch die vielen Aufforderungen an das lyrische Du, die die Überzeugtheit und Sicherheit der Rückkehr verstärken. Sie sind nicht nur durch Ausrufezeichen am Satzende gekennzeichnet, sondern auch durch Komperative am Satzanfang: „Schlage“ (Z. 1), „Wirf“ (Z. 2), „Laß“ (Z. 5), „Zieh“ (Z. 9). Sehnsüchtig wird die Nachricht erwartet, man könne endlich nach Hause kommen. Um die Wichtigkeit dieser Nachricht hervorzuheben, wird sie personifiziert, indem sie den Exilanten „heimruft“. Brecht nutzt Symbole und Vergleiche, um die Gedanken des lyrischen Ichs anschaulich darzustellen und auszudrücken. Dies kann man vor allem an dem kleinen Baum sehen, dem die ganze zweite Strophe gewidmet ist und somit eine große Bedeutung zukommt. Ein Baum braucht lange, um zu wachsen und da er bodenständig ist, ist er etwas Beständiges und Ewiges. Er steht für den Aufbau eines Lebens und die Zeit, bzw. einen langen Zeitraum. Auch das Einschlagen eines Nagels würde das heimische Einrichten bedeuten, indem man Bilder oder Regale aufhängt. Das freiwillige, mühsame Erlernen einer neuen Sprache sagt aus, dass man sich mit der neuen Umgebung angefreundet hat, ebenso wie mit dem Gedanken, dass man vielleicht nie wieder ins Heimatland zurückkehrt. Dies wird aber alles aus Hoffnung abgelehnt.

Eine essentielle Stelle stellt die vierte Strophe des ersten Teiles dar, schon allein deshalb, weil sie durch den Einschub einer Klammer fünf statt vier Zeilen hat. Der Zeitfaktor, der auch schon in den Strophen zuvor eine immense Rolle gespielt hat („vier Tage“, „morgen“), wird hier besonders hervorgehoben. Man findet in der vierten Strophe sowohl einen Vergleich als auch eine bedeutungsvolle Metapher. Der „Zaun der Gewalt“ kann man mit Blick auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund als die Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus deuten. Brecht selbst befand sich – wie bereits in der Einleitung erwähnt – mehrere Jahre im Ausland im Exil, seine Bücher wurden 1933 verbrannt, weshalb er aus Deutschland floh. Der Einschub in Klammern „(Tue nichts dagegen!)“ (Z. 14) bezieht sich auf das Abblättern des Kalkes, das nicht aktiv beeinflusst werden soll. Das langsame, zeitintensive Abblättern steht in einem gewissen Widerspruch mit dem Neologismus „zermorschen“ (Z. 15), das an sich schon ein Paradoxon darstellt. Der Prozess des Vermorschen ist sehr langwierig und passiert nicht von einem Tag auf den nächsten. „Zermorschen“ erinnert allerdings an „zerstören“ und hat einen aktiven Charakter.

Zwischen Teil eins des Gedichtes und Teil zwei lässt sich eine mehrdeutige Entwicklung erkennen. Was die Zeit angeht, so scheint zwischen den beiden Teile ein Zeitraum von mehreren Jahren zu liegen. Während der erste Teil noch optimistisch gegenüber einer Rückkehr ins Heimatland klingt und Unmut und Sträubung gegen das Exil äußert, so hat im zweiten Teil die Resignation und die Akzeptanz des Exils gesiegt. Es hat also eine innere Veränderung und Entwicklung der Gedanken stattgefunden.

Der Glaube, dass der Aufenthalt nur kurz sein wird, hat sich nicht bestätigt. Stattdessen ist daraus ein langwieriges Leben in der Fremde geworden. In der Wand befindet sich ein Nagel und der Baum ist mittlerweile so groß geworden, dass er mit einer ganzen Wasserkanne gegossen werden muss. Vermutlich möchte Brecht mit diesem Gedicht seine Erlebnisse während des Exils verarbeiten. Er beschäftigt sich mit Gefühlen wie Sehnsucht nach der Heimat und stellt die Schwierigkeiten des Exils dar. Wie bereits erwähnt, klingt das Gedicht durch die Gleichsetzung des lyrischen Ichs mit dem lyrischen Du wie ein Selbstgespräch. Viele Menschen versuchen sich auf diese Art und Weise selbst zu helfen und zu beruhigen, gerade in Extremsituationen.

Der Titel des Gedichts ist sehr treffend gewählt und beschreibt exakt den Inhalt. Es veranschaulicht meiner Meinung nach sehr deutlich den zeitlichen Faktor des Exils, aber auch die Gefühle, die ein Exilant im Laufe der Zeit entwickelt. Man empfindet fast ein bisschen Mitleid, weil sich das lyrische Ich am Anfang so viel Hoffnung gemacht hat und nach so vielen Tagen, Monaten und Jahren sich nicht so entwickelt hat, wie es gedacht, gehofft, hat. Es zeigt auch den Wandel von Optimismus in Pessimismus, den wahrscheinlich viele Menschen nach Brecht auch durchgemacht haben. Bestimmt gab es für viele keine Hoffnung mehr, dass der Krieg, bzw. generell der Nationalsozialismus, ein Ende finden würde.

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