Das neue israelitische Hospital zu Hamburg von Heinrich Heine

Ein Hospital für arme, kranke Juden,
Für Menschenkinder, welche dreifach elend,
Behaftet mit den bösen drei Gebresten,
Mit Armuth, Körperschmerz und Judenthume!
 
Das schlimmste von den dreien ist das letzte,
Das tausendjährige Familienübel,
Die aus dem Nil-Thal mitgeschleppte Plage,
Der altägyptisch ungesunde Glauben.
 
Unheilbar tiefes Leid! Dagegen helfen
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Nicht Dampfbad, Dusche, nicht die Apparate
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Der Chirurgie, noch all’ die Arzeneien,
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Die dieses Haus den siechen Gästen bietet.
 
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Wird einst die Zeit, die ew’ge Göttin, tilgen
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Das dunkle Weh, das sich vererbt vom Vater
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Herunter auf den Sohn, – wird einst der Enkel
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Genesen und vernünftig seyn und glücklich?
 
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Ich weiß es nicht! Doch mittlerweile wollen
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Wir preisen jenes Herz, das klug und liebreich
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Zu lindern suchte, was der Lind’rung fähig,
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Zeitlichen Balsam träufelnd in die Wunden.
 
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Der theure Mann! Er baute hier ein Obdach
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Für Leiden, welche heilbar durch die Künste
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Des Arztes, (oder auch des Todes!), sorgte
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Für Polster, Labetrank, Wartung und Pflege –
 
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Ein Mann der That, that er, was eben thunlich;
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Für gute Werke gab er hin den Taglohn
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Am Abend seines Lebens, menschenfreundlich,
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Durch Wohlthun sich erholend von der Arbeit.
 
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Er gab mit reicher Hand – doch reich’re Spende
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Entrollte manchmal seinem Aug’, die Thräne,
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Die kostbar schöne Thräne, die er weinte
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Ob der unheilbar großen Brüderkrankheit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Das neue israelitische Hospital zu Hamburg“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
211
Entstehungsjahr
nach 1813
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Heinrich Heine, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Es trägt den Titel „Das neue israelitische Hospital zu Hamburg“ und entstand im Zuge der Industrialisierung, in die auch Heines Schaffenszeit fiel.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht emotional und nachdenklich, es eröffnet einen Diskurs über Armut, Krankheit und Glauben. Das lyrische Ich spricht von einem Hospital für arme, kranke Juden, wobei es drei Zustände als besonders leidvoll betrachtet: Armut, körperliche Schmerzen und das Judentum selbst. Im Fortlauf des Gedichts wird deutlich, dass das lyrische Ich das Judentum - oder zumindest die Interpretation und Auslebung des Glaubens in seiner Zeit - als Übel und Plage betrachtet.

Das lyrische Ich stellt fest, dass die Möglichkeiten des Hospitals begrenzt sind, dass seine Mittel nicht ausreichen, um das tief sitzende, generationenübergreifende Leid zu lindern. Trotzdem kann es Hoffnung für die Zukunft geben, so deutet das lyrische Ich an. Es lobt die Absichten, die hinter der Gründung des Hospitals standen, und betont dabei die Liebe und Klugheit des Mannes, der diese Einrichtung ins Leben gerufen hat. Die körperlichen Leiden mögen zwar behandelbar sein, das Rad der Zeit wird jedoch zeigen, ob auch das generelle Leid, das mit dem Judentum assoziiert wird, geheilt werden können.

Formal handelt es sich um ein Gedicht mit acht Strophen zu je vier Versen. Heines Sprache ist eher einfach, aber effektvoll eingesetzt. Einige metaphorische Formulierungen und Adjektive, wie „ungesunder Glaube“, „tausendjähriges Familienübel“ und „unheilbare Krankheit“, erzeugen dabei eine starke emotionale Wirkung und ermöglichen eine Vielzahl von Interpretationen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Heines Kampf gegen die gesellschaftlich bedingten Übel seiner Zeit zum Ausdruck kommt, während er gleichzeitig die Wichtigkeit der menschlichen Wärme und Fürsorge betont. Ebenso hinterfragt er kritisch die Rolle des Glaubens in der Gesellschaft und die negativen Auswirkungen, die er auf das Leben der Menschen haben kann.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Das neue israelitische Hospital zu Hamburg“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Geboren wurde Heine im Jahr 1797 in Düsseldorf. Das Gedicht ist in der Zeit von 1813 bis 1856 entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Der Schriftsteller Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 211 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Heine sind „Alte Rose“, „Altes Lied“ und „Am Golfe von Biskaya“. Zum Autor des Gedichtes „Das neue israelitische Hospital zu Hamburg“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.

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