Das arme Kind von Rainer Maria Rilke

Ich weiß ein Mädchen, eingefallen
die Wangen. – War ein leichtes Tuch
die Mutter; und des Vaters Fluch
fiel in ihr erstes Lallen.
 
Die Armut blieb ihr treu die Jahre,
und Hunger war ihr Angebind;
so ward sie ernst. – Das Lenzgold rinnt
umsonst in ihre Haare.
 
Sie schaut die lächelnden Gesichter
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der Blumen traurig an im Hag
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und denkt: der Allerseelentag
12 
hat Blüten auch und Lichter.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Das arme Kind“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
65
Entstehungsjahr
nach 1891
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das arme Kind“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache, der von 1875 bis 1926 lebte. Aufgrund seiner Schaffenszeit lässt sich das Gedicht dem literarischen Realismus oder der beginnenden Moderne zuordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht melancholisch und trist. Das lyrische Ich erzählt von einem Mädchen, das unter den schwierigen Lebensbedingungen seiner Familie leidet. Es ist gezeichnet von Armut, Hunger und der harten Wirklichkeit, die es von Kindesbeinen an erfahren hat.

Die zentrale Thematik des Gedichts ist das Leiden des Mädchens unter den schwierigen Lebensumständen. Gleich zu Beginn wird deutlich, wie diese das Leben des Mädchens von Anfang an prägten: Die Mutter wird als ein 'leichtes Tuch' dargestellt - womöglich eine Metapher für ihre körperliche und seelische Schwäche -, und ein 'Vaters Fluch' beschwert schon die ersten Worte des Kindes. Die folgenden Strophen zeigen, wie das Mädchen trotz aller äußeren Schönheit des Lebens - des Frühlings ('Lenzgold') oder der blühenden Blumen - nichts als Ernsthaftigkeit und Traurigkeit empfindet. Es sieht in der fröhlichen Pracht der Allerseelen-Blüten und Lichter nur eine bittere Ironie.

Das Gedicht ist in drei vierzeilige Strophen gegliedert, was eine einfache, klare Struktur schafft. Rilke verwendet eine einfache, aber ausdrucksstarke Sprache. Die Metaphern und Vergleiche sind treffend und machen deutlich, unter welch harten Bedingungen das Mädchen lebt. Der Sprachstil ist einprägsam und gefühlvoll, das spiegelt die melancholische und nachdenkliche Stimmung des Textes wider. Die dritte Strophe endet zudem mit einer Pointe, die die Tragik des Mädchens noch potentiert: Auch der Tag der Toten (Allerseelentag), ein Tag des Gedenkens und der Trauer, wird vom Mädchen als schöner erlebt - eine starke Aussage über den Grad des erlebten Leids. Zusammengefasst thematisiert das Gedicht das Schicksal eines Kindes, das in Armut und unter schwierigen familiären Bedingungen aufwächst, und zeigt, wie dieses Leid die Wahrnehmung und das Erleben der Welt beeinflusst.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das arme Kind“ des Autors Rainer Maria Rilke. Der Autor Rainer Maria Rilke wurde 1875 in Prag geboren. In der Zeit von 1891 bis 1926 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Frankfurt am Main. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 65 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Die Gedichte „Abend in Skaane“, „Absaloms Abfall“ und „Adam“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Das arme Kind“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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