Sie küßt die Füße Jesu Christi von Angelus Silesius

1
Verwundter Heiland, sieh nicht an,
Daß ich so mißgehandelt
Und mit den Sündern auf der Bahn
Der Bosheit hab gewandelt.
Ich komme nun zu deinen Füßen
Und küsse sie mit tausend Küssen.
 
2
Die Zunge bebt und spricht nicht viel,
10 
Das Haupt sinkt zu der Erden.
11 
Die Tränen sagen, was ich will,
12 
Es reden die Geberden.
13 
Erhör mein Herz, o große Güte,
14 
Und das zerknirschete Gemüte.
 
15 
3
16 
Laß mich nur solche Gnad und Huld,
17 
Wie Magdalen, erlangen
18 
Und Ablaß meiner Sünd und Schuld
19 
Aus deinem Mund empfangen.
20 
Heiß mich so voller Trosts aufstehen
21 
Und, gleich wie sie, befriedigt gehen.
 
22 
4
23 
Ich will dich lieben ohne Maß
24 
Und nimmermehr verlassen,
25 
Mit Herzenstränen machen naß
26 
Und als ein Kind umfassen.
27 
Ich will dich lieben, meine Seele,
28 
Gib mir nur deiner Wunden Öle.
 
29 
5
30 
Ihr armen Füße seid geküßt,
31 
Die ihr für mich zerschlagen,
32 
Die ihr für meine Taten büßt
33 
Und traget meine Plagen.
34 
Hätt ich doch nie gelebt in Sünden,
35 
Daß ihr nicht dürftet dies empfinden!
 
36 
6
37 
Verstoßt mich doch nicht, weil mirs leid,
38 
Weil ich die Schuld bekenne,
39 
Vergebt, weil ich mich allbereit
40 
Von Herzen eure nenne.
41 
Gebt, daß ich des Verdiensts genieße,
42 
Den ihr erwerbt, ihr heilgen Füße.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Sie küßt die Füße Jesu Christi“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
193
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Angelus Silesius verfasst, der im 17. Jahrhundert lebte. Als ein poetischer Vertreter des Barock trat er durch seine tiefgründige Mystik und Spiritualität hervor.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es sich hier um ein religiös geprägtes Werk handelt. Das lyrische Ich spricht Jesus Christus an, gibt seine Sündhaftigkeit zu und bittet um Vergebung und Gnade.

Der Inhalt des Gedichts ist relativ einfach. Das lyrische Ich gesteht seine Sünden ein und bittet Jesus um Vergebung. Es spricht die Verwundungen Jesu am Kreuz an und gibt zu, auf der „Bahn der Bosheit“ gewandelt zu sein. Jetzt kommt es reuig zu Jesu Füßen und küsst sie in einer Geste der Unterwerfung und Reue. Das lyrische Ich betont die Schwere seiner Sünden und die ernste Verantwortung, die es dafür trägt.

Die Form des Gedichts ist strukturierter Natur. Jede Strophe besteht aus sechs Versen, was auf eine konkrete Planung und Organisation hindeutet. Der Rhythmus ist konsequent und beständig, was der Bedeutung und dem Ton des gedichts dient.

Die Sprachwahl des Gedichts ist im Hinblick auf das betrachtete Zeitalter weitgehend verständlich, wenn auch mit einem altmodischen Ton. Die dichte und emotional aufgeladene Sprache, die eine Reihe von Wiederholungen und direkten Anrufungen enthält, spiegelt die tiefe emotionale Agenda des lyrischen Ichs wider. Es verwendet Figurationen, wie Metaphern und Symbolismus, um seine heilige Beziehung zu Jesus und seinen Wunsch nach spiritueller Reinigung darzustellen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Gedicht ein tiefgreifendes religiöses Engagement zum Ausdruck bringt und das Thema der Sünde, Reue und spirituellen Erlösung behandelt. Das lyrische Ich bittet in einer tiefen emotionalen Bitte um Vergebung für seine Sünden und um Erlangung der göttlichen Gnade, Symbolisiert durch das Küssen der heiligen Füße Jesu.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sie küßt die Füße Jesu Christi“ des Autors Angelus Silesius. Der Autor Angelus Silesius wurde 1624 in Breslau geboren. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Epoche der Barockliteratur, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Die Zeit des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt – Hunger, Seuchen (insbesondere die Pest), Vergewaltigung und Tod sorgten für großes Leid bei den Menschen in Europa. So schrumpfte die Bevölkerung im Deutschen Reich von ca. 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Die Lyrik des Barocks ist im Wesentlichen von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) geprägt, die die Einstellung der Menschen zum Leben beschreiben. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war der Alltag der Menschen von Gewalt und Zerstörung geprägt. Alle diese Motive setzen sich auf verschiedene Art mit der weitverbreiteten Angst vor dem Lebensende und dessen Auswirkungen auseinander. Die am meisten verwendeten Formen in der Poesie waren das Sonett, das Epigramm, die Elegie und die Ode. Im Zeitalter des Barocks begannen die Autoren ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Die Autoren der Renaissance verfassten ihre Werke noch auf Lateinisch. Autoren und Werke dieser Zeit sind vielzählig. Andreas Gryphius, Martin Opitz oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter der Zeit des Barocks.

Das vorliegende Gedicht umfasst 193 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Angelus Silesius sind „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“, „Man achtet das Ewige nicht“ und „Der Mensch ist groß vor Gott“. Zum Autor des Gedichtes „Sie küßt die Füße Jesu Christi“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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