Sie beklagt ihn bei dem Grabe von Angelus Silesius

1
Ihr alle, die ihr Jesum liebt,
Seid traurig und betrübt!
Er, der wahre Gottes Sohn,
Der da saß auf Vaters Thron,
Wird ins Grab geleget.
 
2
Schau, Braut, hier liegt dein Bräutigam,
Dein Hirt und auch dein Lamm!
10 
Deines Herzens Trost und Ruhm,
11 
Deiner Seelen Eigentum,
12 
Schau, er ist gestorben.
 
13 
3
14 
O großes Leid, o bittre Not!
15 
Was ist das für ein Tod!
16 
Alles, was die ganze Welt
17 
Und der Himmel in sich hält,
18 
Das muß ihn beklagen.
 
19 
4
20 
Ach, ach wie liegt er so verkalt,
21 
Verblasset und verstalt!
22 
Seiner Augen Freundlichkeit,
23 
Seiner Stirne Herrlichkeit
24 
Ist nun ganz verschwunden.
 
25 
5
26 
O Menschenkind, bedenk es wohl.
27 
Was dies bedeut und soll!
28 
Deine Sünd und Missetat
29 
Ists, die ihn getötet hat
30 
Und ins Grab versenket.
 
31 
6
32 
Wie selig ist der, weil er lebt,
33 
Sich selbst mit ihm begräbt!
34 
Der von Sünden abesteht
35 
Und durch seinen Tod eingeht
36 
In ein besser Leben.
 
37 
7
38 
Drum fall ich auch nun zu dir hin,
39 
Mein Jesu, wie ich bin.
40 
Denn ich will, o Gott, mit dir
41 
Sein begraben für und für,
42 
Bis ich auferstehe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Sie beklagt ihn bei dem Grabe“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
172
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie beklagt ihn bei dem Grabe“ wurde von Angelus Silesius, geboren am 25. Dezember 1624 in Breslau und gestorben am 9. Juli 1677, verfasst. Es fällt in die Epoche des Barock, in der religiöse Themen oft im Vordergrund standen.

Auf den ersten Blick ist das Gedicht geprägt von einer tiefen Trauer und Religiosität. Es erzählt von der Klage einer Person, vermutlich einer Frau, angesichts des Todes Jesu. Das lyrische Ich führt einen inneren Dialog, in dem es seine Trauer über den Tod Jesu ausdrückt und die Bedeutung dieses Todes interpretiert.

Das lyrische Ich appelliert an alle, die Jesus lieben, und drückt seine innere Zerrissenheit und Trauer aus. Der Tod Jesu wird als bedeutsames Geschehen dargestellt, das nicht nur das lyrische Ich, sondern die gesamte Welt betrifft. Die Personifikation des Menschen als Braut und Jesus als Bräutigam betont die intime Verbindung zwischen Gläubigen und Jesus. Die dritte Strophe übermittelt das Ausmaß der Trauer und die Veränderung, die der Tod Jesu mit sich brachte.

Die vierte Strophe beschreibt den physischen Zustand Jesu nach dem Tod, die Ausdrücke „verkalt“, „verblasset“ und „verstalt“ betonen die Vergänglichkeit des Lebens. Die fünfte Strophe reflektiert die moralische Dimension des Geschehens. Die Sünden der Menschheit werden für den Tod Jesu verantwortlich gemacht. In der sechsten und siebten Strophe nimmt das lyrische Ich eine aktivere Position ein; es zeigt die Hoffnung auf Erlösung und das Streben nach einem besseren Leben durch den Tod Jesu.

Formal besteht das Gedicht aus sieben gleichgebauten Strophen mit jeweils fünf Versen. Es verwendet eine einfache, verständliche Sprache und folgt einem klaren Reimschema. Es herrscht ein regelmäßiger Wechsel zwischen Jambus und Trochäus. Durch die regelmäßige Struktur und den lyrischen Ton entfaltet das Gedicht eine meditative Wirkung und lädt zum Nachdenken und Verweilen ein.

Insgesamt bietet das Gedicht „Sie beklagt ihn bei dem Grabe“ einen tiefen Einblick in die religiöse Mentalität des Barock. Durch die konzentrierte, lyrische Form wird die tiefe Trauer, aber auch die Hoffnung und der Glaube an die Erlösung durch den Tod Jesu klar und eindringlich vermittelt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sie beklagt ihn bei dem Grabe“ des Autors Angelus Silesius. 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1640 bis 1677 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Bei Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde anfänglich abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung konnte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile des Deutschen Reiches zerstört. Die Menschen der damaligen Zeit, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Provinz und Hof geprägt, litten folglich unter den immensen Auswirkungen des Krieges. Unzählige Menschen starben an den Folgen der Pest und des Krieges. Die Epoche des Barocks wurde davon maßgeblich geprägt. Vornehmlich Pest und Krieg in der Zeit des Barocks zeigen auch ein bedeutendes Merkmal auf: der Gegensatz. Zum einen Armut, Tod und Elend, zum anderen Glanz, Prunk und Macht. So lebte die einfache Bevölkerung in Armut, während Adelige einen luxuriösen Lebensstil bevorzugten. Im Zeitalter des Barocks löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Die Autoren gehörten in der Regel dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Beamte und Adelige. Berühmte Lyriker des Barocks sind insbesondere Andreas Gryphius, Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 172 Worte. Die Gedichte „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“, „Man achtet das Ewige nicht“ und „Der Mensch ist groß vor Gott“ sind weitere Werke des Autors Angelus Silesius. Zum Autor des Gedichtes „Sie beklagt ihn bei dem Grabe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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