Sie ladet ihn in ihr Herze ein von Angelus Silesius

1
Ach, was stehst du auf der Au
Und wirst naß und kalt vom Tau?
Tritt herein in meine Hütte,
Denn dir rufet das Gemüte.
Nimm in meinem Herzen Ruh,
Du verliebter Schäfer, du.
 
2
Schau, ich tu dir auf die Tür,
10 
Komm doch, komm herein zu mir;
11 
Komm doch, weil ich mit Verlangen
12 
Oft gewünscht, dich zu empfangen.
13 
Komm, o süßer Seelengast,
14 
Hier ist deine Ruh und Rast.
 
15 
3
16 
Ei, was willst du weiter gehn
17 
Oder länger draußen stehn?
18 
Komm in meines Herzens Höhle,
19 
Liebste Seele meiner Seele.
20 
Komm, ich räume dir es ein,
21 
Ewig solls dein eigen sein.
 
22 
4
23 
Komm, es soll in jedem Nun
24 
Deinen liebsten Willen tun,
25 
Bis es endlich von der Erden
26 
Wird durch dich erhaben werden;
27 
Da es dir zu Lob und Preis
28 
Sei ein ewig Paradeis.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Sie ladet ihn in ihr Herze ein“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
129
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Sie ladet ihn in ihr Herze ein“ wurde von Angelus Silesius geschrieben, einem germanischen Priester und dichterischen Mystiker aus dem 17. Jahrhundert.

Auf den ersten Blick kann das Gedicht als romantische Einladung eines weiblichen lyrischen Ichs an einen geliebten „Schäfer“ erscheinen. Gleichzeitig könnte der „Schäfer“ aber auch als Metapher für Gott interpretiert werden, der in der Bibel häufig als der „gute Hirte“ dargestellt wird. In diesem Sinn wäre das Gedicht ein Ausdruck tiefer religiöser Hingabe und Einladung Gottes, in das Herz des lyrischen Ichs einzuziehen.

Das lyrische Ich bietet dem „verliebten Schäfer“ in den ersten beiden Strophen Einlass in ihre Hütte und ihr Herz an – ein Ort der Ruhe und Rast. In der dritten Strophe wird die Einladung noch weiter verstärkt. Das lyrische Ich möchte, dass der „Schäfer“ seine ganze Aufmerksamkeit auf sie richtet und nicht weitergeht oder draußen bleibt. Das Einladen in das Herz, die „Höhle“, impliziert eine tiefe Verbindung und Zugehörigkeit zwischen dem lyrischen Ich und dem Angesprochenen. Die letzte Strophe nimmt eine Zukunftsperspektive ein und beschreibt das Herz als einen Ort, der dem „Schäfer“ immer dienen und schließlich zu seinem ewigen „Paradeis“ werden wird.

In Form und Sprache wirkt das Gedicht zugänglich und verständlich, obwohl es aus dem 17. Jahrhundert stammt. Es besteht aus vier Sechszeilenstophen (Sextetten) und benutzt vorwiegend einfache, klare Worte. In den Formulierungen „Tritt herein in meine Hütte“, „Hier ist deine Ruh und Rast“ oder „Ewig solls dein eigen sein“ wird das Verlangen und die Zuneigung des lyrischen Ichs sehr deutlich. Auch rhythmisch ist das Gedicht sehr flüssig und einfühlsam.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Silesius durch die Verwendung des lyrischen Ichs in seinem Gedicht tiefe Emotionen und Sehnsüchte ausdrückt. Ob man das Gedicht nun eher romantisch oder religiös interpretiert, zeigt jedoch, dass Poesie häufig mehrere Deutungsebenen besitzt und somit einen Raum für vielfältige Interpretationen bietet.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Sie ladet ihn in ihr Herze ein“ ist Angelus Silesius. 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1640 und 1677. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Barockliteratur wird in der deutschen Literaturgeschichte seit 1800 die literarische Produktion in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet und folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie seltsam geformte, schiefrunde Perle. Der Dreißigjährige Krieg(1618–1648) gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein wirtschaftlich, politisch und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. Es wurden Zerstörung, Gewalt und Tod zum Teil des Alltags der Menschen der damaligen Zeit. Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest reduzierte die Bevölkerung um ein Drittel. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von Pessimismus und bitterer Armut, während an den Fürstenhöfen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird der Gebrauch solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Diese Gegensätzlichkeiten lassen sich bei den Motiven des Barocks finden. Der Barock war die erste Epoche, die in Deutschland zur Folge hatte, dass Literatur von nun an nicht mehr auf Latein, sondern erstmals auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Eine besondere zur Zeit des Barock präferierte Form der Lyrik stellte das sogenannte Sonett dar. Schriftsteller und Werke sind zahlreich in dieser Zeit. Andreas Gryphius, Martin Opitz oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind unverkennbare Vertreter der Zeit des Barocks.

Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 129 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Angelus Silesius sind „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“, „Man achtet das Ewige nicht“ und „Der Mensch ist groß vor Gott“. Zum Autor des Gedichtes „Sie ladet ihn in ihr Herze ein“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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