Sie bittet, er wolle bei ihr bleiben, weils Abend worden von Angelus Silesius

1
Wo willst du hin, weils Abend ist,
Verliebter Pilgram Jesu Christ?
Ei, bleib doch hier und rast in mir,
Ich laß dich nicht, du ewges Licht,
Ich schrei dir nach mit tausend Ach:
Ach bleib doch hier, mein Leben,
Ich will dir Herberg geben.
 
2
10 
Die Sonne hat sich schon gesenkt,
11 
Die Nacht ist da, die mich bedrängt.
12 
Komm doch herein, mein Freudenschein,
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Zünd an mein Herz wie eine Kerz,
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Erleucht es ganz mit deinem Glanz,
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Daß ich dich mög erkennen
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Und durch und durch entbrennen.
 
17 
3
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Wenn du bei mir bleibst, werter Gast,
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So werd ich ledig meiner Last.
20 
Du brichst mir Brot in Hungersnot,
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Du treibest weit die Eitelkeit,
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Du zeigst mir an die rechte Bahn,
23 
Du machst, daß meine Sinnen
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Die Wahrheit finden können.
 
25 
4
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Ich lasse dich nicht, liebster Freund,
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Bis daß die Sonne wieder scheint.
28 
Hab nur Geduld und sei mir huld,
29 
Du kannst nicht fort aus diesem Ort,
30 
Mein Herze wacht, hat deiner Acht,
31 
Ich will dich fest umfassen
32 
Und nicht entweichen lassen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Sie bittet, er wolle bei ihr bleiben, weils Abend worden“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
166
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Sie bittet, er wolle bei ihr bleiben, weils Abend worden“ wurde von Angelus Silesius verfasst, der im 17. Jahrhundert lebte und vor allem für seine religiös-mystische Lyrik bekannt ist.

Der erste Eindruck des Gedichts ist von einer tiefen Sehnsucht und Liebe geprägt, die das lyrische Ich an den Adressaten, mit dem es in engem Dialog steht, richtet. Dieses lyrische Ich kann als Personifizierung der menschlichen Seele verstanden werden, die sich nach der Vereinigung mit Jesus Christus sehnt, der als „Verliebter Pilgram“ und „ewiges Licht“ bezeichnet wird.

Inhaltlich drückt das Gedicht eine tiefgehende Sehnsucht aus, Jesus nahe zu sein und Ihn nicht zu verlieren. Es betont die Wichtigkeit und Bedeutung von Jesus' Gegenwart, indem es die metaphysische Dunkelheit heraufbeschwört, die ohne Ihn entsteht und betont, dass nur durch seine Gegenwart die Seele Erleuchtung und Wahrheit finden kann.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils sieben Versen. Es hat eine regelmäßige Struktur, die rhythmische und melodische Wiederholungen, vor allem im Refrain (z.B. „Ich lasse dich nicht, liebster Freund“), verwendet und dadurch eine betende und flehende Atmosphäre erzeugt.

Die Sprache des Gedichts ist bildreich und symbolisch. Es gibt viele Metaphern für Jesus, wie etwa „Verliebter Pilgram“, „ewiges Licht“, „Freudenschein“, und „werter Gast“. Diese Bilder vermitteln eine Atmosphäre der Liebe, Hingabe und Sehnsucht. Auch die wiederholte Anrede und Bitten stärken diese Atmosphäre.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Angelus Silesius mit diesem Gedicht ein tief berührendes Bild der Seele entwirft, die sich nach Vereinigung mit Christus sehnt. Es ist ein leidenschaftlicher Dialog zwischen Gott und Mensch, der die transformative und heilende Kraft der göttlichen Präsenz und Liebe verdeutlicht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Sie bittet, er wolle bei ihr bleiben, weils Abend worden“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. Der Autor Angelus Silesius wurde 1624 in Breslau geboren. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Bei Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Literaturepoche des Barocks, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Durch die Pest starben ca. 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verfall im Deutschen Reich. Dennoch lebten die Fürsten einen luxuriösen und ausschweifenden Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Krieg, um eine Neuordnung der Territorien vorzunehmen und ihre Macht weiter auszubauen und zu festigen. Die Barockdichtung ist vorwiegend von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) geprägt, die die Einstellung der Menschen zum Leben beschreiben. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war der Alltag der Menschen von Gewalt und Zerstörung geprägt. Alle diese Motive setzen sich auf verschiedene Art mit der weitverbreiteten Angst vor dem Lebensende und dessen Auswirkungen auseinander. Die am häufigsten verwendeten Formen in der Poesie waren das Sonett, das Epigramm, die Elegie und die Ode. In der Literatur des Barocks begannen die Autoren ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Die Autoren der Renaissance verfassten ihre Werke noch auf Lateinisch. Die Hauptvertreter der Lyrik der Barockzeit sind Martin Opitz, Paul Fleming, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Andreas Gryphius, Simon Dach, Johann Christian Günther, Angelus Silesius und Friedrich von Logau.

Das vorliegende Gedicht umfasst 166 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Die Gedichte „Vom Wissen“, „Vom Gewissen“ und „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“ sind weitere Werke des Autors Angelus Silesius. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie bittet, er wolle bei ihr bleiben, weils Abend worden“ weitere 1832 Gedichte vor.

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