Sie läßt ihm entbieten, daß sie vor seiner Liebe krank lieget von Angelus Silesius

1
Ihr Engel, die das höchste Gut
Verordnet hat zu unsrer Hut,
Geht, bringets meinem Bräutgam hin,
Daß ich vor Lieb erkranket bin.
 
2
Die Liebe hat mirs Herz verwundt,
Daß michs noch schmerzet diese Stund.
Die Liebe hat mein Mark verzehrt
10 
Und alles Blut mir ausgeleert.
 
11 
3
12 
Ich habe schon so lang und oft
13 
Nach ihm geschrieen und geruft,
14 
Zu ihm gesagt mit tausend Ach:
15 
Um dich, mein Jesu, bin ich schwach.
 
16 
4
17 
Nun sterb ich hin, wo er nicht kömmt
18 
Und mich in seine Arme nimmt.
19 
Ach, ach, was ists für große Pein,
20 
Ihn lieben und nicht bei ihm sein.
 
21 
5
22 
Mein Herz ist aus sich selber hin,
23 
Verlassen hat mich aller Sinn.
24 
Die Seel ist auch schon auf der Bahn,
25 
Weil sie ohn ihn nicht leben kann.
 
26 
6
27 
Drum geht, ihr Engel, bringts ihm bei,
28 
Daß ich schon halb gestorben sei.
29 
Wo er mich liebt, so komm er doch,
30 
Weil ich den Atem schöpfe noch.
 
31 
7
32 
Liebkost mich jetzt nicht seine Huld,
33 
So ist er meines Todes Schuld,
34 
Dieweil er selbst oft früh und spat
35 
Zur Liebe mich gereizet hat.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Sie läßt ihm entbieten, daß sie vor seiner Liebe krank lieget“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
176
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie lässt ihm entbieten, dass sie vor seiner Liebe krank lieget“ wurde von Angelus Silesius verfasst, einem geistlichen Dichter des 17. Jahrhunderts. Es handelt von der tief empfundenen, leidenschaftlichen Liebe des lyrischen Ichs und dessen schmerzvollem Verlangen nach dem Angebeteten.

Das erste, was beim Lesen dieses Gedichts auffällt, ist das starke Empfinden und die überwältigende Leidenschaft, die das lyrische Ich gegenüber dem geliebten Gegenüber hat. Das übermäßige Gefühl führt zum Kranksein und zu körperlichem Leiden, das metaphorisch durch Verletzungen des Herzens und der Seele ausgedrückt wird.

Bezüglich des Inhaltes beklagt das lyrische Ich im Gedicht den physischen Schmerz und die Krankheit, die durch seine intensiven Gefühle der Liebe ausgelöst werden. An mehreren Stellen drückt das lyrische Ich die Habsucht und Notwendigkeit der Gegenwart und Zuneigung des Geliebten aus, ohne die es nicht leben kann und zu sterben droht. Das Ich bittet die Engel, die Botschaft seiner Liebe und seines Verlangens an den Liebhaber zu übermitteln.

Form und Sprache des Gedichts sind in einem klassischen, barocken Stil gehalten, der durch seine formelle und dramatisierte Ausdrucksweise geprägt ist. Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit jeweils vier Versen, die eine festgelegte Reimform aufweisen. Die Sprache ist hochtrabend und leidenschaftlich und nutzt starke Metaphern und bildliche Ausdrücke, um die tiefen Gefühle des lyrischen Ichs darzustellen und zu unterstreichen.

Im Hinblick auf die Bedeutung und Aussage des Gedichts scheint das lyrische Ich durch seine Liebe überwältigt und auf dramatische Weise leidend zu sein. Das Gedicht entspricht somit der typischen barocken Stilistik, die gekennzeichnet ist durch einen hohen Grad an Emotionalität, Dramatik und die Betonung des Vergänglichen und Leidenden im menschlichen Leben.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Sie läßt ihm entbieten, daß sie vor seiner Liebe krank lieget“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. Silesius wurde im Jahr 1624 in Breslau geboren. In der Zeit von 1640 bis 1677 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Barockliteratur wird in der deutschen Geschichte der Literatur seit 1800 das schriftstellerische Schaffen in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet und folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie schiefrunde, seltsam geformte Perle. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte Deutschland einen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel der Bevölkerung verlor in dieser Zeit ihr Leben. Doch waren nicht etwa hohe Kriegsverluste dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen großen und kleinen Städten des Landes. Elend und Krieg lösten in der einfachen Bevölkerung ein tiefes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Dagegen lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in pompösen Luxus und ließen sich Prunkschlösser bauen. Diese Gegensätze von Todesangst und Lebenslust bzw. Armut und Luxus ließen sich ebenso in der Literatur ausmachen. In der Lyrik wird die Verwendung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. In der Literatur des Barocks wurde die lateinische Sprache von der deutschen abgelöst. Im Barockzeitalter war der überwiegende Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete zur gehobenen Unterhaltung oder bei Hofe zur Huldigung der Fürsten. Für wohlhabende Bevölkerungsschichten schrieben Dichter für Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten. Die Lyrik des Barocks wird daher auch als Gesellschaftsdichtung bezeichnet.

Das 176 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Angelus Silesius sind „Das Vieh lebt nach den Sinnen“, „Die Gliedmaßen der Seelen“ und „Du mußt geübt werden“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie läßt ihm entbieten, daß sie vor seiner Liebe krank lieget“ weitere 1832 Gedichte vor.

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