Sie beklagt sich, daß sie so lange von ihm muß abwesend sein von Angelus Silesius

1
Helfer meiner armen Seele,
Tröster in der Trauerhöhle,
Ach, wie ists so große Pein,
Lang und fern von dir zu sein.
 
2
Schau, ich zähle Tag und Stunden,
Bis ich selig werd entbunden.
Ach, wann endt sich meine Pein,
10 
Daß ich sonder dich muß sein.
 
11 
3
12 
Schneid den Lebensfaden abe,
13 
Bring mich heute noch zu Grabe,
14 
Denn es macht mir doch nur Pein,
15 
Wenn ich nicht bei dir soll sein.
 
16 
4
17 
Laß mich alle Lust genießen,
18 
Laß mich alle Künste wissen.
19 
Wenn ich nicht bei dir soll sein,
20 
So gebiert mir es nur Pein.
 
21 
5
22 
Laß mich alle Welt verehren,
23 
Musiziern mit tausend Chören.
24 
Alles, alles wird mir Pein
25 
Ohne dich, mein Jesu, sein.
 
26 
6
27 
Laß hergegen mich zerreißen
28 
Und vom Basilisk erbeißen.
29 
Wenn ich nur bei dir soll sein,
30 
So bedünkt michs keine Pein.
 
31 
7
32 
Ach, wer hilft mir doch erwerben,
33 
Daß ich schleunig möge sterben!
34 
Daß sich ende meine Pein,
35 
Die ich hab, bei Gott zu sein.
 
36 
8
37 
Helfer meiner armen Seele,
38 
Tröster in der Trauerhöhle,
39 
Jesu, Jesu, du allein,
40 
Mußt nur meine Hilfe sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.9 KB)

Details zum Gedicht „Sie beklagt sich, daß sie so lange von ihm muß abwesend sein“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
170
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie beklagt sich, daß sie so lange von ihm muß abwesend sein“ ist von Angelus Silesius, einem deutschen Priester und Dichter, der im 17. Jahrhundert lebte, genau genommen vom 25. Dezember 1624 bis zum 9. Juli 1677. Silesius war ein bedeutender Vertreter des Barock und der mystischen Dichtung.

Beim ersten Eindruck geht es im lyrischen Werk um Sehnsucht, Trennungsschmerz und die Suche nach Trost. Es ist eine Klage, die von Intensität der Gefühle und dramatischer Natur der Empfindungen geprägt ist.

Inhaltlich gibt das lyrische Ich seiner Verzweiflung Ausdruck, weil es so lange von jemandem getrennt ist, der ihm sehr viel bedeutet. Die Bezugsperson wird als „Helfer meiner armen Seele“ und „Tröster in der Trauerhöhle“ bezeichnet, wodurch klar wird, dass das lyrische Ich keinen geringeren als Gott, genauer gesagt Jesus, meint. Es zählt die Tage und Stunden, in denen es getrennt ist, und sehnt sich nach dem Ende der Pein. Die Sehnsucht ist so groß, dass das lyrische Ich sogar den eigenen Tod herbeisehnt, um bei ihm sein zu können. Es preferiert es lieber, leidenschaftlich zerrissen oder vom Basilisk (eine giftige mythische Schlange) gebissen zu werden, nur um bei seiner geliebten Person zu sein.

Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen, die jeweils vier Verse umfassen. Dies schafft eine klare, rhythmisch strukturierte Form und macht das Gedicht fast liedhaft. Die Sprache ist einfach und die Zeilen klingen erwägend und eindringlich, mit Wiederholungen und starker Betonung der zentralen Begriffe wie „Pein“ und „sein“. Mit dem Motiv des Todes, des Trennungsschmerzes und der Sehnsucht erzeugt Silesius eine intensive atmosphärische Dichte.

Die poetische Sprache wurde brav und in einer aufgeladenen emotionalen Art und Weise gekonnt eingesetzt, um die belastende Erfahrung des lyrischen Ichs hervorzuheben. Während das Gedicht eine dunkle Stimmung hat und ein hohes Maß an persönlichem Leid beschreibt, bietet es auch eine Art erhabene Schönheit. Es demonstriert die Kraft der Leidenschaft und der Hingabe, die das lyrische Ich gegenüber der begehrten Figur verkörpert. Es könnte auch eine Art metaphysische Allegorie auf das Glaubensleben sein, in der die Distanz von Gott als ein schmerzhafter Zustand dargestellt wird, der nur durch Vereinigung oder 'Einswerdung' mit dem Göttlichen beendet werden kann.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Sie beklagt sich, daß sie so lange von ihm muß abwesend sein“ ist Angelus Silesius. Im Jahr 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Barock kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Literatur des Barocks wird in der deutschen Geschichte der Literatur seit 1800 die literarische Produktion in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet und folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie seltsam geformte, schiefrunde Perle. Der Dreißigjährige Krieg, der in die Zeit von 1618 bis 1648 fiel, gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein politisch, wirtschaftlich und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. Es wurden Zerstörung, Gewalt und Tod zum Teil des Alltags der Menschen der damaligen Zeit. Schwere Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest schmälerte die Bevölkerung um ein Drittel. Es herrschte in der Epoche des Barocks ein antithetisches (also gegensätzliches) Weltbild. Luxus und Verschwendung des Adels standen Armut und Leid innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur war ebenso gekennzeichnet von inhaltlichen Widersprüchen. Jenseits und Diesseits standen sich ebenso gegenüber wie Spiel und Ernst oder etwa Schein und Sein. Als Literaturgattungen erlebten die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama größere Bedeutung. Während die Dichter der Renaissance vorwiegend auf Latein, der Sprache der Wissenschaft, verfassten, war man nun bestrebt, sich dem Deutschen zuzuwenden. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Akademiker, Theologen, Beamte und Adelige. Berühmte Autoren des Barocks sind etwa Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 170 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Der Dichter Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Heiligen messen Gott“, „Die Weisheit ist ein Quell“ und „Das Vieh lebt nach den Sinnen“. Zum Autor des Gedichtes „Sie beklagt sich, daß sie so lange von ihm muß abwesend sein“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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