Sie heißt ihren Lieben von ihr fliehen von Angelus Silesius

1
Fleuch, mein Geliebter, auf die Höhe,
Fleuch immer hin und warte nicht.
Fleuch gleichsam wie ein junges Rehe,
Das von der Ebne sich entbricht.
Je mehr du fleuchst und läufst von mir,
Je stärker zeuchst du mich nach dir.
 
2
Mein Herz ist an dein Herz gebunden
10 
Mit deiner ewgen Liebe Band.
11 
Drum wird von ihme bald empfunden,
12 
Wo sich das deine hingewandt.
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Fleuch immer, fleuch, es ist dein Fliehn
14 
Nichts anders, als mich nach dir ziehn.
 
15 
3
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Fleuch über alle Berg und Hügel,
17 
Fleuch in die Wüste weit und breit.
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Entlehne dir des Adlers Flügel,
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Fleuch mit des Winds Geschwindigkeit.
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Fleuch außer aller Kreatur,
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Ich fehle schon nicht deiner Spur.
 
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4
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Ich hoff, es wird mir noch gelingen,
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Daß du mich über Ort und Zeit
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Mit deinem Ziehn zur Ruh wirst bringen
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Und in die Schoß der Ewigkeit.
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Drum fleuch nur fort, ich folge dir,
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So stark du fleuchst und laufst von mir.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Sie heißt ihren Lieben von ihr fliehen“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
151
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Angelus Silesius, einem deutschsprachigen Dichter und Mystiker des Barockzeitalters. Silesius wurde am 25. Dezember 1624 getauft und starb am 9. Juli 1677. Das Gedicht, welches hier zur Interpretation vorliegt, wurde in seiner aktiven Schaffensphase verfasst und ist in vier Strophen mit jeweils sechs Versen unterteilt. Durch die Lebensepoche des Dichters kann das Gedicht zeitlich in die Epoche des Barocks, genauer in das 17. Jahrhundert, eingeordnet werden.

Der erste Eindruck des Gedichtes ist geprägt von starken emotionalen Aussagen und Bildwelt. Es weist ein hohes Maß an Dynamik und Bewegung auf, das sich durch das wiederkehrende Motiv des Fliehens verdeutlicht.

Inhaltlich geht es in dem Sonett um ein lyrisches Ich, das seinen Geliebten oder seine Geliebte dazu auffordert, von ihm oder ihr zu fliehen. Je mehr der Geliebte flieht, desto stärker zieht er das lyrische Ich an. Das lyrische Ich fühlt sich unumstößlich an den Geliebten gebunden und verfolgt ihn über Berge, durch Wüsten und mit der Geschwindigkeit des Windes. Das lyrische Ich bringt somit zum Ausdruck, dass die Liebe zu seinem Gegenüber so stark ist, dass es ihr überall hin folgen würde.

Die Sprache des Gedichts zeichnet sich durch eine klare und einfache Struktur aus. Die Verwendung des Wortes „Fleuch“ statt „Flieh“ und die Dialektfärbung ist typisch für die damalige Sprache und legt eine historische Bedeutung nahe. Die Metapher des fliehenden Rehes sowie des Adlersflügels zeugen von der meisterlichen Fähigkeit des Autors, mit Worten Bilder zu erzeugen und die Gefühlswelt des lyrischen Ichs nachvollziehbar zu machen.

Die Form des Gedichtes ist klassisch und strophisch angelegt. Die regelmäßigen sechs Verse pro Strophe und die gleichbleibenden Reime lassen auf einen strengen formalen Rahmen schließen. Trotzdem wirkt das Gedicht durch die dichterische Freiheit von Silesius nicht eingeschränkt, sondern vielmehr ausdrucksstark und fließend.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Gedicht um ein starkes und bewegtes Liebesbekenntnis, das durch die meisterhafte Verwendung von Sprache und Bildern in den Bann zieht und den Leser auf eine Reise der Gefühle mitnimmt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sie heißt ihren Lieben von ihr fliehen“ des Autors Angelus Silesius. Im Jahr 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1640 und 1677. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche des Humanismus und der Renaissance. Sie umfasst den Zeitraum von circa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet so viel wie„seltsam geformte, schiefrunde Perle“. Die Literaturepoche des Barocks ist durch ein bedeutendes Ereignis geprägt, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Durch die schlechten sanitären Bedingungen konnten sich Seuchen ausbreiten. Rund ein Drittel der Bevölkerung kamen durch den Krieg und sich ausbreitenden Seuchen, wie etwa der Pest, ums Leben. Durch die immense Verminderung der Bevölkerung schwächte sich das wirtschaftliche Leben zunehmend ab. Der Barock in der deutschen Literaturgeschichte wurde von Gegensätzen geprägt. Dabei standen hauptsächlich das Diesseits und das Jenseits oder das Sein und der Schein im Mittelpunkt der barocken Literatur. Von Gegensätzen geprägt war auch das Leben der Bevölkerung. So lebte die Mehrheit der Bevölkerung in Armut, Adelige hingegen lebten einen luxuriösen Lebensstil. In der Barockdichtung trat die deutsche an die Stelle der lateinischen Sprache, welche die Sprache der einflussreichsten deutschen Lyriker im 16. Jahrhundert gewesen war. Trotzdem war auch künftig die Elite Träger der Literatur. Da innerhalb der Zeit des Barocks die äußere Ästhetik und der Wohlklang eines literarischen Werkes eine große Rolle spielten, war die bevorzugte Literaturform jener Zeit das Gedicht. In den Gedichten wurden sehr gerne Symbole, Metaphern und Hyperbolik genutzt.

Das vorliegende Gedicht umfasst 151 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Angelus Silesius sind „Vom Gewissen“, „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“ und „Man achtet das Ewige nicht“. Zum Autor des Gedichtes „Sie heißt ihren Lieben von ihr fliehen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.

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