Sie bereitet sich, ihren Lieben im heiligen Sakrament zu empfangen von Angelus Silesius

1
Auf, auf, mein Herz, und du, o meine Seele,
Ermuntre dich in deines Leibes Höhle!
Du sollst den Herrn der Herrlichkeit empfangen
Und in dir selbst zu seinem Kuß gelangen.
 
2
Wirf alles das, was irdisch, auf Seiten
Und tu dich nur ihm würdig zubereiten.
Sei rein und fein geschmücket und gezieret,
10 
Wie einer Braut des Sohnes Gotts gebühret.
 
11 
3
12 
Er kömmt und will dir seine Lieb beweisen
13 
Und dich, sein Kind, mit seinem Leibe speisen.
14 
Er will dir von der Lebensquelle schenken
15 
Und dich vollauf mit seinem Blute tränken.
 
16 
4
17 
O große Gnad und unerhörte Liebe!
18 
Damit er ganz dein Leibeseigner bliebe
19 
Und dir dadurch erteilete sein Leben,
20 
Hat er sich selbst dir wolln zur Speise geben.
 
21 
5
22 
Dies haben vor in etlich tausend Jahren
23 
Die Väter nie empfangen und erfahren.
24 
Sie trunken nur vom Fels bedeutungsweise
25 
Und aßen Mann', das Vorbild dieser Speise.
 
26 
6
27 
Drum geh heraus mit feurigen Begierden
28 
Und nimm ihn an mit jungfräulichen Zierden.
29 
Verschließ ihn ganz in deinem keuschen Herzen
30 
Und klag ihm da die heilgen Liebesschmerzen.
 
31 
7
32 
Wirst du das tun und deine lautren Sinne
33 
Zu seinen Ehrn in Demut halten inne,
34 
So wirst du ihn als seine Braut genießen
35 
Und er wird dich auch als dein Bräutgam küssen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.8 KB)

Details zum Gedicht „Sie bereitet sich, ihren Lieben im heiligen Sakrament zu empfangen“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
200
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie bereitet sich, ihren Lieben im heiligen Sakrament zu empfangen“ wurde von Angelus Silesius verfasst, einem Dichter und Theologen des 17. Jahrhunderts. Silesius, geboren 1624 und gestorben 1677, gehört zur Barockzeit, die von großer religiöser Erneuerung geprägt war.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen den Eindruck eines frommen Werkes, das in tiefer Verbundenheit mit Gott verfasst wurde. Der Autor spricht eine sehr persönliche, emotionale Sprache, um ein tiefgründiges, religiöses Erlebnis zu beschreiben. Der Dialog zwischen der menschlichen Seele (das lyrische Ich) und Gott, der als „der Herr der Herrlichkeit“ bezeichnet wird, steht im Mittelpunkt.

Inhaltlich drückt das Gedicht den sehnsüchtigen Wunsch aus, Gott im Sakrament der Eucharistie zu empfangen. Die Seele bereitet sich auf dieses Ereignis vor, indem sie alles Irdische ablegt und mit reinem Herzen Gott empfangen will. Die Metaphorik und symbolische Sprache deuten auf die Transformation hin, die durch das Empfangen der heiligen Sakramente geschieht. Das lyrische Ich vergleicht seine Beziehung zu Gott mit der zwischen Braut und Bräutigam und betont die Gnade und Liebe, die Gott schenkt.

Bezüglich der Form besteht das Gedicht aus sieben vierzeiligen Strophen, was ein typisches Charakteristikum des barocken Sonetts ist, das traditionell sieben Strophen umfasst. Jede Zeile wird durch einen Aufruf, eine Aufforderung oder eine Bekräftigung strukturiert und baut auf der vorhergehenden auf, um ein kohärentes, spirituelles Bekenntnis zu formulieren.

Die Sprache des Gedichts ist typisch für das Barock. Sie ist geprägt von einer intensiven, bildhaften Sprache und starken emotionalen Ausdrucksformen. Silesius nutzt eine Sprache der Liebe, um die tiefe Bindung zwischen Mensch und Gott auszudrücken. Dabei finden sich viele biblische Anspielungen, wie z.B. auf die Geschichte von Mose und den Israeliten, die aus dem Felsen Wasser erhielten und Manna von Gott bekamen (Verse 19-20).

Abschließend kann man sagen, dass Angelus Silesius in diesem Gedicht eine tiefe religiöse Hingabe ausdrückt. Er nutzt das lyrische Ich, um eine intensive Sehnsucht nach Gott und das Erleben der göttlichen Liebe zu beschreiben. Das Gedicht ist ein ausdrucksstarkes Beispiel für die barocke religiöse Poesie.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Sie bereitet sich, ihren Lieben im heiligen Sakrament zu empfangen“ ist Angelus Silesius. Silesius wurde im Jahr 1624 in Breslau geboren. Zwischen den Jahren 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Barock kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Barock umfasst etwa den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Der Dreißigjährige Krieg war ein Territorial- und Religionskrieg in Europa, der für Zerstörung, Tod und Elend sorgte. Dazu kamen ein Niedergang der Wirtschaft und die Pest, welche das Unheil während des Dreißigjährigen Krieges nur noch befeuerte. Die Dichtung des Barocks ist im Wesentlichen von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) geprägt, die die Einstellung der Menschen zum Leben beschreiben. Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war das Leben der Menschen von Gewalt und Zerstörung geprägt. Alle genannten Motive setzen sich auf verschiedene Weise mit der weitverbreiteten Angst vor dem Lebensende und dessen Auswirkungen auseinander. In der vorausgegangenen Epoche der Renaissance waren noch viele Werke auf Lateinisch veröffentlicht worden. Mit dem Barock begann die Zeit der in deutscher Sprache verfassten Literatur. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Akademiker, Theologen, Adelige und Beamte. Berühmte Dichter des Barocks sind insbesondere Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 200 Worte. Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Heiligen messen Gott“, „Die Weisheit ist ein Quell“ und „Das Vieh lebt nach den Sinnen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie bereitet sich, ihren Lieben im heiligen Sakrament zu empfangen“ weitere 1832 Gedichte vor.

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