Sie befiehlt sich ihm bei angehender Nacht von Angelus Silesius

1
Dieweil nunmehr die finstre Nacht
Der Sternen Heer führt auf die Wacht,
Und Phöbus seinen Glanz
Vor uns verbirget ganz,
So will ich mich zu dir,
Mein Leitstern Jesu, wenden
Und diesen Tag vollenden
Mit himmlischer Begier.
 
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Ich sage dir von Herzen Dank
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Mit aller Heilgen Lobgesang
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Für alls, was deine Gnad
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Mir heut erzeiget hat.
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Und so ich was vor dir,
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Das sündlich ist, gehandelt
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Und ärgerlich gewandelt,
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Bitt ich, vergib es mir.
 
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Ich lege mich mit heilger Lust
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Auf deiner Menschheit offne Brust,
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Damit du mir den Wein
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Deins Herzens flößest ein.
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Laß mich, o süßes Bild,
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In deinen keuschen Armen
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Entschlafen und erwarmen
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Und ruhn, so lang du willt.
 
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4
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Laß meinen Sinnen für und für
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Nichts anders träumen als von dir.
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Bei dir, mein Schatz, allein
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Laß mein Gemüte sein.
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Laß deiner Engel Schar
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Mein Leib und Seel bewachen,
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Daß mir vom höllschen Drachen
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Kein Unglück widerfahr.
 
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Und so du etwan meine Seel
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Willst nehmen aus des Leibes Höhl,
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O allerliebstes Licht,
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So denk an deine Pflicht.
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Laß mich im selben Nun
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Auf einem Engelswagen
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Ins Paradeis hin tragen,
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Daß ich mög ewig ruhn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Sie befiehlt sich ihm bei angehender Nacht“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
45
Anzahl Wörter
187
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie befiehlt sich ihm bei angehender Nacht“ wurde von Angelus Silesius verfasst, einem bedeutenden deutschen religiösen Lyriker des 17. Jahrhunderts. Der deutsche Dichter und Mystiker, bürgerlicher Name Johannes Scheffler, lebte von 1624 bis 1677.

Beim ersten Lesen hinterlässt das Gedicht einen stark spirituellen Eindruck. Es ist in einer hoch poetischen, archaischen Sprache geschrieben, voller symbolischer Bilder und Anspielungen auf christliche Themen.

Der Inhalt des Gedichtes lässt sich folgendermaßen wiedergeben: Das lyrische Ich wendet sich in der einbrechenden Nacht an Jesus und überlässt sich ihm gänzlich. Es dankt für gnädig gewährte Güte und bittet um Vergebung für seine Sünden. Es legt sich auf „der Menschheit offne Brust“, um sich von der Liebe Jesu tränken zu lassen. Es bittet darum, in seinen Armen einzuschlafen, und es wünscht, dass seine Sinne nur von Jesus träumen. Es bittet darum, von himmlischen Engeln beschützt zu werden, damit es kein Unglück trifft. Schließlich bittet es darum, dass, wenn seine Seele ihren Körper verlässt, diese auf einem Engelswagen in den Himmel geführt wird.

Die Botschaft des lyrischen Ichs in diesem Gedicht ist klar: Es sehnt sich nach spiritueller Erlösung und begibt sich vollkommen in die Obhut Jesu. Es ist ein Gebet und ein Bekenntnis der Liebe zu Jesus.

Das Gedicht ist in fünf Strophen mit jeweils acht Versen unterteilt. Es folgen keine festen Reim-, Rhythmus- oder Metrik-Schemata, doch der künstlerische Ansatz des Dichters verleiht dem Gedicht eine gewisse Melodik und Harmonie. Die Sprache ist gehoben und altertümlich. Es ist voll von symbolischen Bildern und Metaphern, wie etwa der Vergleich der Dunkelheit mit der sündhaften Seele oder Jesus als Leitstern und Licht. Silesius verwendet auch spezifisch christliche Symbolik, wie Engel, die die Seele schützen, oder den Engelswagen, der die Seele in den Himmel bringt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das lyrische Ich in „Sie befiehlt sich ihm bei angehender Nacht“ seine vollkommene Hingabe zu Jesus ausdrückt, seine Hoffnung auf Vergebung und spirituellen Frieden, sowie seine Sehnsucht nach himmlischem Schutz und endgültiger Erlösung. Es ist ein ausdrucksstarkes Beispiel für religiöse Lyrik des 17. Jahrhunderts, das die tiefe Spiritualität und Hingabe des Dichters an seinen Glauben widerspiegelt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Sie befiehlt sich ihm bei angehender Nacht“ ist Angelus Silesius. 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Als Barockliteratur wird in der deutschen Geschichte der Literatur seit 1800 die literarische Produktion in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet und folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen („barocco“) und bedeutet so viel wie schiefrunde, seltsam geformte Perle. Die Literaturepoche des Barocks ist durch ein gewichtiges Ereignis geprägt, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Durch die desaströsen sanitären Bedingungen konnten sich Seuchen ausbreiten. Rund dreißig Prozent der Menschen kamen durch den Krieg und grassierenden Seuchen, wie etwa der Pest, ums Leben. Durch die immense Verminderung der Bevölkerung schwächte sich das wirtschaftliche Leben zunehmend ab. Die Epoche des Barocks in der deutschen Literaturgeschichte wurde von Gegensätzen geprägt. Dabei standen vordergründig das Diesseits und das Jenseits oder der Schein und das Sein im Mittelpunkt der Dichtung. Von Gegensätzen geprägt war auch das Leben der Bevölkerung. So lebte die Mehrheit der Bevölkerung in Armut, Adelige hingegen lebten einen luxuriösen Lebensstil. Der Barock war die erste Epoche, die in Deutschland zur Folge hatte, dass Gedichte von nun an nicht mehr in lateinischer Sprache, sondern erstmals auch in deutscher Sprache publiziert wurden. Eine besondere in der Zeit des Barocks bevorzugte Form der Lyrik bildete das sogenannte Sonett. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Adelige und Beamte. Berühmte Autoren des Barocks sind etwa Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 187 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 45 Versen. Der Dichter Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Du mußt geübt werden“, „Gott ist mein Himmelbrot“ und „Des Weisen Goldmachung“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie befiehlt sich ihm bei angehender Nacht“ weitere 1832 Gedichte vor.

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