Sie sehnt sich in den lieblichen Abgrund Gottes zu versenken von Angelus Silesius

1
Du wonnigliches Gut, das alle Geister speiset
Und allen Kreaturn Genad und Huld erweiset.
Wann wirst du dich in mich begeben
Und überflüssiglich erfülln?
Wann wirst du selber sein mein Leben
Und alle mein Begehren stilln?
 
2
Du wahres Paradeis, du ewger Frühlingsgarten,
10 
Du breites Blumenfeld von unerhörten Arten.
11 
Wann werd ich von des wüsten Erden
12 
In deine Lustbarkeit versetzt?
13 
Wann werd ich deiner würdig werden
14 
Und ewig sein von dir ergötzt?
 
15 
3
16 
Du freudenreicher Strahl, wann wirst du mich verzucken
17 
Und ganz und gar in dich und deinen Blitz einschlucken?
18 
Wann fällt das Fünklein, meine Seele,
19 
Ins Feuer deiner Gottheit ein?
20 
Wann solls samt ihrer Leibeshöhle
21 
Mit dir ein einge Flamme sein?
 
22 
4
23 
Du ewges Wollustmeer, wann wirst du mich recht tränken,
24 
Wann wirst du mich in dich mit Leib und Seel versenken?
25 
Wann wird mein Geist in dich zerfließen
26 
Und seiner Liebe Lauf vollführn?
27 
Wann werd ich mich auch selbst nicht wissen
28 
Und ewiglich in dich verliern?
 
29 
5
30 
Du hochgewünschte Ruh, du Zielstatt der Verliebten,
31 
Du End- und Mittelpunkt der wallenden Betrübten.
32 
Wann werd ich, Jesu, zu dir kommen
33 
Und unabscheidlich bei dir sein?
34 
Wann werd ich in dich aufgenommen?
35 
Wann, wann, Jesu, mein einges Ein?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Sie sehnt sich in den lieblichen Abgrund Gottes zu versenken“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
194
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie sehnt sich in den lieblichen Abgrund Gottes zu versenken“ stammt von Angelus Silesius, einem deutschen Lyriker und Mystiker des 17. Jahrhunderts.

Auf den ersten Eindruck wird deutlich, dass dieses Gedicht einen starken spirituellen oder religiösen Bezug hat. Das lyrische Ich äußert einen tiefgehenden Wunsch, eine Sehnsucht danach, mit Gott oder einem höheren Wesen zu verschmelzen.

Inhaltlich dreht sich das Gedicht um die fortwährende Frage des lyrischen Ichs, wann es in Gott aufgenommen werden und den Zustand der himmlischen Glückseligkeit erreichen wird. Dabei verwendet Silesius verschiedene Metaphern, um das Göttliche zu beschreiben. Es spiegelt sich in der Bezeichnung als „wonnigliches Gut“, „wahres Paradies“, „freudenreicher Strahl“ und „ewges Wollustmeer“. Das lyrische Ich drückt seine Sehnsucht nach Vereinigung mit dieser göttlichen Präsenz aus und wünscht sich, in die Liebesfähigkeit, den Frieden und die Ruhe Gottes aufgenommen zu werden.

Formal gesehen ist das Gedicht in fünf Strophen mit jeweils sechs Versen eingeteilt. Es hält sich an ein striktes Metrum und einen einheitlichen Reimschema, was den Fluss der Worte und die Rhythmus des Gedichts unterstützt. Der häufige Einsatz rhetorischer Fragen verstärkt das Gefühl der Sehnsucht und des Strebens des lyrischen Ichs.

Die Sprache des Gedichts ist reich an metaphorischen Bildern und zeugt von einem tiefen Einfühlungsvermögen in die Thematik. Die wiederkehrenden Fragen nach dem „Wann“ verstärken den Eindruck der Sehnsucht und der Ungewissheit des lyrischen Ichs. Insgesamt betrachtet, stellt dieses Gedicht beispielhaft die mystische Seite der Dichtung von Silesius dar und verdeutlicht seine tiefen religiösen Überzeugungen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sie sehnt sich in den lieblichen Abgrund Gottes zu versenken“ des Autors Angelus Silesius. Im Jahr 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. In der Zeit von 1640 bis 1677 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Sie umfasst den Zeitraum von etwa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte das Deutsche Reich einen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel der Bevölkerung verlor in dieser Zeit ihr Leben. Doch waren nicht etwa hohe Kriegsverluste dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen großen und kleinen Städten des Landes. Es herrschte in der Epoche des Barocks ein antithetisches Weltbild. Luxus und Verschwendung der Adeligen standen Armut und Leid innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur des Barocks war ebenso gekennzeichnet von thematischen Widersprüchen. Diesseits und Jenseits standen sich ebenso gegenüber wie Spiel und Ernst oder Sein und Schein. In der Literatur des Barocks wurde die lateinische Sprache von der deutschen abgelöst. Im Barockzeitalter war der überwiegende Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete bei Hofe als Fürstenhuldigung oder zur gehobenen Unterhaltung. Für den wohlhabenden Bürger schrieben Lyriker für Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten. Die Lyrik der Literaturepoche des Barocks wird deswegen auch als Gesellschaftsdichtung bezeichnet.

Das Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 194 Worte. Die Gedichte „Vom Wissen“, „Vom Gewissen“ und „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“ sind weitere Werke des Autors Angelus Silesius. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie sehnt sich in den lieblichen Abgrund Gottes zu versenken“ weitere 1832 Gedichte vor.

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