Lob der heiligen Jungfrauen Marie von Angelus Silesius

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Dich, Mutter Gottes, loben wir,
Dich ehrn wir, Jungfrau, für und für.
Dir, als des heilgen Geistes Braut,
Wird alle Welt voll Ruhms geschaut.
Dir dienen alle Himmelshelden,
Die Thronen stehn vor deinem Thron,
Von deiner Pracht und deiner Kron
Die Fürsten mit Verwundrung melden.
 
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Auf dich schaun alle Cherubim,
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Dir singen alle Seraphim,
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Sie schreien sämtlich: Heilig ist,
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Die Gott zur Mutter hat erkiest.
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Des Himmels Hof, der Kreis der Erden,
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Sind beide voller Herrlichkeit
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Der edlen Frucht, die in der Zeit
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Aus dir hat wolln geboren werden.
 
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Dich lobet der Apostel Chor,
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Dich hebt der Märtrer Schar empor,
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Dich rühmet der Propheten Mund
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Und der Bekenner offner Grund.
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Dich preisen selig die Jungfrauen,
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Dir sind die Heilgen all in Freud,
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Dich bitt die ganze Christenheit
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Und hat zu dir ein groß Vertrauen.
 
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Du bist des Himmels Königin,
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Der Majestät Gebärerin.
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Du bist des Schöpfers Ruhm und Zier,
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Du bist des Paradieses Tür.
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Du bist des Höchsten Lust und Leben,
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Ein Tempel der Dreifaltigkeit,
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Durch dich wird uns Barmherzigkeit
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Von Gott erzeiget und gegeben.
 
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Du bist des ewgen Gotts Gezelt,
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Bist die Beherrscherin der Welt.
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Du bist der ewgen Sonnen Bot
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Und aller Seelen Trost nach Gott.
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Du bist der Teufel Furcht und Schrecken,
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Du stehst den Kranken heilsam bei.
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Du machst gewaltig, quitt und frei,
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Die in Gefahr des Todes stecken.
 
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Du hochgebenedeites Weib
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Empfingest Gott in deinem Leib,
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Daß unser menschliches Geschlecht
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Zur Himmelserbschaft hätte Recht.
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Durch dich ist uns der Himmel offen,
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Du stehst nächst deinem lieben Sohn
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Zur Rechten bei des Vaters Thron,
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Von dannen wir ihn wieder hoffen.
 
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Drum bitten wir dich, große Frau,
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Komm uns zu Hilf von's Himmels Bau.
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Hilf uns, die durch deins Sohnes Blut
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Erkaufet sind zu seinem Gut.
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Hilf uns ins ewge Leben reisen,
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Mach uns durch dein Kind Jesum heil,
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Daß wir an ihme haben Teil
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Und ihn mit dir ohn Ende preisen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28 KB)

Details zum Gedicht „Lob der heiligen Jungfrauen Marie“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
63
Anzahl Wörter
315
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht mit dem Titel „Lob der heiligen Jungfrauen Marie“ wurde von Angelus Silesius verfasst, einem bedeutenden Vertreter der barocken Mystik, der von 1624 bis 1677 lebte. Das barocke Zeitalter zeichnete sich in der Dichtkunst durch besondere Frömmigkeit sowie eine tiefe Beschäftigung mit Tod und Vergänglichkeit aus; diese geistliche Haltung lässt sich auch in dem vorliegenden Gedicht wiederfinden.

Auf den ersten Eindruck fällt die hohe Anzahl von Anrufungen und Lobpreisungen der Jungfrau Maria auf, die auf eine tiefgreifende Verehrung der Gottesmutter durch das lyrische Ich hindeuten. Inhaltlich handelt das Gedicht von der Verehrung der Jungfrau Maria aus verschiedenen Perspektiven - die Engel, die Heiligen, die Christenheit, alle preisen Maria als Mutter Gottes und als Schutzpatronin der Menschen. Die zentrale Botschaft des lyrischen Ichs ist also der Lob und die Anerkennung der heiligen Jungfrau Maria und ihrer Rolle in der christlichen Religion.

Formal besteht das Gedicht aus sieben Strophen zu jeweils acht Versen. Jeder Vers beginnt mit einer direkten Anrede oder einem Lobgesang auf Maria, was der Form Beständigkeit und Wiederholung verleiht, typisch für Hymnen und Gebete.

Die Sprache des Gedichts ist reich an religiösem und mystischem Vokabular, welches das barocke Streben nach Transzendenz und Spiritualität widerspiegelt. Die besondere Rolle Maria's als Mutter Gottes, als Verbindung zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, wird durch bildreiche und ehrfurchtsvolle Beschreibungen betont, die ihre Heiligkeit und Reinheit unterstreichen.

Insgesamt lässt sich das Gedicht als ein erbauendes Gebet lesen, das die Rolle Maria's in der christlichen Religion hervorhebt und ihr Lob und Ehre darbringt. Es spiegelt die innige Frömmigkeit und die geistige Haltung des lyrischen Ichs in der barocken Zeit wider.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Lob der heiligen Jungfrauen Marie“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. Zwischen den Jahren 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Bei dem Schriftsteller Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Als Literatur des Barocks wird in der deutschen Literaturgeschichte seit 1800 das schriftstellerische Schaffen in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie seltsam geformte, schiefrunde Perle. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte das Deutsche Reich einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel der Bevölkerung kam in jener Zeit ums Leben. Dafür waren nicht etwa hohe Kriegsverluste verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen Städten des Deutschen Reiches. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen (antithetischen) Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war geprägt von Armut und Pessimismus, während bei den Adeligen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Lyrik wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Die am häufigsten benutzten Formen in der Dichtung waren das Sonett, das Epigramm, die Elegie und die Ode. Im Zeitalter des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch in lateinischer Sprache. Die bedeutenden Vertreter der Dichtung der Barockzeit sind Paul Fleming, Martin Opitz, Andreas Gryphius, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Johann Christian Günther, Simon Dach, Angelus Silesius und Friedrich von Logau.

Das 315 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 63 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Der Dichter Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Du mußt geübt werden“, „Gott ist mein Himmelbrot“ und „Des Weisen Goldmachung“. Zum Autor des Gedichtes „Lob der heiligen Jungfrauen Marie“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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