Sie wird getröstet von ihrem Jesu von Angelus Silesius
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Als ich nächst im Wald spazierte |
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Und viel große Klagen führte, |
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Daß ich armes Waiselein |
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Müßt ohn meinen Bräutgam sein, |
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Kam mein Jesus selbst zu mir |
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Und versprach mit süßen Worten, |
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Daß er wollt an allen Orten |
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Bei mir bleiben für und für. |
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Schau, ich habe dich vom Bösen, |
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Sprach er, gerne wolln erlösen |
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Und mit meinem Blut und Tod |
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Dich erretten aus der Not. |
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Bin auch stets bei dir, mein Kind, |
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Ob zwar deine blöden Sinnen |
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Meiner selten werden innen |
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Und um mich betrübet sind. |
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Sollt ich denn dich nun verlassen |
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Und dein lieblichs Seufzen hassen? |
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Sollt ich nicht zu jeder Zeit |
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Bei dir sein in Traurigkeit? |
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Zweifle nicht mein Täubelein, |
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Denn daß ich vor deiner Seele |
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Mich verberg und lang verhöhle, |
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Ist dir gut und muß so sein. |
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Wart, du wirst mich schon genießen |
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Und nach deinem Wunsche küssen, |
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Wenn ich dich aus dieser Qual |
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Führen werd in meinen Saal. |
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Wenn ich deine Lieb und Treu |
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Werde mit mir selbst belohnen |
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Und du ewig bei mir wohnen, |
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Aller Seufzer quitt und frei. |
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Als ich diesen Trost gehöret, |
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Ward mein Klagen bald zerstöret. |
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Voller Freude war mein Sinn |
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Und der Jammer ganz dahin. |
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Alle Vöglein deuchten mich, |
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Lieblicher als vor zu singen |
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Und der Westwind mir zu bringen |
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Kühlre Lüftlein, kühlern Strich. |
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Jesu, sprach ich, nun soll eben |
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Dir mein Sinn sein aufgegeben, |
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Alles Seufzen soll fortan |
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Sein nach deinem Willn getan. |
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Denn ich weiß, daß du, mein Licht, |
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Ob du mir zwar bleibst verborgen |
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Manchen Abend, manchen Morgen, |
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Dennoch wirst verlassen nicht. |
Details zum Gedicht „Sie wird getröstet von ihrem Jesu“
Angelus Silesius
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254
1624 - 1677
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Angelus Silesius, ein deutscher Priester und religiöser Dichter, der in der Barockzeit lebte und wirkte. Das Gedicht entstammt also dem 17. Jahrhundert.
Auf den ersten Eindruck ist das Gedicht geprägt von einem starken religiösen Bezug, der sich in der romantischen Verehrung für Jesus manifestiert.
Der Inhalt des Gedichts beschreibt die spirituelle Reise des lyrischen Ichs, die von Trauer und Verzweiflung hin zur Erkenntnis und Erleichterung führt. Zu Beginn fühlt sich das lyrische Ich als Waise, verlassen und traurig. Doch dann erscheint Jesus und bietet Trost und Versicherung. Der scheinbare Verlust wird als notwendig für das eigene Wohl akzeptiert. Jesus verspricht dem lyrischen Ich seine ewige Präsenz und Belohnung nach Überwindung ihrer Leiden. Dieser Glaube an Gottes ewige Liebe und an die Tatsache, dass jegliche Entbehrungen einen tieferen Zweck haben, bringt Frieden und Freude in das Herz des lyrischen Ichs. Die Entscheidung, ihr Leben vollständig Jesus zu widmen, wird als endgültige Hingabe dargestellt.
Die Form des Gedichts besteht aus sechs achtsilbigen Strophen. Der Reimschema variiert von Strophe zu Strophe, was eine gewisse Dynamik und Flexibilität in der Dichtung schafft. Die Sprache des Gedichts ist gekennzeichnet durch religiöse Metaphern und Symbole. Es ist durchzogen von einer tiefen Emotionalität, die von der inneren Not bis zu der ersehnten Freude und Ruhe reicht. Der Klang des Gedichts ist melodisch und trägt zur Empathie mit den Gefühlen des lyrischen Ichs bei.
Insbesondere zeigt das Gedicht eine klare barocke Tendenz: die konstante Suche nach Gott und die Sehnsucht nach der göttlichen Liebe und der ewigen Erlösung. Geprägt von der tiefen Zusammengehörigkeit von Geist und Gefühl, die seinen Ursprung in seiner tief verwurzelten religiösen Überzeugung findet, liefert das Gedicht eine bewegende Darstellung des individuellen Glaubenswegs.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Sie wird getröstet von ihrem Jesu“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. Silesius wurde im Jahr 1624 in Breslau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1640 und 1677. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei dem Schriftsteller Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Der Barock umfasst den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte Deutschland einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel des deutschen Volkes verlor in dieser Zeit ihr Leben. Doch waren nicht etwa hohe Kriegsverluste dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen großen und kleinen Städten des Landes. Die Literatur in der Epoche des Barock ist stark geprägt von der Antithetik. Das heißt, die Menschen nahmen ihre Welt als gegensätzlich und widersprüchlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Krieg, Krankheit und Armut geprägt. Bei den Adeligen herrschten jedoch Luxus und Verschwendung. Die Dichter der Renaissance schrieben noch auf Lateinisch, die Autoren des Barock begannen, ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Autoren und Werke dieser Zeit sind vielzählig. Andreas Gryphius, Martin Opitz oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter der Literaturepoche des Barocks.
Das 254 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Angelus Silesius sind „Das Vieh lebt nach den Sinnen“, „Die Gliedmaßen der Seelen“ und „Du mußt geübt werden“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie wird getröstet von ihrem Jesu“ weitere 1832 Gedichte vor.
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- Das Vieh lebt nach den Sinnen
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Zum Autor Angelus Silesius sind auf abi-pur.de 1832 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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