Sie bittet für die Freunde ihres Geliebten von Angelus Silesius

1
Ihr treuen Seelen, die ihr seid
In Christo abgeleibet
Und von der ewgen Fröhlichkeit
Noch ausgeschlossen bleibet,
Wie gerne wollt ich euer Not
Zu Statt und Hilfe kommen,
Daß ihr ins Freudenreich zu Gott
Möcht werden aufgenommen.
 
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O Vater der Barmherzigkeit,
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O Gott voll Trost und Güte,
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Schau sie doch an mit Freundlichkeit,
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Wend ab das Zorngemüte.
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Sie haben zwar verdient die Pein,
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Dich aber doch bekennet,
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Drum schon' und laß vergeben sein,
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Daß sie so blind gerennet.
 
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O Jesu voller Mildigkeit,
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O Heiland auserlesen,
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Erlöse doch aus allem Leid,
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Was durch dein Blut genesen.
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Verzeih, laß spüren deine Huld,
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Die dich inbrünstig lieben,
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Erlaß die Straf, lösch aus die Schuld,
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Weil sie getreu geblieben.
 
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O heilger Geist, du süßer Trost,
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Du Advokat der Armen,
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Laß sie doch nicht ohn Lieb gekost
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Und wirkliches Erbarmen.
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Führ sie aus ihrer Hitz und Glut,
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Daß sie sich sanft erkühlen,
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Und laß sie ewig all dein Gut
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Und deinen Frieden fühlen.
 
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5
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Maria, süßer Gnadenfluß,
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Du Trösterin im Leiden,
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Halt auf des Urteils strengen Schluß
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Und was so scharf tut schneiden.
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Vermeng die Flamm mit deiner Gunst
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Und lindere die Schmerzen,
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Lösch aus das Feur, kühl ab die Brunst
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Und still die Angst im Herzen.
 
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Ihr Engel, die ihr uns bewacht
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Und diese Seeln geführet,
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Nehmt doch die Ärmsten jetzt in acht
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Und tut, was euch gebühret.
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Treibt alle frommen Herzen an,
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Daß sie an sie gedenken
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Und ihnen, was sie Guts getan,
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Zu Hilf und Beisteur schenken.
 
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Ihr all auch, die ihr schon bei Gott
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In ewgen Freuden lebet,
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Erbannet euch doch ihrer Not,
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Schaut, daß ihr sie erhebet.
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Weil sie die Trübsal und Elend
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Mit euch geschmeckt auf Erden,
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So macht auch, daß sie nun behend
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Der Ruhe würdig werden.
 
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O Ursprung aller Gütigkeit,
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O Brunnquell des Erbarmen,
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Laß doch der Frommen Herzeleid
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Verhelfen diesen Armen.
69 
Der Richtplatz deiner Grechtigkeit
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Ist in dem höllschen Leiden,
71 
Das Danklied deiner Mildigkeit
72 
Singt man ins Himmels Freuden.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.5 KB)

Details zum Gedicht „Sie bittet für die Freunde ihres Geliebten“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
72
Anzahl Wörter
322
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie bittet für die Freunde ihres Geliebten“ stammt von Angelus Silesius, einem Lyriker und Theologen der Barockzeit, gebürtig aus Breslau und lebte vom 25. Dezember 1624 bis 9. Juli 1677. Er verfasste hauptsächlich religiöse Lyrik.

Erster Eindruck des Gedichts vermittelt eine tiefe Spiritualität und mitfühlende Barmherzigkeit. Es handelt von einer inständigen Bitte an Gott um Vergebung und Erbarmen für die Freunde des Geliebten.

In einfachen Worten ausgedrückt schickt das lyrische Ich zahlreiche Bitten an Gott und seine Heiligen, um ihre Freunde zu schützen. In den Strophen spricht es Gott den Vater, Jesus, den Heiligen Geist und die Heilige Maria an, um die Sünden der Freunde zu vergeben und sie vor Leiden, Schmerz und der Hölle zu bewahren.

Die Form des Gedichts ist durchgängig und konsequent. Es ist klar in acht Strophen mit jeweils acht Versen gegliedert. Das Reimschema ist regelmäßig und hält sich an ein einheitliches Muster.

In Bezug auf die Sprache zeichnet sich das Gedicht durch eine tiefe, emotionale und eindringliche Wortwahl aus. Die Ausdrucksweise ist typisch für die Barocklyrik mit ihrer pathetischen und affektgeladenen Diktion. Durch die direkte Anrede der göttlichen Instanzen und der Darstellung von Leid und Trost entsteht eine intensive Atmosphäre der Sehnsucht und Hoffnung.

Abschließend kann man sagen, dass Angelus Silesius in seinem Gedicht „Sie bittet für die Freunde ihres Geliebten“ eine tiefe Religiosität und Glauben vermittelt und damit im Kontext seiner Zeit und seiner persönlichen Überzeugung steht. Die Bitte um Gottes Gnade und Vergebung für die Freunde des Geliebten ist Ausdruck seiner christlichen Nächstenliebe und seines tiefen Glaubens an Gottes Barmherzigkeit.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sie bittet für die Freunde ihres Geliebten“ des Autors Angelus Silesius. 1624 wurde Silesius in Breslau geboren. In der Zeit von 1640 bis 1677 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich aus dem Portugiesischen ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „schiefrunde, unregelmäßige Perle“. Der Dreißigjährige Krieg, der im Jahr 1618 begann und 30 Jahre später (also 1648) endete, hat die Literaturepoche des Barocks in hohem Maße geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von einem Ausmaß, das kaum vorstellbar ist. Die Menschen litten unter den Kämpfen, Hungersnöten, aber besonders unter der Pest, an der eine Vielzahl von Menschen verstarb. Die Anzahl der Menschen Deutschlands ging um etwa 30 Prozent zurück. Die Literatur im Barock ist stark beeinflusst von der Antithetik. Das bedeutet, die Menschen der damaligen Zeit nahmen ihre Welt als widersprüchlich und gegensätzlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Armut geprägt. An den Fürstenhöfen herrschten Verschwendung und Luxus. Die am meisten eingesetzten Formen in der Poesie waren das Sonett, die Ode, die Elegie und das Epigramm. Im Barock begannen die Autoren ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Die Autoren der Renaissance verfassten ihre Werke noch in lateinischer Sprache. Schriftsteller und Werke sind zahlreich in dieser Zeit. Martin Opitz, Andreas Gryphius oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind unverkennbare Vertreter der Zeit des Barocks.

Das vorliegende Gedicht umfasst 322 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 72 Versen. Die Gedichte „Vom Gewissen“, „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“ und „Man achtet das Ewige nicht“ sind weitere Werke des Autors Angelus Silesius. Zum Autor des Gedichtes „Sie bittet für die Freunde ihres Geliebten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.

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