Sie vermahnt zur Nachfolge Christi von Angelus Silesius

1
Mir nach, spricht Christus, unser Held,
Mir nach, ihr Christen alle,
Verleugnet euch, verlaßt die Welt,
Folgt meinem Ruf und Schalle.
Nehmt euer Kreuz und Ungemach
Auf euch, folgt meinem Wandel nach.
 
2
Ich bin das Licht, ich leucht euch für
10 
Mit heilgem Tugendleben,
11 
Wer zu mir kommt und folget mir,
12 
Darf nicht im Finstern schweben.
13 
Ich bin der Weg, ich weise wohl,
14 
Wie man wahrhaftig wandeln soll.
 
15 
3
16 
Mein Herz ist voll Demütigkeit,
17 
Voll Liebe meine Seele,
18 
Mein Mund, der fließt zu jeder Zeit
19 
Von süßem Sanftmutöle.
20 
Mein Geist, Gemüte, Kraft und Sinn
21 
Ist Gott ergeben, schaut auf ihn.
 
22 
4
23 
Fällts euch zu schwer? Ich geh voran,
24 
Ich steh euch an der Seite,
25 
Ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn,
26 
Bin alles in dem Streite.
27 
Ein böser Knecht, der still darf stehn,
28 
Wenn er den Feldherrn an sieht gehn.
 
29 
5
30 
Wer seine Seel zu finden meint,
31 
Wird sie ohn mich verlieren,
32 
Wer sie um mich verlieren scheint,
33 
Wird sie nach Hause führen.
34 
Wer nicht sein Kreuz nimmt und folgt mir,
35 
Ist mein nicht wert und meiner Zier.
 
36 
6
37 
So laßt uns denn dem lieben Herrn
38 
Mit unserm Kreuz nachgehen
39 
Und wohlgemut, getrost und gern
40 
In allen Leiden stehen.
41 
Wer nicht gekämpft, trägt auch die Kron
42 
Des ewgen Lebens nicht davon.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Sie vermahnt zur Nachfolge Christi“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
206
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie vermahnt zur Nachfolge Christi“ stammt von dem Dichter Angelus Silesius, der als Johannes Scheffler im 17. Jahrhundert lebte. Er konvertierte im Alter von 29 Jahren zum Katholizismus und nahm seinen geistlichen Namen Angelus Silesius an. Sein Werk ist geprägt von mystischer und religiöser Poesie.

Beim ersten Lesen des Gedichts wird deutlich, dass es sich um ein christliches Werk handelt. Die Worte und Bilder, die Silesius nutzt, beziehen sich auf zentrale Aspekte des Christentums. Der Titel deutet bereits an, dass es um die Nachfolge Christi geht.

Der Inhalt des Gedichts kreist um die Aufforderung an die Christen, Jesus nachzufolgen. Die einzelnen Strophen thematisieren unterschiedliche Aspekte dieser Nachfolge: In der ersten Strophe kommt die direkte Aufforderung „Mir nach“ vor, die Christus in den Mund gelegt wird. Das lyrische Ich thematisiert die Notwendigkeit, die Welt zu verlassen und dem Ruf Christi zu folgen. Diese Nachfolge beinhaltet auch Leiden, wie es im Symbol des Kreuzes zum Ausdruck kommt.

In der zweiten und dritten Strophe werden Attribute Christi hervorgehoben, sein Licht, seine Weisheit, seine Demut, Liebe und sein Gottvertrauen. Sie dienen als Vorbild und Verheißung für die Gläubigen.

Die vierte Strophe betont, dass Christus den Weg vorausgeht und den Gläubigen beisteht. Gleichzeitig wird aber auch auf die Tatsache hingewiesen, dass der Glaube aktives Engagement erfordert und kein passives Zuschauen erlaubt.

In der fünften und sechsten Strophe wird die Nachfolge Christi als Bedingung für das Erlangen des ewigen Lebens dargestellt. Diejenigen, die ihre Seele für Christus 'verlieren', werden sie letztendlich 'nach Hause führen'.

Formal ist das Gedicht in sechs Strophen zu je sechs Versen eingeteilt, was eine klare und symmetrische Struktur vorgibt. Der Sprachstil ist relativ einfach und verständlich, allerdings kennzeichnend für die Barockzeit, in der Silesius lebte. Die Reimform ist durchgehend ein Kreuzreim, was dem Gedicht einen rhythmischen und musikalischen Charakter verleiht.

Im Gesamten funktioniert das Gedicht als eine Art Hymne auf das Christentum und die Nachfolge Christi. Es enthält sowohl eine Aufforderung als auch eine Verheißung und unterstreicht die Wichtigkeit des Glaubens und der Aktivität im Glauben. Durch den Gebrauch einfacher und bildhafter Sprache macht Silesius die christliche Botschaft zugänglich und appelliert an Emotionen und Identifikation der Lesenden.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Sie vermahnt zur Nachfolge Christi“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Angelus Silesius. Silesius wurde im Jahr 1624 in Breslau geboren. In der Zeit von 1640 bis 1677 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock beginnt etwa 1600 und endet im Jahr 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „schiefe Perle“. Das Zeitalter des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg stark beeinflusst – Hunger, Seuchen, Vergewaltigung und Tod sorgten für enormes Elend bei den Menschen in Europa. So dezimierte sich die Bevölkerung in Deutschland von ca. 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Die Dichtung des Barocks ist von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) beeinflusst, die die Lebenseinstellung der Menschen beschreiben. Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war der Alltag der Menschen von Gewalt und Zerstörung beeinflusst. Alle diese Motive setzen sich auf unterschiedliche Weise mit der verbreiteten Angst vor dem Tod und seinen Auswirkungen auseinander. In der Dichtung des Barocks trat die deutsche an die Stelle der lateinischen Sprache, welche die Sprache der wichtigsten deutschen Lyriker im 16. Jahrhundert gewesen war. Dennoch war auch weiterhin die Elite Träger der Literatur. Zu den bedeutendsten Lyrikern des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Paul Fleming und Caspar Ziegler.

Das 206 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Des Weisen Goldmachung“, „Vom Wissen“ und „Vom Gewissen“. Zum Autor des Gedichtes „Sie vermahnt zur Nachfolge Christi“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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