Das Orlogschiff und der Nachen von Susanne von Bandemer

Sieh, im Reiche Neptunens, jenes schwimmende Haus
Welches die schöpfrische Kunst, herrischer Menschen erthürmet;
Stolz enteilt es dem Ufer, und bebrücket das Meer,
Das mit neidischer Scheelsucht seine bewaffnete Seiten
In den tobenden Wellen, Kampf und Untergang droht;
Aber mit muthigem Trotz, durchfleucht es zürnende Wogen,
Die der wilde Orkan bis zu dem Himmel empört,
Strebend zum fernesten Ziel eines gepriesenen Landes,
 
Das an köstlicher Würze, oder Indischem Gold’
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Oder elysisch geschmückt, (gleich dir, glückseelige Insel
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Die man Tinian nennt:) geizige Wünsche entflamm’st.
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Aber im Kampf der Natur ist das Verderben dir nahe:
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Blitze durchkreuzen die Luft, treulos lauschet der Tod
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An der Klippe vom Felsen, oder im kräuselnden Strudel:
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Mast, und Ruder zersplittert, durch die gräßliche Macht
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Die der finstere Orkus dem Elemente ertheilet,
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Das einst feurige Liebe (wie uns Geßner erzählt:)
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In der Hölung des Baumes zum Erstenmahle beschiffet –
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Welch ein schrecklicher Anblick! – Ach, begierig verschlingt,
 
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Der unermeßliche Abgrund, seine köstliche Beute;
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Ach! dahin ist das Schiff! – aber in Trümmern noch groß
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Setzt es sich selber ein Denkmahl, an der feindlichen Klippe;
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Und der Wanderer staun’t ob des gewaltigen Bau’s,
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Und des kunstvollen Meisters, der es zum Trotze des Meeres
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Mit einer innern Kraft, gleich dem Demante gestähl’t. –
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Ha! nur die ganze Natur im schrecklichsten Kampf vereinet
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Konnte Zerstörung ihn seyn, und vernichten das Werk
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Das kolossalische Kunst, spottend der Zeiten errichtet. –
 
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Ganz ein anderes Loos, ward dir kleinlicher Nachen
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Der die sichern Strande blühender Ufer beschiffet,
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Und beym drohenden Blick, des umdüsterten Himmels
 
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Schnell der wirthbaren Hütte, voll von Besorgniß zueilet,
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Und gefesselt an Erzt, versteckt in der tiefern Bucht
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Dem Verderben entrinnet, bis die zerstörenden Zähne
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Der alles zermalmenden Zeit, den Moder ihn weicht. – –
 
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Nein, ich schiffe mit dir, du königlich stolzes Gebäude
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Das vom tobenden Meer sich selbst noch Ehrfurcht ertrotzt:
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Mag die zitternde Kleinmuth knechtisch Gefahren sich bergend,
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Sinkend bist du noch groß! wenn vergessen der Nachen
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Gleich dem gemeineren Holz, die Hütte des Bettlers erwärm’t. –
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So stirbt kämpfend der Held, der im Tode noch Sieger,
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Der überlegenen Macht, furchtsames Staunen erprest.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.8 KB)

Details zum Gedicht „Das Orlogschiff und der Nachen“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
343
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Orlogschiff und der Nachen“ stammt von der Dichterin Susanne von Bandemer, die im 18. und 19. Jahrhundert lebte.

Erster Eindruck:

Von Bandemer präsentiert eine kontrastreiche Darstellung von zwei Schiffstypen in extremer maritimer Umgebung. Das epische Gefühl des Gedichts weckt den Eindruck kraftvoller Bilder und intensiver Emotionen.

Inhaltliche Analyse:

Das Gedicht spielt auf dem Meer und vergleicht zwei Arten von Schiffen: das Orlogschiff und den Nachen. Das lyrische Ich beginnt mit der Beschreibung des eindrucksvollen Orlogschiffs, das kühn und trotzig das Meer durchkreuzt, unbeeindruckt von der Bedrohung des Untergangs. In der zweiten Strophe wird dagegen auf die Gefahren und Risiken hingewiesen, denen das Orlogschiff ausgesetzt ist. In der dritten Strophe betrachtet das lyrische Ich das Schicksal des zerstörten Schiffs, das trotz seiner Ruinen immer noch mächtig wirkt. Das lyrische Ich wendet sich dann dem Nachen zu, einem kleineren, sichereren Schiff, das bei drohenden Gefahren schnell Schutz sucht.

Im letzten Abschnitt des Gedichts entscheidet sich das lyrische Ich trotz der Risiken für das stolze Orlogschiff, da sein Untergang als heroisch und ehrwürdig dargestellt wird, im Gegensatz zum unscheinbaren Schicksal des Nachens.

Formelle und sprachliche Analyse:

Das Gedicht besteht aus sechs Strophen unregelmäßiger Länge, mit acht bis elf Versen in den ersten drei Strophen, gefolgt von kürzeren Strophen von drei bis sieben Versen. Den ästhetischen Klang und Rhythmus des Gedichts charakterisieren zahlreiche Alliterationen und Assonanzen. Der Ausdruck wird durch Metaphern und Hyperbeln intensiviert und dramatisch belebt.

Zusammengefasst ist „Das Orlogschiff und der Nachen“ ein Gedicht, das kraftvolle Bilder und intensive Emotionen hervorruft. Es nutzt die Allegorie von Schiffen auf hoher See, um die Kontraste zwischen Mut und Vorsicht, zwischen Großmut im Angesicht des Untergangs und Sicherheit im Unscheinbaren zu verdeutlichen. Gleichzeitig ist es eine Betrachtung über die Vergänglichkeit aller Dinge, gleich ob groß oder klein.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Das Orlogschiff und der Nachen“ ist Susanne von Bandemer. Geboren wurde Bandemer im Jahr 1751 in Berlin. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1802. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 343 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Susanne von Bandemer sind „An Herzberg“, „An Ihn“ und „An Karl Hadermann“. Zur Autorin des Gedichtes „Das Orlogschiff und der Nachen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 86 Gedichte vor.

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