Das Original von Joachim Ringelnatz

Ich bin sehr dagegen,
Daß sich ungelegen
Jemand aufdrängt.
Aber meinen Segen
Hat, wer eines Wortspiels wegen
Sich zum Beispiel aufhängt.
 
Ich bin darin ganz besonders eigen,
Denn ich sehe vieles weit voraus.
Nur ich kann das immer nicht so zeigen. –
 
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Nie betritt ein blinder Mann mein Haus,
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Wenigstens nicht meine Räume,
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Weil ich einmal eines Nachts in Schweden
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Träumte – und ich kenne meine Träume –
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Nein, wir wollen lieber andres reden.
 
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Wenn ich mal wo so betrunken war,
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Wie ich für gewöhnlich niemals bin,
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Geh’ ich dorthin nie mehr hin;
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Darin bin ich sonderbar.
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Und ich trinke, wenn ich vor Geschäften
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Stehe, überhaupt so gut wie nichts,
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Denn ich stehe so gewissen Kräften
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Nahe. Und der Ausdruck des Gesichts
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Wechselt stets bei mir in Interwallen.
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Ist dir das und andres an mir aufgefallen?
 
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Nun, ich weiß: ich passe nicht ins Leben,
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Weil ich hungern kann. Ich werde nie
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Mein Geheimstes jemals Leuten preisgeben,
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Die nicht groß sein können oder die
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Eng am Gelde hängen.
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Warum sollte ich mich denen aufdrängen!
 
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Willst du, bitte, nun mal andre Leute
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Ganz diskret befragen,
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Was sie über mich und meine Meinung sagen,
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Und was ich für sie bedeute.
 
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Gelt, du weißt, daß ich nicht gern verspreche,
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Weißt auch, daß ich etwas halten kann?
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Und – – – Genug! Du bist mein Mann! –
38 
Lebe wohl! – Zahl’ ich – zahlst du die Zeche?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Das Original“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
223
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Original“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, der zwischen 1883 und 1934 lebte. Damit kann das Werk zeitlich der Epoche des Expressionismus und Dadaismus zugeordnet werden.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht ein Eindruck von Eigenwilligkeit und Unangepasstheit. Das lyrische Ich stellt sich als Individualist dar, der nicht nur seine eigene Originalität betont, sondern auch seine Abneigung gegen Konformität und gesellschaftliche Erwartungen zeigt.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das Selbstverständnis und die Unabhängigkeit des lyrischen Ichs. Dies äußert sich zum Beispiel in den Worten „Ich bin sehr dagegen, / Daß sich ungelegen / Jemand aufdrängt.“ Damit zeigt sich eine Ablehnung von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Die Betonung des Individuellen wird auch in anderen Strophen deutlich, so zum Beispiel wenn das lyrische Ich von Träumen, Eigentümlichkeiten und dem bewussten Nicht-Anpassen an gesellschaftliche Normen spricht.

Die Form des Gedichts ist freirhythmisch, es gibt keine konsequenten Reimschemen oder Rhythmen. Dies passt zu dem Duktus von Originalität und Abweichung vom Normativen.

Die Sprache des Gedichts ist einfach und direkt. Das lyrische Ich spricht in der Ich-Perspektive über seine Einstellung und sein Leben. Die direkte Ansprache des Lesers am Ende jeder Strophe sorgt für eine persönliche Note. Durch die Verwendung von Alltagssprache und alltäglichen Beispielen wird das Gedicht persönlich und lebensnah.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das Gedicht auf eine individuelle, unangepasste Lebensweise bezieht. Es drückt Eigenständigkeit und einen bewussten Bruch mit gesellschaftlichen Normen und Erwartungen aus. Die Form und Sprache des Gedichts unterstreichen diesen Eindruck von Unabhängigkeit und Originalität. Es ist ein Aufruf, ehrlich zu sich selbst zu sein und das eigene Leben nicht nach den Erwartungen anderer zu gestalten.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Das Original“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. 1928 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 223 Worte. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Abschied von Renée“, „Abschiedsworte an Pellka“ und „Afrikanisches Duell“. Zum Autor des Gedichtes „Das Original“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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