Das Mädchen mit dem Muttermal von Joachim Ringelnatz

Woher sie kam, wohin sie ging,
Das hab’ ich nie erfahren.
Sie war ein namenloses Ding
Von etwa achtzehn Jahren.
Sie küßte selten ungestüm.
Dann duftete es wie Parfüm
Aus ihren keuschen Haaren
 
Wir spielten nur, wir scherzten nur;
Wir haben nie gesündigt.
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Sie leistete mir jeden Schwur
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Und floh dann ungekündigt,
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Entfloh mit meiner goldnen Uhr
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Am selben Tag, da ich erfuhr,
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man habe mich entmündigt.
 
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Verschwunden war mein Siegelring
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Beim Spielen oder Scherzen.
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Sie war ein zarter Schmetterling.
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Ich werde nie verschmerzen,
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Wie vieles Goldene sie stahl,
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Das Mädchen mit dem Muttermal
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Zwei Handbreit unterm Herzen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Das Mädchen mit dem Muttermal“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
21
Anzahl Wörter
98
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Mädchen mit dem Muttermal“ wurde vom deutschen Dichter und Schriftsteller Joachim Ringelnatz verfasst. Ringelnatz lebte von 1883 bis 1934, seine Werke sind also dem literarischen Realismus zuzuordnen, ändern sich zeitlich jedoch in Richtung Expressionismus und Dada.

Beim ersten Lesen entsteht ein Eindruck von Melancholie und Verlust. Das lyrische Ich erzählt von einem jungen Mädchen, deren Alter er auf etwa achtzehn Jahre schätzt. Er weiß nicht, woher sie kommt oder wohin sie geht, und beschreibt sie als „namenloses Ding“. Sie sind offenbar in irgendeiner Form vertraut, da er beschreibt, dass ihre Küsse „wie Parfüm aus ihren keuschen Haaren“ duften.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das lyrische Ich schildert eine Begegnung mit einem Mädchen, die ihn persönlich stark beeindruckt hat, ihm jedoch auch materiellen Verlust brachte. Das Ich und das Mädchen spielen und scherzen nur, sie schwören sich gegenseitig etwas, aber dann verlässt sie ihn unvermittelt und stiehlt seine goldene Uhr. Gleichzeitig erfährt er, dass er entmündigt wurde. Auch sein Siegelring ist verschwunden. Er vergleicht sie mit einem „zarten Schmetterling“ und bedauert den Verlust des goldenen Schmuckes, den sie gestohlen hat. Die Besonderheit des Mädchens wird durch das Muttermal ausgedrückt, das zwei Handbreit unter ihrem Herzen liegt.

Formal besteht das Gedicht aus drei Siebenversern mit einem für Ringelnatz typischen Reimschema. Die Sprache ist klar und verständlich, mit wenigen bildlichen Ausdrücken. Auffällig ist die wiederkehrende Gold-Motivik, die einerseits das Mädchen mit wertvoller, aber flüchtiger Schönheit verbindet und andererseits die materiellen Verluste des lyrischen Ich symbolisiert.

Insgesamt scheint das Gedicht von Ringelnatz eine flüchtige Begegnung zu thematisieren, in der er sowohl eine emotionale Investition als auch materielle Verluste gemacht hat. Es präsentiert eine Mischung aus Zärtlichkeit, Melancholie und bitterer Selbstironie.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Das Mädchen mit dem Muttermal“. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1928 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 98 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 21 Versen. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Mädchen mit dem Muttermal“ weitere 560 Gedichte vor.

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