Das Menschliche von Richard Dehmel
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Und doch, und doch, du stolzes Kind, |
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viel stolzer fühlt mein kleines Lied, |
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das kindlich vor dir niederkniet |
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und fromm beginnt: |
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Wärst du im Ehrenkleide |
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der Hohen höchste Zier, |
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ich fühlte doch trotz Seide |
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und Hohheit und Geschmeide |
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als deiner Ehren erste Zier |
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die Gleichheit zwischen dir und mir. |
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Und doch, und doch, noch stolzer schwebt, |
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du stolzes Kind, mein kleines Lied, |
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das nun auf dich herniedersieht |
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und fühlt und bebt: |
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Wärst du in Schmach gefallen, |
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du die Gemeinste hier, |
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und Mein Herz rein vor Allen, |
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ich dächte Dein vor Allen, |
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weil meiner Reinheit reinste Zier |
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die Gleichheit zwischen dir und mir. |
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Und doch, und doch, du stolzes Kind, |
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viel stolzer fühlte wol mein Lied, |
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das stolz vor Deinem Stolze flieht, |
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wenn still und blind |
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wol nun ein Bangen käme, |
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wol zwischen dir und mir, |
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nun ein Verlangen käme, |
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dich wild gefangen nähme, |
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daß wir vergäßen – fühlst du? wir – |
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die Gleichheit zwischen dir und mir. |
Details zum Gedicht „Das Menschliche“
Richard Dehmel
3
30
155
1893
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts „Das Menschliche“ ist Richard Dehmel, der von 1863 bis 1920 lebte. Dehmel war einer der bekanntesten Dichter der deutschsprachigen Literatur um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Seine kreative Arbeit wird oft dem Symbolismus und den solzialkritischen Strömungen des Naturalismus zugeordnet.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr intensiv und emotional. Es ist ein Dialog zwischen dem lyrischen Ich und einer angesprochenen Person, die als „du“ und „stolzes Kind“ bezeichnet wird.
Vereinfacht ausgedrückt handelt das Gedicht von der Wahrnehmung und Erkenntnis der menschlichen Gleichheit trotz Unterschiede in Status, Ansehen und Lebensumständen. Das lyrische Ich betont wiederholt die fundamentalen Gleichheit zwischen ihm und der anderen Person, ungeachtet dessen, wie hoch oder tief sie gesellschaftlich steht. Es wird der Gedanke einer universalen Menschlichkeit zum Ausdruck gebracht, ein menschlicher Wert an sich, der die Oberflächlichkeiten des sozialen Status und der materiellen Güter übersteigt.
Dieser Grundgedanke wird in drei Strophen ausgearbeitet, jeweils beginnend mit einer Art Bekenntnis des lyrischen Ichs und seiner Emotionen bezüglich der angesprochenen Person. Dabei wird ein Wechselspiel zwischen Bewunderung und Mitleid, innerer Stärke und emotionaler Zerbrechlichkeit angedeutet.
Die Form des Gedichts ist durch einen konstanten Rhythmus und das Reimschema aabb geprägt. Die wiederholte Verwendung von Anaphern, insbesondere „Und doch, und doch“, verleiht dem Gedicht einen intensiven, emotional beladenen Ton und dient als wiederkehrendes Element innerhalb jeder Strophe. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch, mit entsprechenden Ausdrücken wie „Ehrenkleide“, „Hohheit und Geschmeide“, „Schmach“, die Konzepte von Stolz, Ehre und Schande darstellen.
Letztendlich ist das Gedicht „Das Menschliche“ eine tiefe Reflexion über die Natur der Menschlichkeit und die allumfassende Gleichheit, die trotz aller Unterschiede und gesellschaftlichen Hierarchien besteht. Der dichterische Ausdruck und die sprachliche Gestaltung von Dehmel machen dieses Werk zu einem eindrücklichen Appell an grundlegende humanistische Werte.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Das Menschliche“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Richard Dehmel. Im Jahr 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1893 entstanden. Erschienen ist der Text in München. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 155 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Die Gedichte „Chinesisches Trinklied“, „Dann“ und „Das Gesicht“ sind weitere Werke des Autors Richard Dehmel. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Menschliche“ weitere 522 Gedichte vor.
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Zum Autor Richard Dehmel sind auf abi-pur.de 522 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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