Das Mahl zu Heidelberg von Gustav Schwab

Von Württemberg und Baden
Die Herren zogen aus,
Von Metz des Bischofs Gnaden
Vergaß das Gotteshaus;
Sie zogen aus zu kriegen
Wohl in die Pfalz am Rhein,
Sie sahen da sie liegen
Im Sommersonnenschein.
 
Umsonst die Rebenblüthe
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Sie tränkt mit mildem Duft,
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Umsonst des Himmels Güte
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Aus Aehrenfeldern ruft:
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Sie brannten Hof und Scheuer,
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Daß heulte groß und klein;
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Da leuchtete vom Feuer
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Der Neckar und der Rhein.
 
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Mit Gram von seinem Schlosse
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Sieht es der Pfälzer Fritz;
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Heißt springen auf die Rosse
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Zwei Mann auf einen Sitz.
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Mit enggedrängtem Volke
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Sprengt er durch Feld und Wald,
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Doch ward die kleine Wolke
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Zum Wetterhimmel bald.
 
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Sie wollen seiner spotten,
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Da sind sie schon umringt,
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Und über ihren Rotten
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Sein Schwert der Sieger schwingt.
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Vom Hügel sieht man prangen
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Das Heidelberger Schloß,
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Dorthin führt er gefangen
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Die Fürsten sammt dem Troß.
 
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Zu hinterst an der Mauer,
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Da ragt ein Thurm so fest,
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Das ist ein Sitz der Trauer,
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Der Schlang’ und Eule Nest:
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Dort sollen sie ihm büßen
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Im Kerker trüb und kalt,
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Es gähnt zu ihren Füßen
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Ein Schlund und finst’rer Wald.
 
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Hier lernt vom Grimme rasten
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Der Württemberger Utz,
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Der Bischof hält ein Fasten,
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Der Markgraf läßt vom Trutz.
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Sie mochten schon in Sorgen
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Um Leib und Leben seyn,
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Da trat am andern Morgen
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Der stolze Pfälzer ein.
 
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„Herauf, ihr Herrn gestiegen,
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In meinen hellen Saal!
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Ihr sollt nicht fürder liegen
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In Finsterniß und Qual.
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Ein Mahl ist euch gerüstet,
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Die Tafel ist gedeckt,
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Drum wenn es euch gelüstet,
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Versucht ob es euch schmeckt!“
 
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Sie lauschen mit Gefallen,
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Wie er so lächelnd spricht,
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Sie wandeln durch die Hallen
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An’s gold’ne Tageslicht.
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Und in dem Saale winket
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Ein herrliches Gelag,
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Es dampfet und es blinket,
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Was nur das Land vermag.
 
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Es satzten sich die Fürsten;
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Da mocht’ es seltsam seyn!
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Sie hungern und sie dürsten
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Beim Braten und beim Wein;
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„Nun, will’s euch nicht behagen?
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Es fehlt doch, deucht mir nichts?
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Worüber ist zu klagen?
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An was, ihr Herrn, gebrichts?“
 
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„Es schickt zu meinem Tische
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Der Odenwald das Schwein,
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Der Neckar seine Fische,
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Den frommen Trank der Rhein!
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Ihr habt ja sonst erfahren,
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Was meine Pfalz bescheert!
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Was wollt ihr heute sparen,
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Wo Keiner es euch wehrt?“
 
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Die Fürsten sah’n verlegen
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Den Andern Jeder an,
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Am Ende doch verwegen
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Der Ulrich da begann:
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„Herr, fürstlich ist dein Bissen,
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Doch Eines thut ihm Noth,
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Das mag kein Knecht vermissen!
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Wo ließest du das Brod?“
 
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„„Wo ich das Brod gelassen?““
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Sprach da der Pfälzer Fritz,
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Er traf, die bei ihm sassen,
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Mit seiner Augen Blitz;
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Er that die Fensterpforten
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Weit auf im hohen Saal,
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Da sah man aller Orten
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In’s off’ne Neckarthal.
 
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Sie sprangen von den Stühlen,
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Und blickten in das Land,
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Da rauchten alle Mühlen
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Rings von des Krieges Brand;
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Kein Hof ist da zu schauen,
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Wo nicht die Scheune dampft,
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Von Rosses Huf’ und Klauen
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Ist alles Feld zerstampft.
 
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„Nun sprecht, von wessen Schulden
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Ist so mein Mahl bestellt?
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Ihr müßt euch wohl gedulden,
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Bis ihr besä’t mein Feld,
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Bis in des Sommers Schwüle
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Mir reifet eure Saat,
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Und bis mir in der Mühle
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Sich wieder dreht ein Rad.“
 
113 
„Ihr seht, der Westwind fächelt
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In Stoppeln und Gesträuch;
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Ihr seht, die Sonne lächelt,
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Sie wartet nur auf euch!
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D’rum sendet flugs die Schlüssel,
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Und öffnet euren Schatz,
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So findet bei der Schüssel
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Das Brod den rechten Platz!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Das Mahl zu Heidelberg“

Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
120
Anzahl Wörter
566
Entstehungsjahr
1823
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das angeführte Gedicht „Das Mahl zu Heidelberg“ stammt vom deutschen Dichter Gustav Schwab, der zwischen 1792 und 1850 lebte und somit der Epoche der Spätromantik und Frühbiedermeier zuzuordnen ist.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine historische Erzählung, die einen Konflikt und dessen dramatische Auflösung beschreibt.

Inhaltlich handelt es von Herrschaftsvertretern aus Württemberg, Baden und Metz, die in den Krieg in die Pfalz am Rhein ziehen und dort Verwüstungen hinterlassen. Der Pfälzer Fritz reagiert und schafft es, die Invasoren zu besiegen und gefangen zu nehmen. Er sperrt sie in einen Turm, bevor er sie zu einem Mahl einlädt. Dieses Mahl ist reichlich und besteht aus den besten Produkten der Region; es fehlt jedoch das Brot. Fritz zeigt seinen gefangenen Gästen dann die durch Krieg zerstörten Äcker und Mühlen und fordert sie auf, ihre Schulden zu begleichen, indem sie das Land wieder bestellen.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht ist ein allwissender Erzähler, der die Handlung aus seiner Perspektive schildert. Er zeigt die Grausamkeiten und Folgen des Krieges und wie der Pfälzer Fritz sich wehrt und schließlich gnädig ist, indem er seine Feinde dazu auffordert, die von ihnen angerichteten Schäden wieder gut zu machen.

Formal besteht das Gedicht aus 15 Strophen zu je acht Versen. Es hat einen klaren Rhythmus und folgt einer festen Reimstruktur. Dabei verwendet Schwab eine simple und verständliche Sprache, die eine allgemeinverständliche Geschichte erzählt.

Die Botschaft des Gedichts ist eine deutliche Kritik am Krieg und seinen zerstörerischen Konsequenzen. Gleichzeitig wird die Hoffnung auf Sühne und Wiederherstellung dargestellt. Das Gedicht kann als Mahnung verstanden werden, dass Zerstörung und Gewalt nur zu Leid führen, während Vergebung und Wiederaufbau einen Weg in die Zukunft weisen. Der Autor benutzt damit die historische Handlung, um eine universelle Botschaft zu vermitteln.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Mahl zu Heidelberg“ des Autors Gustav Schwab. 1792 wurde Schwab in Stuttgart geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1823 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart und Tübingen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 120 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 566 Worte. Gustav Schwab ist auch der Autor für Gedichte wie „Liebesmorgen“, „Rechtfertigung“ und „Schlittenlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Mahl zu Heidelberg“ weitere 12 Gedichte vor.

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