Das Lied des Blinden von Rainer Maria Rilke

Ich bin blind, ihr draußen, das ist ein Fluch,
ein Widerwillen, ein Widerspruch,
etwas täglich Schweres.
Ich leg meine Hand auf den Arm der Frau,
meine graue Hand auf ihr graues Grau
und sie führt mich durch lauter Leeres.
 
Ihr rührt euch und rückt und bildet euch ein
anders zu klingen als Stein auf Stein,
aber ihr irrt euch: ich allein
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lebe und leide und lärme.
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In mir ist ein endloses Schrein
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und ich weiß nicht, schreit mir mein
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Herz oder meine Gedärme.
 
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Erkennt ihr die Lieder? Ihr sanget sie nicht
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nicht ganz in dieser Betonung.
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Euch kommt jeden Morgen das neue Licht
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warm in die offene Wohnung.
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Und ihr habt ein Gefühl von Gesicht zu Gesicht
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und das verleitet zur Schonung.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Das Lied des Blinden“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
19
Anzahl Wörter
122
Entstehungsjahr
1906
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Lied des Blinden“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Sprache. Rilke lebte von 1875 bis 1926, was das Gedicht in die Moderne, genauer gesagt in die Zeit des Expressionismus und Symbolismus, einordnet.

Auf den ersten Blick handelt es von der Erfahrung des blinden lyrischen Ichs in einer Welt des Sehenden. Es behandelt Themen der Unzufriedenheit, Isolation und des Unterschiedes zwischen der Wahrnehmung des lyrischen Ichs und der Sehenden.

Inhaltlich äußert das lyrische Ich in der ersten Strophe seinen Schmerz und seine Frustration über seine Blindheit. Es beschreibt Blindheit als Fluch und tägliche Belastung und wie es von einer grauen Welt zu einer anderen geführt wird. In der zweiten Strophe äußert das lyrische Ich seine Meinungsverschiedenheiten mit der sehenden Welt, es fühlt sich isoliert und leidet, jedoch auch lebendig. Die letzte Strophe spricht von der Interpretation von Liedern und Gefühlen, die laut lyrischem Ich bei Sehenden anders ist, was zu Schonung führt.

Formal besteht das Werk aus drei Strophen, mit einer variierenden Anzahl von Versen: sechs in der ersten und dritten Strophe und sieben in der zweiten. Dieses unregelmäßige Muster spiegelt die Unregelmäßigkeit und Unstimmigkeiten in der Wahrnehmung des lyrischen Ichs wider.

Die Sprache des Gedichts ist ausdrucksstark und direkte, sie transportiert die Emotionen und den Schmerz sowie die Einsamkeit, die das lyrische Ich durch seine Blindheit empfindet. Begriffe wie „Fluch“, „Widerspruch“, „Widerwillen“ und „Schweres“ vermitteln das Gefühl der erzwungenen Passivität und das Nicht-verstehen-Können der Welt der Sehenden.

Insgesamt birgt das Gedicht „Das Lied des Blinden“ dramatische Elemente mit einem starken Ausdruck von Isolation und Unzufriedenheit mit der Welt. Es kontrastiert das Innenleben des lyrischen Ichs mit der äußeren Welt und stellt so einen emotionalen und physischen Unterschied heraus.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Lied des Blinden“ des Autors Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. 1906 ist das Gedicht entstanden. In Berlin / Leipzig, Stuttgart ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 122 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 19 Versen. Die Gedichte „Als ich die Universität bezog“, „Am Kirchhof zu Königsaal“ und „Am Rande der Nacht“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Das Lied des Blinden“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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