Das Lied des Bettlers von Rainer Maria Rilke
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Ich gehe immer von Thor zu Thor, |
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verregnet und verbrannt; |
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auf einmal leg ich mein rechtes Ohr |
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in meine rechte Hand. |
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Dann kommt mir meine Stimme vor |
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als hätt ich sie nie gekannt. |
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Dann weiß ich nicht sicher wer da schreit, |
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ich oder irgendwer. |
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Ich schreie um eine Kleinigkeit. |
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Die Dichter schrein um mehr. |
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Und endlich mach ich noch mein Gesicht |
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mit beiden Augen zu; |
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wie’s dann in der Hand liegt mit seinem Gewicht |
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sieht es fast aus wie Ruh. |
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Damit sie nicht meinen ich hätte nicht |
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wohin |
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ich |
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mein |
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Haupt |
20 |
thu. |
Details zum Gedicht „Das Lied des Bettlers“
Rainer Maria Rilke
3
20
93
1906
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Lied des Bettlers“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem renommierten deutschsprachigen Lyriker der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Bereits der erste Eindruck lässt eine düstere, melancholische Stimmung erahnen. Rilke beschreibt in diesem Gedicht einen Bettler, der zwischen den Türen (Thoren) umherwandert, „verregnet“ und „verbrannt“. Diese Worte könnten als Metaphern für ein entbehrungsreiches, hartes Leben gedeutet werden. Der Bettler ist anscheinend so erfüllt von seiner Armut und Verzweiflung, dass er seine eigene Stimme kaum wiedererkennt, wenn er an die Türen klopft und um Almosen bittet.
Die zweite Strophe geht weiter auf die Verwirrung und das Entsetzen des Bettlers ein. Er ist sich nicht sicher, ob er oder jemand anderes schreit und dass er nur um eine „Kleinigkeit“ bittet, während die „Dichter um mehr schreien“. Diese Zeilen könnten auf die sozialen Ungerechtigkeiten und den Kontrast zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten hinweisen, wobei der Bettler sogar die intellektuelle Elite kritisiert, die er als materialistisch und anspruchsvoll darstellt.
In der letzten Strophe schließt der Bettler seine Augen, wodurch sein Gesicht in seiner Hand „fast wie Ruh“ aussieht. Damit vermittelt der Bettler den Eindruck von Ruhe und Frieden, obwohl seine Realität von Armut und Verzweiflung gekennzeichnet ist. Das Gedicht endet mit einer stufenweisen Fragmentierung der Verse, was die zunehmend desolate Situation des Bettlers unterstreicht.
Formal handelt es sich um ein freies Gedicht, da es keinen regelmäßigen Versbau oder Reimschema aufweist. Die Sprache ist einfach und direktes, was die starke emotionale Ausdruckskraft des Gedichts unterstützt. Trotz seiner einfachen Wortwahl verwendet Rilke effektive Metaphern und bildliche Sprache, um eine intensive, düstere Stimmung zu erzeugen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass „Das Lied des Bettlers“ ein starkes, emotionales Porträt des Lebens eines Bettlers ist, das die sozialen Ungleichheiten und das Elend seiner Situation zum Ausdruck bringt. Es ist auch ein kraftvoller Sozialkommentar, der zur Reflexion über die Gesellschaft und ihre Ungerechtigkeiten anregt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Lied des Bettlers“ des Autors Rainer Maria Rilke. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1906. Der Erscheinungsort ist Berlin / Leipzig, Stuttgart. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 93 Worte. Die Gedichte „Als ich die Universität bezog“, „Am Kirchhof zu Königsaal“ und „Am Rande der Nacht“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Lied des Bettlers“ weitere 338 Gedichte vor.
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