Das Lied des Aussätzigen von Rainer Maria Rilke
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Sieh ich bin einer, den alles verlassen hat. |
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Keiner weiß in der Stadt von mir, |
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Aussatz hat mich befallen. |
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Und ich schlage mein Klapperwerk |
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klopfe mein trauriges Augenmerk |
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in die Ohren allen |
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die nahe vorübergehn. |
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Und die es hölzern hören, sehn |
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erst gar nicht her und was hier geschehn |
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wollen sie nicht erfahren. |
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Soweit der Klang meiner Klapper reicht |
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bin ich zuhause; aber vielleicht |
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machst Du meine Klapper so laut, |
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daß sich keiner in meine Ferne traut |
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der mir jetzt aus der Nähe weicht. |
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So daß ich sehr lange gehen kann |
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ohne Mädchen, Frau oder Mann |
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oder Kind zu entdecken. |
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Thiere will ich nicht schrecken. |
Details zum Gedicht „Das Lied des Aussätzigen“
Rainer Maria Rilke
3
19
105
1906
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Lied des Aussätzigen“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem bedeutenden österreichischen Schriftsteller aus der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Beim ersten Lesen des Gedichts dominiert ein Gefühl der Einsamkeit und Isolation. Die traurige Erfahrung des lyrischen Ichs in Zusammenhang mit seiner Krankheit - Aussatz oder Lepra, einer Krankheit, die zu eklatanten körperlichen Veränderungen führt und aufgrund ihrer Ansteckungsgefahr zur Ausgrenzung und Isolation betroffener Personen führte - wird hier dargestellt.
Im ersten Teil des Gedichts teilt das lyrische Ich mit, dass es von der Gesellschaft verlassen wurde und darunter leidet. Es erwähnt, wie es den Menschen seine Krankheit mitteilen muss, indem es auf sein Klapperwerk (eine Art Instrument, das Leprakranke in früheren Zeiten trugen, um andere auf ihre Anwesenheit und ihre Krankheit aufmerksam zu machen) schlägt. Doch anstatt Empathie oder Hilfe erhält das lyrische Ich Ignoranz von der Gesellschaft - sie wollen seine Existenz und sein Leiden nicht wahrhaben.
Im zweiten Teil erläutert das lyrische Ich weiter, dass seine Heimat der Radius ist, den der Klang seiner Klapper erreicht - ein Symbol seiner Isolation und Ausgrenzung. Es äußert den Wunsch, dass der Klang seiner Klapper lauter wird, um Menschen noch weiter von ihm fernzuhalten, damit seine Isolation noch größer wird.
Zum Schluss drückt das lyrische Ich den Wunsch aus, keine Tiere zu erschrecken, was in einem größeren Kontext gelesen werden kann: Es will niemandem Schaden zufügen, sehnt sich nur nach Verständnis und Akzeptanz.
Rilkes Sprache ist in diesem Gedicht klar und einfach, was dem traurigen und trostlosen Thema angemessen ist. Die Strophen sind asymmetrisch, was das Unbehagen und die Unregelmäßigkeit in der Lebenssituation des lyrischen Ichs widerspiegeln könnte. Der Klang der Verse, insbesondere die Wiederholung des Klapperwerks, unterstützt die melancholische Atmosphäre des Gedichts und macht auf das Leiden des lyrischen Ichs aufmerksam. Das Klapperwerk selbst ist ein starkes Symbol der Isolation und Ausgrenzung.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Das Lied des Aussätzigen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Der Autor Rainer Maria Rilke wurde 1875 in Prag geboren. 1906 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin / Leipzig, Stuttgart. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 105 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 19 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Adam“, „Advent“ und „Allerseelen“. Zum Autor des Gedichtes „Das Lied des Aussätzigen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.
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