Das Licht auf dem Gletscher von Paul Haller

Die höchsten Spitzen geben noch Schein;
Dann bleichen die Gletscher und dunkeln ein.
Und um des Gebirges blendende Pracht
Schlingt ihre schwarzen Schleier die Nacht.
 
Da flackert im dunkeln Berggesicht
Ein winziges Aug’, ein einsames Licht.
Das wandert dort hoch vom Gletscher herab
Über das offene Spaltengrab.
 
Das sucht und klettert und wandert verwirrt:
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Ein Mensch oder zwei, so spät noch verirrt;
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So spät noch am Gletscher mit Pickel und Licht.
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Wer hört ihren Ruf, wenn die Brücke bricht?
 
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Ein Mensch oder zwei. Wer sieht ihren Sturz,
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Wenn das Seil nicht reicht, wenn der Sprung zu kurz,
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Wenn täuschender Schein aus dem Dunkel gleißt,
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Der Starke den Schwachen zur Tiefe reißt?
 
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Und gellet herüber ihr Schrei aus der Nacht,
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Wer steigt hinab in den eisigen Schacht,
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Der blankblau und gierig die Glieder umschlingt,
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Das Leben in frostigen Schlummer zwingt?
 
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Wie es sucht und wandert die Kreuz und Quer
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Das einsame Licht auf dem Gletschermeer!
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Nun scheint’s zu ruhen, nun steigt es und sinkt,
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Und schwach und schwächer sein Flämmchen blinkt.
 
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Verschwunden der Schein. – Halt! flackert’s nicht dort?
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Dort hinten? dort oben? am schwindligsten Ort?
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Verschwunden, versunken. – In fahlem Licht
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Starrt herüber das trotzige Berggesicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Das Licht auf dem Gletscher“

Autor
Paul Haller
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
196
Entstehungsjahr
nach 1898
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Der obenstehende Text ist „Das Licht auf dem Gletscher“ von Paul Haller, einem schweizerischen Dichter, der von 1882 bis 1920 lebte. Das bedeutet, das Gedicht wurde in der Epoche des Spätrealismus und Expressionismus verfasst.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es eine düstere und bedrohliche Atmosphäre vermittelt. Es scheint von der Gefahr und Unvorhersehbarkeit der Natur zu handeln, insbesondere von der eines Gletschers in der Nacht.

Inhaltlich erzählt das Gedicht die Geschichte von mindestens einem, vielleicht zwei Menschen, die in der Dunkelheit auf einem Gletscher unterwegs sind. Ihr einziger Leitfaden ist ein kleines Licht, mit dem sie versuchen, sich durch das gefährliche Gelände zu navigieren. Haller stellt die Aussichtslosigkeit ihrer Situation dar, indem er fragt, wer ihren Ruf hören würde, wenn sie fallen. Sie sind der Gnade der Natur ausgeliefert, die sowohl atemberaubend schön als auch gefährlich und unbarmherzig dargestellt wird.

Formal besteht das Gedicht aus sieben Strophen, jede mit vier Versen. Diese Struktur verleiht dem Gedicht einen stabilen und symmetrischen Rahmen und führt den Leser durch die düstere Erzählung. Sprachlich ist das Gedicht reich an bildlichen und emotional aufgeladenen Beschreibungen, die die Natur und die Situation der Protagonisten lebendig machen. Es verwendet Metaphern wie „das offene Spaltengrab“ und das „frostigen Schlummer“, um die tödliche Gefahr des Gletschers zu unterstreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Das Licht auf dem Gletscher“ von Paul Haller die Isolation und Unvorhersehbarkeit der menschlichen Existenz im Angesicht der überragenden Natur thematisiert. Es ist sowohl eine lobende Huldigung an die Schönheit der Natur als auch eine düstere Erinnerung an ihre gnadenlose Kraft. Hallers präziser Einsatz von poetischen Mitteln erzeugt ein beeindruckendes und klares Bild der menschlichen Erfahrung in dieser überwältigenden Umgebung.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Licht auf dem Gletscher“ ist Paul Haller. Der Autor Paul Haller wurde 1882 in Rein bei Brugg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1898 bis 1920 entstanden. Aarau ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Naturalismus zugeordnet werden. Bei Haller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 196 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Paul Haller sind „1. August 1914“, „Abend“ und „Abseits (Haller)“. Zum Autor des Gedichtes „Das Licht auf dem Gletscher“ haben wir auf abi-pur.de weitere 65 Gedichte veröffentlicht.

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