Das Königswort von Kurt Tucholsky

Dies ergötzte hoch und niedrig:
Als der edle König Friedrich,
August weiland von ganz Sachsen,
tat zum Hals heraußer wachsen
seinem Volk, das ihn geliebt,
so es billigen Rotwein gibt –
als der König, sag ich, merkte,
wie der innre Feind sich stärkte,
blickt er über die Heiducken,
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und man hört ihn leise schlucken …
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Und er murmelt durch die Zähne:
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„Macht euch euern Dreck alleene!“
 
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Welch ein Königswort! Wahrhaftig,
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so wie er – so voll und saftig
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ist sonst keiner weggegangen.
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Wenn doch heute in der langen
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langen Reihe unsrer Kleber,
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Wichtigmacher, Ämterstreber,
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einer in der langen Kette
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nur so viel Courage hätte,
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trotz der Ehre und Moneten
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schnell gebührend abzutreten!
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O, wie ich sein Wort ersehne:
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„Macht euch euern Dreck alleene!“
 
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Edler König! Du warst weise!
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Du verschwandest still und leise
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in das nahrhafte Civil.
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Das hat Charme, und das hat Stil.
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Aber, aber unsereiner!
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Sieh, uns pensioniert ja keiner!
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Und wir treten mit Gefühle
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Tag für Tag die Tretemühle.
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Ach, wie gern, in filzenen Schuhen
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wollten wir gemächlich ruhen,
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sprechend: „In exilio bene!
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Macht euch euern Dreck alleene!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Das Königswort“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
178
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Königswort“ stammt von dem deutschen Schriftsteller und Journalisten Kurt Tucholsky, der von 1890 bis 1935 lebte. Er zählt zur literarischen und politisch-kritischen Strömung der Weimarer Republik.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein humorvoll-ironisches Gedicht, das Geschichten erzählt und dabei eine gesellschaftskritische Botschaft transportiert.

Inhaltlich geht es um König Friedrich August von Sachsen, der das Volk unablässig arbeiten lässt, bis er erkennt, dass der innere Feind – womöglich der Zwist und die Unzufriedenheit im Volk – immer stärker wird. Daraufhin zieht er sich mit den Worten „Macht euch euern Dreck alleene!“ zurück.

Die Absicht des lyrischen Ichs scheint dabei gesellschaftskritisch zu sein: Es wünscht sich mehr Menschen in Machtpositionen, die wie König Friedrich den Mut haben, abzutreten und so dem Volk die Verantwortung zu überlassen. Es beklagt, dass im modernen politischen System niemand pensioniert wird und die Menschen genötigt sind, ständig zu arbeiten.

Die Form des Gedichts besteht aus drei Strophen mit jeweils zwölf Versen. Die Sprache ist klar und leicht verständlich, besitzt jedoch eine gewisse Ironie und Witz, der das ernsthafte Thema auflockert.

Die Kernaussage von Tucholskys Gedicht könnte eine Kritik an der entfremdeten Arbeit und dem Machtstreben im modernen kapitalistischen System sein, welche das Volk belasten. Es scheint auch eine Sehnsucht nach einer einfacheren Zeit zu suggerieren, in der Menschen den Mut hatten, Verantwortung abzutreten und sich aus dem politischen Geschehen zurückzuziehen. Die Botschaft ist ein Aufruf an die Menschen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, anstatt sich auf eine externen Führung zu verlassen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Königswort“ ist Kurt Tucholsky. Geboren wurde Tucholsky im Jahr 1890 in Berlin. Das Gedicht ist im Jahr 1919 entstanden. In Charlottenburg ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zugeordnet werden. Bei Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Wichtigen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik nahmen der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung der Weimarer Republik. Das bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Schriftsteller der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. In der Praxis wurde dieses Gesetz allerdings nur gegen linke Autoren angewandt. Aber gerade die rechts gerichteten Schriftsteller waren es häufig, die in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Die Grenzen der Zensur wurden 1926 durch das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz nochmals verstärkt. Die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen wurden durch die Pressenotverordnung im Jahr 1931 ermöglicht.

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Autoren, die ins Exil gehen, also ihr Heimatland verlassen mussten. Dies geschah insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Exilliteratur geht aus diesem Umstand hervor. Der Ausgangspunkt der Exilbewegung Deutschlands war der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland sind typisch für diese Literaturepoche. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 178 Worte. Die Gedichte „Also wat nu – ja oder ja?“, „An Lukianos“ und „An Peter Panter“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Zum Autor des Gedichtes „Das Königswort“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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