Das Kind von Rainer Maria Rilke

Unwillkürlich sehn sie seinem Spiel
lange zu; zuweilen tritt das runde
seiende Gesicht aus dem Profil,
klar und ganz wie eine volle Stunde,
 
welche anhebt und zu Ende schlägt.
Doch die andern zählen nicht die Schläge,
trüb von Mühsal und vom Leben träge;
und sie merken gar nicht, wie es trägt —,
 
wie es alles trägt, auch dann, noch immer,
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wenn es müde in dem kleinen Kleid
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neben ihnen wie im Wartezimmer
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sitzt und warten will auf seine Zeit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Das Kind“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
78
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Kind“ ist von Rainer Maria Rilke, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Literatur, der von 1875 bis 1926 lebte. Die zeitliche Einordnung des Gedichtes ist daher im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, einer Epoche des literarischen Symbolismus und der beginnenden Moderne.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen eher melancholischen Eindruck. Es gibt eine ruhige und nachdenkliche Stimmung wieder, die durch die Beobachtung eines kindlichen Spiels entsteht.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um die Wahrnehmung eines spielenden Kindes aus der Sicht von Erwachsenen. Die ersten vier Verse beschreiben das Kind und sein Spiel, seine Lebendigkeit und Unbeschwertheit, dabei wird das Bild einer „vollen Stunde“ als Metapher für das voll und ganz präsente Kind genutzt. Die nachfolgenden Verse widmen sich den Erwachsenen, die das Kind beobachten, aber durch ihre eigene Mühsal des Lebens träge und unfähig sind, das Spiel des Kindes in seiner ganzen Bedeutung zu erfassen. Die letzten vier Verse thematisieren, wie das Kind trotz seiner Müdigkeit immer noch alles trägt und geduldig auf seine Zeit wartet, was vermutlich seine künftige Rolle als Erwachsener andeutet.

Das lyrische Ich scheint durch das Gedicht auf die unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen von Kindheit und Erwachsenenalter hinweisen zu wollen. Es wird deutlich, dass die Erwachsenen durch ihre trüben Lebenserfahrungen nicht mehr die Fähigkeit haben, die Welt so unbeschwert und lebendig wie das Kind wahrzunehmen.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in drei Strophen unterteilt, jede mit vier Versen. Die Strophengliederung spiegelt die inhaltliche Struktur wider: die erste Strophe widmet sich dem Kind, die zweite den Erwachsenen und die dritte dem ausharrenden Kind.

Rilke bedient sich einer eher formellen und nüchternen Sprache, die klar und präzise ist. Es ist frei von Reimen, was zur ernsten und melancholischen Stimmung des Gedichtes beiträgt. Die Metapher der vollen Stunde und der Vergleich des Wartens des Kindes mit dem eines Wartezimmers unterstreichen die Atmosphäre von Abschnitt, Warten und Vorläufigkeit.

Insgesamt ist „Das Kind“ von Rilke ein nachdenklich stimmendes Gedicht, das die Brücke zwischen Kindheit und Erwachsenenalter in einer melancholischen, aber auch beruhigenden Art und Weise schlägt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Kind“ ist Rainer Maria Rilke. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 78 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 12 Versen. Die Gedichte „Abend“, „Abend“ und „Abend“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Das Kind“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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