Das Jahr – ein Leben von Rudolf Lavant

Die Lüfte lau, der Himmel blau,
Der Bach befreit vom Eise,
Und aus dem Wald vernimmst du bald
Des Kukuks traute Weise!
Die Schwalbe kehrt zum alten Herd,
Die Veilchen blühn am Raine;
Die Lerche schwirrt, der Falter irrt
Durch knospenreiche Haine,
Und freudig schaun und voll Vertraun
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Vor uns die Bahn wir offen;
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War auch dein Herz voll Gram und Schmerz –
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Der Lenz bringt neues Hoffen!
 
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Vom Sonnenbrand gebräunt die Hand,
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Die Stirn bedeckt von Tropfen,
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Hörst du sodann im tiefen Tann
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Der Spechte fernes Klopfen;
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Vom Staub beweht am Wege steht
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In Mittagsgluth die Weide –
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Den langen Tag klingt Wachtelschlag
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Aus wogendem Getreide.
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Ein Wetter droht; vom Blitz umloht
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Mußt du die Garben raffen;
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Wem sich in Kraft der Arm noch strafft,
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Der soll im Sommer schaffen!
 
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In bunte Tracht, in stille Pracht
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Hat sich der Wald gekleidet;
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Geschaart zum Zug für langen Flug,
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Das Heer der Sänger scheidet.
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Die Traube reift; vom Stengel streift
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Der Herbst die letzte Rose
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Und seltsam fahl im Wiesenthal
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Blüht nun die Herbstzeitlose.
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Die Halmenflur zeigt Stoppeln nur,
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Die Herbsteswinde klagen;
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Es mag mit Grund dein ernster Mund
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Nun nach der Ernte fragen.
 
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Dann weit und breit das Land verschneit,
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Gehüllt in Nebelschichten;
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Von Frost erstarrt, das Hochwild scharrt
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Nach Moos am Fuß der Fichten.
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Ein Blumenflor schoß Nachts empor
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An deines Fensters Scheiben;
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Der rasche Fluß, der blaue, muß
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Verdrossen Schollen treiben.
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Der Sturm pfeift schrill – sonst Alles still,
46 
Die Welt versank in Schweigen;
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Nun magst auch du das Haupt zur Ruh’,
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Zur wohlverdienten neigen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Das Jahr – ein Leben“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
254
Entstehungsjahr
1893
Epoche
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Jahr – ein Leben“ wurde von Rudolf Lavant verfasst, einem deutschsprachigen Dichter des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In diesem Gedicht, das vermutlich in der Phase des Spätromantik und Realismus entstanden ist, werden die vier Jahreszeiten als Metapher für die verschiedenen Lebensphasen des Menschen genutzt.

Seinen ersten Eindruck erhält der Leser durch die starken und lebendigen Naturbeschreibungen, die die Schönheit und den Rhythmus der Veränderung im Laufe der Jahreszeiten hervorheben.

Im Inhalt des Gedichts repräsentiert jede Strophe eine der vier Jahreszeiten, die Beginnen mit dem Frühling (den Lenz) als Symbol für den Start und das Erwachen des Lebens. Der Sommer steht für Arbeit und Produktivität, der Herbst für Ernte und Betrachtung, und der Winter für den Schlaf oder vielleicht den Tod. Jedoch vermittelt jede Strophe eine positive oder akzeptierende Haltung gegenüber den Änderungen durch die Jahreszeiten und das damit verbundene Altern des lyrischen Ichs.

In Bezug auf die Form des Gedichts besteht das Gedicht aus vier Strophen, jede mit zwölf Versen, was es relativ lang und komplex macht. Jede Strophe beschreibt eine Jahreszeit mit ihrer Einzigartigkeit und Besonderheiten. Es gibt keinen offensichtlichen Reim, was bedeutet, dass der Dichter sich möglicherweise mehr auf die inhaltliche Aussage konzentriert als auf eine bestimmte lyrische Struktur.

In Bezug auf die Sprache verwendet der Dichter eine üppige, bildhafte und emotionale Sprache, die den Leser in die beschriebene Szene versetzt. Er nutzt auch personifizierende Analogien, um die Natur mit menschlichen Eigenschaften zu veranschaulichen, wie z.B. „der Bach befreit vom Eise“ oder „der Falter irrt Durch knospenreiche Haine“. Diese Veranschaulichungen machen das Gedicht lebendig und ermöglichen es dem Leser, sich mit den Beschreibungen zu verbinden.

Zusammengefasst ist „Das Jahr – ein Leben“ ein tiefgreifendes Gedicht, das die Vergänglichkeit der Zeit und des Lebens darstellt, jedoch gleichzeitig die Schönheit und Unvermeidlichkeit des Lebenszyklus feiert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Jahr – ein Leben“ des Autors Rudolf Lavant. Lavant wurde im Jahr 1844 in Leipzig geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1893. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 254 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „An die alte Raketenkiste“, „An unsere Feinde“ und „An unsere Gegner“ sind weitere Werke des Autors Rudolf Lavant. Zum Autor des Gedichtes „Das Jahr – ein Leben“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 96 Gedichte vor.

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