Das Goldstück von Frank Wedekind

Hier an dieser öden Stätte
Will ich rasten, bis es tagt;
Welker Rasen ist ein Bette,
Wie’s mir eben recht behagt.
Neben mir die Wogen brausen,
Über mir die Wolken sausen,
Keiner milden Stimme Klang
Tönt den düstren Hag entlang.
 
Alles habt ihr mir genommen,
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Was ihr mir gegeben habt;
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Nackend bin ich hergekommen,
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Nackend bin ich hingetrabt,
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Ohne Strümpfe, Stiefel, Hosen –
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Meines Lebens lichte Rosen,
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Meiner Jugend muntrer Sinn,
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Alles, alles ist dahin.
 
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Ob es schon ein Ziel mir setzte,
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Zu erforschen vom Geschick,
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Werf’ ich in die Luft dies letzte
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Blanke goldgeprägte Stück,
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Daß es, auf des Kopfes Seite
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Fallend, meinen Tod bedeute;
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Wenn das Bild gen Himmel schaut,
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Sei noch bessrer Zeit vertraut.
 
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Und es steigt, es fällt, es klingelt,
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Sieh, zum Himmel starrt die Zahl!
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Mein erbebend Herz umzingelt
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Todesangst zum letztenmal. –
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Eingedenk der Abschiedsflasche
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Steck’ ich’s schweigend in die Tasche;
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Ihre Dauer sei mein Maß,
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Eins des Andern Stundenglas.
 
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Spät am Tage schlendr’ ich weiter
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In der Sonne fahlem Glanz.
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Such dir rüstigern Begleiter,
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Wandrer du im Efeukranz!
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Vieles möchtest du versäumen,
38 
Ich darf rasten, ich darf träumen;
39 
Was das Schicksal mir verspricht,
40 
Jüngling, das enteilt mir nicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Das Goldstück“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
195
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Das Goldstück“ wurde von Frank Wedekind verfasst, einem deutschen Dramatiker und Schriftsteller, der von 1864 bis 1918 lebte. Seine Schaffenszeit fiel damit in die Epoche des Naturalismus und Expressionismus und es ist anzunehmen, dass dieses Gedicht in dieser Zeit veröffentlicht wurde.

Bei der ersten Lektüre des Gedichtes ist der Eindruck sehr melancholisch und düster. Die raue und einsame Landschaft, die starke Emotionalität und das Motiv des Verlustes und der Resignation sind sehr prägnant. Darüber hinaus gibt es eine Spannung zwischen der rauen Realität und der Möglichkeit einer besseren Zukunft.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich kurz zusammenfassen: Das lyrische Ich befindet sich in einer kargen, trostlosen Umgebung und reflektiert die Verluste und Leiden seines Lebens. Es wirft sein letztes Stück Gold in die Luft, wobei das Fallen des Münzstückes symbolisch für sein Leben steht - tot, falls es auf der Kopfseite landet, lebendig, falls es mit der Bildseite nach oben zeigt. Das Münzstück landet mit dem Bild nach oben, woraufhin das lyrische Ich dieses als Zeichen wieder in die Tasche steckt und seinen Weg fortsetzt, mit neuem Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Die Form des Gedichts ist im traditionellen Strophenbau gehalten, wobei jede Strophe aus acht Versen besteht. Die Sprache ist klar und deutlich, die Wahl der Worte und Bilder drückt eine düstere Stimmung und Gefühle von Einsamkeit und Verlust aus, aber auch von Hoffnung. Es ist geprägt von starken, emotionalen Ausdrücken und bildhaften Gleichnissen. Besonders markant ist hier das Motiv des Goldstücks, das ein zentrales Symbol im Gedicht darstellt und für Hoffnung, Lebenskraft und Wohlstand steht.

Insgesamt scheint das Gedicht eine Reflexion über das Schicksal und das menschliche Leben an sich zu sein. Es thematisiert die Vergänglichkeit des Lebens, den Verlust und die Melancholie, aber auch die unbeugsame Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es ist somit ein klares Beispiel für die naturalistische Lyrik Wedekinds, die sich durch ihre eindringliche Emotionalität und ihr ungeschöntes Bild der menschlichen Existenz auszeichnet.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Goldstück“ des Autors Frank Wedekind. Geboren wurde Wedekind im Jahr 1864 in Hannover. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1905. Der Erscheinungsort ist München. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 195 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Der Dichter Frank Wedekind ist auch der Autor für Gedichte wie „Allbesiegerin Liebe“, „Alte Liebe“ und „Altes Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Goldstück“ weitere 114 Gedichte vor.

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