Der Knabe von Rainer Maria Rilke

Ich möchte einer werden so wie die,
die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,
mit Fackeln, die gleich aufgegangnen Haaren
in ihres Jagens großem Winde wehn.
Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,
groß und wie eine Fahne aufgerollt.
Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,
der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht
zehn Männer aus derselben Dunkelheit
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mit Helmen, die, wie meiner, unstät sind,
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bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.
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Und einer steht bei mir und bläst uns Raum
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mit der Trompete, welche blitzt und schreit,
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und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,
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durch die wir rasen wie ein rascher Traum:
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Die Häuser fallen hinter uns ins Knie,
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die Gassen biegen sich uns schief entgegen,
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die Plätze weichen aus: wir fassen sie,
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und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Der Knabe“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
19
Anzahl Wörter
134
Entstehungsjahr
1875 - 1926
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Der Knabe“ wurde von Rainer Maria Rilke geschrieben, einem bedeutenden Dichter der literarischen Moderne, der von 1875 bis 1926 lebte.

Auf den ersten Eindruck wird eine dynamische, fast rauschhafte Szene kreiert, die geprägt ist von Bewegung, Stärke und jugendlichem Abenteuerlust. Es scheint als spiele die Szenerie in einer Traumwelt oder Fantasie des lyrischen Ichs, geprägt von Wildheit und Männlichkeit.

Inhaltlich geht das Gedicht um einen Knaben, das lyrische Ich, der eine stark romantisierte Vision von ihm selbst und Gleichgesinnten hat, die durch die Nacht reiten. Die Beschreibungen sind sowohl heroisch als auch bedrohlich - die Reiter haben goldene Helme, die unruhig glänzen, und rasen durch eine „schwarze Einsamkeit“, die von einer trompetenden Figur geschaffen wird. Die Wirkung ihrer Bewegung ist so beeindruckend, dass Häuser und Straßen sich vor ihnen zu verneigen scheinen. Die Metapher von den Pferden, die „rauschen wie ein Regen“, verstärkt die Vorstellung von schnell vorbeifliegendem Ritt und Abenteuerlust.

In der Aussage des lyrischen Ichs wird deutlich, dass es sich sehnt, ein Teil dieser Gruppe sein zu wollen und Teil einer größeren, beeindruckenden und aufregenden Entität zu sein. Es ist eine Ausdrucksform des jugendlichen Wunsches nach Identität, Unabhängigkeit und Stärke.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus einer einzigen, 19 Verse umfassenden Strophe, die den rasanten Ritt und den Strom der Gedanken des lyrischen Ichs widerspiegelt. Rilkes Sprache ist dabei bildhaft und metaphernreich. Sie spielt mit Hell-Dunkel-Kontrasten („Helm von Gold“, „derselben Dunkelheit“) und kreiert auf diese Weise sowohl prachtvolle wie auch gefährliche Bilder. Geprägt ist das Gedicht durch den steten Wechsel von Beschreibungen und Aktivitäten, was zusätzlich zur Dynamik der Szene beiträgt. Äußere Ereignisse vermischen sich dabei mit dem inneren Erleben des lyrischen Ichs, sodass eine traumähnliche, fast surreale Atmosphäre entsteht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Knabe“ ist Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1891 und 1926. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 134 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 19 Versen. Weitere Werke des Dichters Rainer Maria Rilke sind „Abend“, „Abend“ und „Abend“. Zum Autor des Gedichtes „Der Knabe“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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