Die Fensterrose von Rainer Maria Rilke

Da drin: das träge Treten ihrer Tatzen
macht eine Stille, die dich fast verwirrt;
und wie dann plötzlich eine von den Katzen
den Blick an ihr, der hin und wieder irrt,
 
gewaltsam in ihr großes Auge nimmt,
den Blick, der, wie von eines Wirbels Kreis
ergriffen, eine kleine Weile schwimmt
und dann versinkt und nichts mehr von sich weiß,
 
wenn dieses Auge, welches scheinbar ruht,
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sich auftut und zusammenschlägt mit Tosen
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und ihn hineinreißt bis ins rote Blut -:
 
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So griffen einstmals aus dem Dunkelsein
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der Kathedralen große Fensterrosen
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ein Herz und rissen es in Gott hinein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Fensterrose“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
97
Entstehungsjahr
1875 - 1926
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem renommierten österreichischen Lyriker des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Beim ersten Lesen scheint Rilke Sinneseindrücke und innere Prozesse auf eine Art und Weise zu veranschaulichen, die gleichzeitig sanft und doch durchdringend wirkt. Ihr Ziel scheint es zu sein, einen gegensätzlichen Eindruck von Ruhe und Gewalt zu vermitteln, der den Leser sowohl verwirrt als auch fasziniert.

Das Gedicht beschreibt metaphorisch die eindringliche Begegnung eines Blickes mit dem Auge einer Katze, die den Blick des Betrachters aufnimmt, fesselt und schließlich verschlingt. Diese Erfahrung wird in den letzten drei Versen mit den großen Fensterrosen in Kathedralen verglichen, die das Herz in Gott hineinreißen.

Rilke verbindet diese antagonistischen Motive durch eine geschickte Nutzung des Versmaßes und der Wortwahl. Dichte Stille und faszinierende Gewalt prägen das Gedicht. Die gedehnten Vokale, die allmähliche Steigerung der Verslänge und die zunehmende Dramatik bekräftigen seinen Effekt.

Die Katze und die Fensterrose dienen als Metaphern für das Mysterium der Transzendenz. Rilke bedient sich dessen, um das Thema Spiritualität und Transformation auszudrücken. Dabei verkörpert die Fensterrose die Kathedralen, die als Orte christlicher Spiritualität und Symbols der Nähe zu Gott genutzt werden. Der Vergleich ist überaus stark, da er auf eindringliche Weise die Ehrfurcht und Macht einer religiösen Erfahrung vermittelt.

Die Form und die Sprache des Gedichts drücken ebenfalls die transformative Erfahrung aus. Die Form ist prägnant und präzise, sie verleiht dem Gedicht einen scharfen Fokus. Die Sprache ist bildhaft und konkret, sie fängt die sinnliche Erfahrung und Ehrfurcht ein, die durch die Begegnung mit dem Auge der Katze und der Fensterrose hervorgerufen wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Die Fensterrose“ ein überaus gefühlvolles und fesselndes Gedicht ist, das sowohl die Macht der Sinneswahrnehmungen als auch die überwältigende Kraft spiritueller Erfahrungen auf bewegende Weise einfängt.

Weitere Informationen

Rainer Maria Rilke ist der Autor des Gedichtes „Die Fensterrose“. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1891 und 1926. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 97 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 14 Versen. Die Gedichte „Am Kirchhof zu Königsaal“, „Am Rande der Nacht“ und „An Julius Zeyer“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Die Fensterrose“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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