Das Geschwätz in der Bedürfnisanstalt in der Schellingstraße von Joachim Ringelnatz

Heute wurde Geld eingesammelt,
Wo ich angestellt bin, in dem Büro,
Für die Frau von jemand, der sich erhängte.
Eine Büchse ging rum. Und jeder schenkte.
Drei Mark; das ist bei uns immer so.
 
Es braucht niemand zu wissen, wodran ich bin.
Ich habe das Geld meiner Mutter gestohlen.
 
Ich habe noch gestern acht Mark für Kohlen
Bezahlt. Und die Alte stumpft doch bloß so hin.
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Und bei ihrer Schwindsucht und sowieso
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Kann es ja doch nicht mehr lange währen.
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Ich kann auch nicht ewig fünf Menschen ernähren
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Bei der Arbeit in dem Büro.
 
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Ich möchte mal wieder eine Muhsik hören;
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Das stimmt einen wieder mal froh.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Das Geschwätz in der Bedürfnisanstalt in der Schellingstraße“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
15
Anzahl Wörter
107
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Joachim Ringelnatz, ein deutscher Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Daher kann das Gedicht zeitlich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und speziell der Zeit der Weimarer Republik bis hin zur ersten Phase des Nationalsozialismus zugeordnet werden.

Das Gedicht lässt einen durch seinen nüchternen und realitätsnahen Inhalt betroffen zurück. Es berichtet vom tristen und harten Arbeitsalltag und den sozialen Problemen der damaligen Zeit. Das lyrische Ich gibt preis, dass es in einem Büro angestellt ist, wo es zum Überleben finanziell für sich und für andere sorgen muss, offenbar auch für seine kranke Mutter und andere Familienmitglieder. Diese Situation scheint für das lyrische Ich eine große Last zu sein. Es fühlt sich überfordert und sieht keinen Ausweg mehr.

Inhaltlich skizziert das Gedicht eine bedrückende Situation. Es offenbart den sozialen Druck, der auf dem lyrischen Ich lastet und die Verzweiflung, die soweit geht, dass das lyrische Ich das Geld seiner kranken Mutter stiehlt, um den Beitrag für eine Kollekte für die Witwe eines Selbstmörders im Büro aufbringen zu können. Es zeigt die Ohnmacht und Gefühllosigkeit des lyrischen Ichs gegenüber der Krankheit und dem nahenden Tod der Mutter. Ein Wunsch nach Zerstreuung und Freude tritt im letzten Vers auf, was die Sehnsucht nach einer Auszeit und Befreiung von dieser Situation unterstreicht.

Was die Form angeht, besteht das Gedicht aus vier Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Die Sprache ist einfach und direkt, ohne jeglichen Schmuck oder Verzierung, was die Nüchternheit und Härte der geschilderten Situation unterstreicht. Die einfache Form und der direkte Ausdruck verstärken den Eindruck, dass das lyrische Ich durch die trostlose Situation und den sozialen Druck abgestumpft ist. Dabei ist das Gedicht weit entfernt von einer herkömmlichen Romantisierung der Armut oder der sozialen Herausforderung, sondern stellt diese ungeschminkt und direkt dar.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Das Geschwätz in der Bedürfnisanstalt in der Schellingstraße“. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 107 Worte. Die Gedichte „7. August 1929“, „Abendgebet einer erkälteten Negerin“ und „Abermals in Zwickau“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Geschwätz in der Bedürfnisanstalt in der Schellingstraße“ weitere 560 Gedichte vor.

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