Sehnsucht von Friedrich Schiller

Ach, aus dieses Tales Gründen,
Die der kalte Nebel drückt,
Könnt ich doch den Ausgang finden,
Ach wie fühlt ich mich beglückt!
Dort erblick ich schöne Hügel,
Ewig jung und ewig grün!
Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel,
Nach den Hügeln zög ich hin.
 
Harmonien hör ich klingen,
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Töne süßer Himmelsruh,
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Und die leichten Winde bringen
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Mir der Düfte Balsam zu,
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Goldne Früchte seh ich glühen,
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Winkend zwischen dunkelm Laub,
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Und die Blumen, die dort blühen,
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Werden keines Winters Raub.
 
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Ach wie schön muß sichs ergehen
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Dort im ewgen Sonnenschein,
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Und die Luft auf jenen Höhen,
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O wie labend muß sie sein!
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Doch mir wehrt des Stromes Toben,
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Der ergrimmt dazwischen braust,
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Seine Wellen sind gehoben,
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Daß die Seele mir ergraust.
 
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Einen Nachen seh ich schwanken,
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Aber ach! der Fährmann fehlt.
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Frisch hinein und ohne Wanken,
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Seine Segel sind beseelt.
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Du mußt glauben, du mußt wagen,
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Denn die Götter leihn kein Pfand,
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Nur ein Wunder kann dich tragen
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In das schöne Wunderland.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Sehnsucht“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
162
Entstehungsjahr
1759 - 1805
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sehnsucht“ wurde von Friedrich Schiller, einem der bekanntesten deutschen Dichter und Dramatiker der Weimarer Klassik verfasst. Er lebte von 1759 bis 1805, und daher lässt sich das Gedicht in diese Epoche einordnen.

Auf den ersten Blick hat das Gedicht eine sehnsuchtsvolle, schwermütige Stimmung, wenn das lyrische Ich seine tiefe Sehnsucht nach einem idealisierten Ort ausdrückt. Es steckt in einer kalten und düsteren Umgebung fest und sehnt sich nach den grünen, lebendigen Hügeln, die es in der Ferne sieht.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen, bestehend aus jeweils acht Versen, wobei das lyrische Ich seine Wünsche und Ängste auf konkrete, sinnliche Weise ausdrückt. Es spricht davon, aus dem Tal, das vom kalten Nebel gedrückt wird, herauszufinden, fühlt sich aber durch Hindernisse eingeschüchtert, insbesondere durch einen reißenden Fluss, der zwischen ihm und dem Ort seiner Sehnsucht liegt.

Die Vorstellung von Schillers „Wunderland“ ruft Bilder von Schönheit, Harmonie und Frieden hervor, mit goldenen Früchten und duftenden Blumen, die niemals vom Winter verwüstet werden. Es ist ein Ort des ewigen Sonnenscheins und der süßen himmlischen Ruhe. Doch um dorthin zu gelangen, muss das lyrische Ich einen wilden Fluss überqueren – ein Hindernis, das es mit Angst und Zögern erfüllt.

In der letzten Strophe sieht er ein Boot, aber keinen Fährmann, was darauf hindeutet, dass er die Reise alleine antreten muss, auf eigenen Glauben und Mut angewiesen. Hier findet das Gedicht seinen Höhepunkt und seine zentrale Botschaft: „Du musst glauben, du musst wagen.“ Mit diesen Worten fordert das lyrische Ich sich selbst und den Leser heraus, den Glauben und Mut zur Überwindung hindernisreicher Wege hin zu einem besseren Leben aufzubringen.

In Bezug auf die Form und die Sprache, Schillers Gebrauch von rhythmischer und melodischer Sprache trägt zur Schönheit und zum Ausdruck des Gedichts bei. Die poetischen Bilder sind stark und zugänglich, und seine klare, unkomplizierte Sprache erzeugt ein emphatisches und stimmungsvolles Leseerlebnis. Schillers „Sehnsucht“ ist daher ein kraftvolles Beispiel für die Kunst der Weimarer Klassik, die grundlegende menschliche Erfahrungen und Werte in klarer, betörender Kunstform darstellt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Sehnsucht“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Schiller. 1759 wurde Schiller in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1775 und 1805. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Der Schriftsteller Schiller ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Schriftsteller der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik war beeinflusst worden durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und mit dem Tod Goethes 1832 eingrenzen. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Oft wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Statt auf Widerspruch und Konfrontation wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Menschlichkeit und Toleranz. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit voranzutreiben. In der Gestaltung wurde das Gültige, Gesetzmäßige, Wesentliche sowie der Ausgleich und die Harmonie gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache häufig derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die berühmtesten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Andere Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Schiller und Goethe.

Das vorliegende Gedicht umfasst 162 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich Schiller sind „An den Frühling“, „An die Gesetzgeber“ und „An die Parzen“. Zum Autor des Gedichtes „Sehnsucht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 220 Gedichte veröffentlicht.

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